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# taz.de -- Ressortübergreifende Herausforderung: Über Armut reden
> Sich gegen Armut partei- und ressortübergreifend zu engagieren,
> bekundeten am Mittwoch in der Bürgerschaft alle. Nur das Bildungsressort
> glänzte durch Abwesenheit.
Bild: Gilt als arm: Osterholz-Tenever. Hier spekulierten Hedgefonds mit Häuser…
BREMEN taz | Wenn in Bremen über Armut gesprochen wird, ist die grobe Linie
klar: Der Stadtstaat ist besonders betroffen, fast ein Viertel der
Bevölkerung ist von Armut gefährdet, jedes dritte Kind ist arm. Schuld sind
die sozialen Verhältnisse, bekämpfen kann man das mit Bildung – über die
Fraktionsgrenzen hinweg bekundeten das alle Parteien, als am Mittwoch in
der Bürgerschaft über den Kampf gegen die Armut debattiert wurde.
Den hatte zuvor Bürgermeister Jens Böhrsen (SPD) beim Neujahrs-Empfang im
Rathaus zur Chefsache erklärt und ein „Bündnis gegen Armut“ als Plan
verkündet. Mit der Einberufung einer aktuellen Stunde war es nun an der
CDU, sich den Ball zurückzuholen. Erstaunlich wenig jedoch wurde anhand
ideologischer Grenzen attackiert, erstaunlich viel der Wille zur
Zusammenarbeit bekundet. Sachorientierte Politik – zumindest vordergründig.
Politisches Ping-Pong-Spiel
Denn im Hintergrund war es doch auch ein politisches Pingpong-Spiel:
Zwischen Sozialdemokraten und Grünen, zwischen Bürgermeister und
Opposition, zwischen Senat und Bürgerschaft. Mit seinem Vorstoß hatte
Böhrnsen das Thema der grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann entrissen –
immerhin eine der zentralen Aufgaben des Ressorts.
Im Rahmen der Debatte schossen die Grünen zurück. „Sehr kritisch auf den
Prüfstand stellen“ müssten sich die Sozialdemokraten, erklärte Susanne
Wendland, sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Immerhin regiere
die SPD in Bremen „seit Menschengedenken“, viel Zeit also, um etwas zu
ändern – ein Seitenhieb, der mit Applaus von der CDU honoriert wurde. Deren
Fraktionsvorsitzender Thomas Röwekamp regte gegen Ende der Debatte einen
Parlaments-Ausschuss an. „Nicht ausschließen“ wollte das der
Grüne-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner und zog damit das Thema aus dem
sozialdemokratisch-geführten Rathaus zurück ins Parlament.
Keine "Grundsatzdebatten"
Inhaltlich so richtig konkret wurde es am Mittwoch noch nicht. Außer, dass
es Konkretem bedürfe: Er wolle keine „Grundsatzdebatten“, sagte
Bürgermeister Böhrnsen. Und: „Wir werden uns nicht mit Armut und sozialer
Ausgrenzung abfinden.“ Anzugehen seien die verfestigte
Langzeitarbeitslosigkeit, er denke an ein „beschäftigungsorientierte
Aktionsprogramm“, mit Fokus auf ungelernte Arbeitslose.
Themen, die auch Thomas Röwekamp erwähnte, der zudem mit einem klaren
Bekenntnis zum gesetzlichen Mindestlohn und der Forderung nach einem
besseren Zugang zum Arbeitsmarkt für MigrantInnen und Flüchtlinge
überraschte. Ein „Armutszeugnis“ allerdings sei es, dass sich in Bremen die
Kosten der Jugendhilfe in den letzten Jahren verdoppelt hätten: Immerhin
beträfe die Jugendliche, die jahrelang durchs staatliche Schulsystem
gelaufen seien.
Auch die Grüne Susanne Wendland brachte Bildung ins Spiel, denn Armut sei
„vererbbar“. Dagegen brauche es eine durchgängige Sprachförderung, müsse
der Ausbau der Kita-Betreuung fortgesetzt werden, beim Übergang von Schule
und Beruf sei die Wirtschaft gefragt.
SPD-Sozialpolitiker Klaus Möhle wiederum sah Bremen im Griff einer globalen
Entwicklung, die nur schwer aufzuhalten sei. Er nannte Hedgefonds, die des
banalen Profites wegen Wohnungen aufkauften und sprach von „Teilhabe trotz
Armut“. Fast hätte er vergessen, das Wort „Umverteilung“ überhaupt zu
erwähnen.
Nicht so der Linke Peter Erlanson: „Armutsbekämpfung ist
Reichtumsbekämpfung“, sagt er und sorgte für Unruhe, als er den anderen
Parteien vorwarf, mit Hartz IV „Armut per Gesetz“ überhaupt erst eingefüh…
zu haben. Die Linke hätte schon lange einen Aktionsplan gegen Armut
gefordert, Anträge und Ideen, wie die Ausweitung des Sozialtickets aber
seien stets abgelehnt worden.
Bildungsressort glänzt mit Abwesenheit
Für die Linken-Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt führt die komplett freie
Elternwahl zu Segregation an den Schulen. Inklusion und Oberschulen würden
zur Aufgaben der armen Stadtteile. Über die Ressortgrenzen Soziales und
Bildung die Kita- und Schulbetreuung als Ganzes zu sehen, erwähnten nicht
nur die Linken. Erlanson aber sprach von Schwierigkeiten, die in der
Sozialdeputation in der Zusammenarbeit mit dem Bildungsressort bestünden.
Wie also wurden die Reden vom Bildungsressort aufgenommen? Nun: Gar nicht.
Sozialsenatorin Stahmann, Finanzsenatorin Karoline Linnert und
Bürgermeister Böhrnsen saßen auf der Bank, Wirtschaftsstaatsrat Heiner
Heseler kam zumindest später hinzu. Bildungssenatorin Quante-Brandt aber
war nicht da und auch ihr Staatsrat Gerd-Rüdiger Kück ließ sich nicht
blicken. Kein guter Einstieg für eine ressortübergreifende Zusammenarbeit.
22 Jan 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Schwerpunkt Armut
Armutsbekämpfung
Bremen
Bürgerschaft
Schwerpunkt Armut
Oxfam
Armutsbericht
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