| # taz.de -- Mindestlohn kommt fast ohne Ausnahme: Kein Flickenteppich | |
| > Die SPD setzt sich bei Lohnuntergrenze weitgehend durch. Ausgenommen sind | |
| > nur sehr wenige Gruppen, darunter Jugendliche unter 18 Jahren. | |
| Bild: Ab 2015 kriegt auch sie mindestens 8,50 Euro pro Stunde | |
| BERLIN taz | Die Zufriedenheit war Andrea Nahles (SPD) anzusehen. „Der | |
| Mindestlohn kommt ohne Ausnahmen und er kommt pünktlich“, konnte die | |
| Bundesarbeitsministerin am Mittwoch in ihrem Ministerium in Berlin | |
| verkünden. Die Nachricht des Tages: Die SPD hat sich im Gezerre um den | |
| Mindestlohn weitgehend durchgesetzt. Weitgehend, denn ein paar Ausnahmen | |
| wird es doch geben. | |
| Zweieinhalb Stunden hatten die drei Parteichefs der Großen Koalition, | |
| Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel | |
| (SPD), in der Nacht zum Mittwoch im Kanzleramt zusammengesessen, um endlich | |
| zu einer Einigung zu gelangen. Immer wieder hatten Abgeordnete aus der | |
| Union und Vertreter der Wirtschaft Ausnahmen gefordert: mal sollten die | |
| Rentner, mal Zeitungsausträger oder Saisonarbeiter keinen Mindestlohn | |
| erhalten. | |
| Zum Schluss wurde um die Altersgrenze gepokert. Wirtschaftsvertreter, aber | |
| auch einzelne Unions-Abgeordnete forderten, die Bezahlung von 8,50 Euro | |
| Stundenlohn erst ab 21 oder gar 25 Jahren zur Pflicht zu machen. Nahles | |
| hielt dagegen und brachte, mit Verweis etwa auf das Jugendschutzgesetz, die | |
| Grenze von 18 Jahren ins Gespräch. | |
| Bei dieser Grenze von 18 Jahren soll es nun bleiben. Dazu gesellen sich, | |
| wie schon im Koalitionsvertrag festgelegt oder in den letzten Monaten vom | |
| Bundesarbeitsministerium bereits bestätigt, weitere Ausnahmen: So werden | |
| auch Auszubildende oder Ehrenamtliche, da sie in keinem regulären | |
| Arbeitsverhältnis stehen, vom Mindestlohn ausgenommen. | |
| Ebenso erhalten Praktikanten, die ein Praktikum verpflichtend für Schule, | |
| Ausbildung oder Studium absolvieren, sowie Jugendliche, die auf eigene | |
| Motivation hin ein vierwöchiges Praktika zur Berufs- oder | |
| Studienorientierung absolvieren, das Minimum von 8,50 Euro nicht | |
| garantiert. Alle anderen Praktikanten, die nach der Ausbildung oder dem | |
| Studium in einem Betrieb arbeiten, haben hingegen Anspruch auf 8,50 Euro. | |
| ## Arbeitslose mit Karenzzeit | |
| Neu hinzu kommt als Ausnahme eine Karenzzeit für Arbeitslose, die länger | |
| als ein Jahr ohne Stelle sind. Finden sie wieder eine Arbeit, die mit | |
| Zuschüssen von der Bundesagentur für Arbeit subventioniert wird, müssen sie | |
| im ersten halben Jahr auf den Mindestlohn verzichten. Das | |
| Bundesarbeitsministerium geht von derzeit rund 16.000 Betroffenen aus. Es | |
| ist ein Kompromiss, der die Handschrift von Horst Seehofer trägt – er hatte | |
| zuletzt auf Ausnahmen für Langzeitarbeitslose gedrungen. | |
| Das Werben für weitere Ausnahmen lief jedoch ins Leere: Nun soll es in | |
| keiner einzelnen Branche Ausnahmen von den 8,50 Euro geben. Das | |
| Arbeitsministerium hatte in den letzten Wochen dazu Gespräche mit den | |
| jeweiligen Wirtschaftsverbänden geführt. Sie haben nun unter bestimmten | |
| Umständen höchstens noch zwei Jahre Zeit, sich auf die neue Lohnuntergrenze | |
| einzustellen. Denn nach wie vor gilt: Der Mindestlohn soll ab 1. Januar | |
| 2015 greifen. Nur dort, wo Branchenverträge repräsentativer Tarifpartner | |
| existieren, die weniger als 8,50 Euro vorsehen, behalten diese noch bis zum | |
| 1. Januar 2017 ihre Gültigkeit. | |
| SPD-Chef Gabriel lobte die Einigung: „Dass der Mindestlohn bald im | |
| Gesetzblatt steht, ist ein gemeinsamer Erfolg der SPD, der Gewerkschaften | |
| und auch der Union.“ Peter Weiß, Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmergruppe, | |
| hatte die Forderungen nach einem Mindestlohn-Flickenteppich nochmals | |
| zurückgewiesen: „Ausnahmen für einzelne Berufsgruppen vom Mindestlohn sind | |
| weder sinnvoll noch rechtlich durchsetzbar. Wir wollen keine Fehlanreize | |
| auslösen, sondern die reguläre Beschäftigung stärken“, sagte Weiß zur ta… | |
| ## Vier Millionen Menschen profitieren | |
| Bereits Anfang April soll der Gesetzentwurf, der nun in den Ministerien | |
| zirkuliert, vom Kabinett abgenickt werden. Vier Millionen Menschen könnten | |
| dann ab 2015 umgehend von einer Lohnerhöhung profitieren, weitere zwei | |
| Millionen kämen spätestens ab 2017 dazu. | |
| Das Gesetz soll zudem die Einführung von einzelnen Branchenmindestlöhnen, | |
| die höher ausfallen können als 8,50 Euro, vereinfachen. Zudem soll es | |
| künftig leichter möglich sein, einen Tarifvertrag für eine ganze Branche | |
| für allgemeinverbindlich zu erklären. Bisher war dafür nötig, dass unter | |
| dem entsprechenden Tarifvertrag bereits 50 Prozent der betroffenen | |
| Beschäftigten arbeiten müssen. Künftig soll dieses Quorum fallen und durch | |
| das Kriterium „öffentliches Interesse“ ersetzt werden. Das Bröckeln der | |
| Tarifbindung, das seit Jahren zu beobachten ist, könnte so ausgebremst | |
| werden. | |
| 19 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Völpel | |
| Ulrich Schulte | |
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