| # taz.de -- Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit: Staatliches Lohndumping | |
| > Wer die kommunalen Kliniken putzt, bekommt heute teilweise nicht mal den | |
| > Mindestlohn. Das soll sich zwar ändern, doch die Benachteiligung wird | |
| > weitergehen. | |
| Bild: Hygiene im Krankenhaus ist wichtig. Aber billig ist in Bremen manchmal eb… | |
| Nicht alle, die in den kommunalen Bremer Klinken putzen gehen, bekommen | |
| dafür auch den Mindestlohn gezahlt. Die meisten Reinigungskräfte sind | |
| nämlich bei der Gesundheit Nord Dienstleistungen GmbH (GND) angestellt, | |
| einer hundertprozentigen Tochter der kommunalen Klinikholding Geno. Und die | |
| zahlt derzeit nur 9,12 Euro in der Stunde. Aber es müssten – schon seit | |
| Jahresbeginn – mindestens 9,31 Euro sein. | |
| Geno-Sprecher Daniel Goerke bestätigte das gestern – und verwies auf die | |
| laufenden Tarifverhandlungen. „Die Einigung verzögert sich“, sagt Goerke, | |
| und so habe es leider auch mit dem Mindestlohn bisher „nicht geklappt“. Er | |
| versprach jedoch allen betroffenen Beschäftigten, dass sie „rückwirkend“ … | |
| Jahresbeginn auch den Mindestlohn bekommen. Und nicht erst mit | |
| dreimonatiger Verzögerung, wie es der GND-Betriebsrat befürchtet. Es gebe – | |
| „hoffentlich in Kürze“ – eine entsprechenden Tarifabschluss zu verkünde… | |
| so Goerke. Der Gewerkschaftsseite ist das aber zu wenig: Sie verlangt | |
| wenigstens 10 Euro Mindestlohn, also knapp 90 Cent mehr die Stunde. Die | |
| Arbeitgeberseite hat jedoch bislang nur 9,38 Euro angeboten. Eine Einigung | |
| steht noch aus. | |
| Bei der GND arbeiten insgesamt rund 900 Leute in den sogenannten | |
| „patientenfernen Bereichen“, die meisten als Reinigungskräfte, aber auch | |
| Wachleute, VersorgungsassistentInnen und TransporthelferInnen sind | |
| darunter. Sie werden nach einem eigenen Haustarifvertrag bezahlt – und | |
| nicht nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD), wie die | |
| übrigen Klinikangestellten. Und wenn die vier Krankenhäuser bald zu einer | |
| „Einheitsgesellschaft“ verschmolzen sein werden, haben die | |
| GND-MitarbeiterInnen davon gar nichts: Sie sind schon jetzt von der | |
| Einheitsgesellschaft explizit ausgeschlossen. Warum? Goerke antwortet ganz | |
| unverblümt: „Das ist zu teuer.“ Sie hätten dann nämlich Anspruch auf eine | |
| Bezahlung nach dem TVÖD. Und das würde den Reinigungskräften, sagt | |
| GND-Betriebsrat Thomas Fischer, ein bis zwei Euro mehr die Stunde bringen. | |
| Goerke schätzt die Mehrkosten der Geno auf vier bis fünf Millionen Euro pro | |
| Jahr, würde die GND mit in die Einheitsgesellschaft aufgenommen – und also | |
| nach TVÖD bezahlen müssen. „Das ist finanziell nicht zu wuppen“, so Goerk… | |
| Auch Ver.di-Gewerkschaftssekretär Uwe Schmid, der zugleich im Aufsichtsrat | |
| der Geno sitzt, verteidigte diese Sparmaßnahme – mit Verweis auf die | |
| Millionenschulden der Geno. Und der aktuelle Tarifvertrag der GND sei schon | |
| „ein Fortschritt“, sagt Schmid. Die Firma ist erst seit 2012 eine alleinige | |
| Geno-Tochter, vorher war sie eine Ausgründung des Klinikums Bremen-Mitte, | |
| die zu 49 Prozent der Deutschen R+S Dienstleistungen gehörte. Und die | |
| wiederum ist bei einigen Gewerkschaftern als „Sklaventreiber“ verschrieen. | |
| „Jahrelang“, sagt Schmid, habe es im Unternehmen „gar keinen Tarifvertrag… | |
| gegeben und die Beschäftigten hätten zu „ziemlich obskuren Bedingungen“ | |
| arbeiten müssen. | |
| Das heißt aber keineswegs, dass all jene, die momentan in einer der vier | |
| kommunalen Kliniken putzen gehen, auch denselben Lohn bekommen. Im Klinikum | |
| Bremen-Ost und auch im Klinikum Links der Weser gibt es nämlich auch noch | |
| Reinigungskräfte, die direkt dort angestellt und auch schon lange dabei | |
| sind – sie bekommen zum Teil rund 13 Euro pro Stunde, also fast vier Euro | |
| mehr. Aber wenn Mehrarbeit anfalle, oder Überstunden zu leisten seien, so | |
| Fischer, dann achte die Geno darauf, dass das die billigeren GND-Kräfte | |
| übernehmen. Schmid hätte längst Alarm schlagen müssen, findet Fischer. „W… | |
| glaubt, dass man im Aufsichtsrat die tarifliche Welt bewegen kann, der | |
| irrt“, sagt Schmid. | |
| Warum den Kontrolleuren des Mindestlohns in Bremen nicht aufgefallen ist, | |
| dass manch einer ihn gar nicht bekommt, erklärt sich übrigens auch leicht: | |
| Für solche Kontrollen, die die rot-grüne Landesregierung angeordnet hat, | |
| ist nämlich die GND selbst zuständig. | |
| 10 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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