| # taz.de -- Protest gegen Überwachung: Opfer dringend gesucht | |
| > Bewegungsforscher erklären, warum der Protest gegen Prism und Co. bisher | |
| > so gering ausfällt. Doch für den Herbst besteht Hoffnung. | |
| Bild: Auch im Sommer ist Empörung möglich: Protest vor dem Bundeskanzleramt | |
| BERLIN taz | Die schlimmsten Befürchtungen von DatenschützerInnen haben | |
| sich bewahrheitet: Edward Snowdens Enthüllungen zur massenhaften | |
| Bespitzelung Unschuldiger durch den US-amerikanischen Geheimdienst zeichnen | |
| ein Bild, das von George Orwells Buch „1984“ nicht weit entfernt ist. Auch | |
| deutsche BürgerInnen werden flächendeckend ausspioniert – Mails, Chats und | |
| Telefonate mitgelesen und mitgehört. Und dagegen tun sie … nichts. So | |
| scheint es zumindest. Warum ist das so? | |
| „Der Sommer ist eine ungünstige Zeit“, erklärt Peter Ullrich vom Institut | |
| für Protest- und Bewegungsforschung. Politikwissenschaftler Roland Roth | |
| sieht das genauso: „Viele, die demonstrieren würden, sind jetzt in den | |
| Ferien. Das sind ja auch nur Menschen.“ Aber das, da sind sich beide einig, | |
| ist nur ein Faktor. | |
| Die Überwachung durch den NSA ist eine abstrakte Bedrohung, meint Ullrich, | |
| „es fehlt der klare Gegner“. Der sei zwar bekannt, aber unfassbar. Das | |
| diffuse Problem der Überwachung sei „weniger gut angreifbar als eine klare | |
| Institution, ein klares Projekt.“ | |
| „Die Leute wissen ja auch gar nicht, was mit diesen Daten passiert und ob | |
| daraus konkrete Folgen für sie erwachsen“, ergänzt Roth. „Es fehlt eine | |
| klare Opfergruppe.“ Die sei zentral für eine große Mobilisierung. „Man mu… | |
| die Fantasie der Leute erreichen. Das geht am besten mit Gesichtern.“ Wenn | |
| klar würde, dass Unschuldigen durch die Überwachung Nachteile entstehen, | |
| würde das die Empörung der Menschen steigern. Schon jetzt scheint ein | |
| Großteil der Entrüstung an die Gesichter der Whistleblower Bradley Manning | |
| und Edward Snowden gekoppelt. | |
| ## Wer sind die Akteure? | |
| Zusätzlich fehle es in der Affäre an zentralen AkteurInnen. „Da gibt es | |
| keine großen Institutionen wie in der Umweltbewegung“, erklärt Ullrich. | |
| Auch die Parteien hätten das versäumt. „Datenschutz gehört nur bei den | |
| Piraten zum eigentlichen Identitätskern, und die sind gerade zu sehr mit | |
| sich selbst beschäftigt.“ In dieser Hinsicht pflichtet ihm Roth bei: „Kein | |
| politischer Akteur kann derzeit glaubhaft vermitteln, dass er eine Änderung | |
| bewirken will und kann.“ Daher können sie auch nicht Anführer von Protesten | |
| sein. | |
| Ein weiteres Problem sieht Roland Roth darin, dass unklar ist, gegen wen | |
| sich Proteste richten sollen: Solange nicht sicher sei, inwieweit die | |
| Bundesregierung verstrickt ist, eigne sie sich nicht als Adressat. Und sie | |
| könne in Washington wenig ändern, „da reicht der Arm von Merkel weiß Gott | |
| nicht weit genug“. Es fehlt eine übergeordnete Instanz, gegen die man sich | |
| wenden kann. | |
| Die beiden Wissenschaftler sind aber verhalten optimistisch, was die | |
| Zukunft angeht: „Die ’Freiheit statt Angst‘-Demo im September wird durch | |
| den Skandal sicher Zulauf bekommen und wieder an Bedeutung gewinnen.“, | |
| meint Peter Ullrich. | |
| Auch Wiebke Johanning von der Bewegungsstiftung hofft auf wachsenden | |
| Protest nach dem Sommer. Warum sich die Entrüstung bisher hauptsächlich in | |
| den Medien abspielt, kann sie nicht erklären. In den | |
| Nichtregierungsorganisationen, die mit der Stiftung zusammenarbeiten, sei | |
| die Entrüstung spürbar – nun müsse sie in Aktion umgewandelt werden. | |
| Dass es viele Menschen gibt, die „sich empören lassen“, hätten die | |
| Aktivitäten gegen Acta und die Vorratsdatenspeicherung gezeigt. Auch die | |
| Demonstrationen vom 27. Juli lassen Johanning eher hoffen als resignieren: | |
| „Das mag wenig wirken, aber es ist ein Zeichen, dass sich etwas regt.“ | |
| Darüber, dass Protest wichtig ist, sind sich alle drei einig. „Zwar fehlt | |
| noch die große Utopie, die man der Realität entgegenstellen kann“, mein | |
| Roth, „aber wir sollten uns darum kümmern, dass sich etwas ändert.“ | |
| 4 Aug 2013 | |
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| Denis Schnur | |
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