| # taz.de -- Konzepte für die Sozialpolitik: Bremen verfestigt Armut | |
| > Jedes dritte Bremer Kind ist armutsgefährdet, weil es in einer | |
| > mittellosen Familie lebt. Eine Konferenz will deren Chancen verbessern. | |
| Bild: Soll nicht als Berufsziel Hartz IV haben: Kind in der Schlange einer Tafe… | |
| BREMEN taz | In keinem anderen Bundesland wie in Bremen sind so viele | |
| Kinder gefährdet, als Erwachsene in Armut zu leben. Fast jedes dritte Kind | |
| lebt in einer Familie, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren | |
| Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Auch im Städtevergleich | |
| ist der Anteil armer Menschen besonders hoch: Nach Dortmund, Leipzig, | |
| Duisburg und Hannover kommt Bremen mit einem Anteil von 22,3 Prozent. In | |
| Hamburg sind es 14,8 Prozent. Und während die Armutsgefährdung in Hannover | |
| und Hamburg stagniert, ist sie in Bremen gestiegen – trotz guter | |
| Wirtschaftslage. | |
| „Das ist beunruhigend“, sagt Thomas Schwarzer von der Bremer | |
| Arbeitnehmerkammer, der die Zahlen unter Berücksichtigung des Mikrozensus | |
| und Daten des statistischen Bundesamts zur Verfügung gestellt hatte. | |
| Gemeinsam mit VertreterInnen 15 anderer Institutionen nahm er am gestrigen | |
| Dienstag an der ersten Bremer Armutskonferenz teil. Diese will die Chancen | |
| armutsgefährdeter Kinder verbessern. „Wir wollen, dass der Kreislauf | |
| unterbrochen wird“, sagte Gerd Wenzel vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, | |
| „dass niemand mit 16 auf die Frage, was er später machen will, sagt: Hartz | |
| IV.“ | |
| Dazu müsse Bremen ein Gesamtkonzept erstellen, wie der Lebensweg eines | |
| Kindes systematisch begleitet wird, sagte René Böhme vom Institut Arbeit | |
| und Wirtschaft an der Universität Bremen. „Das beginnt neun Monate vor der | |
| Geburt.“ Es mangele in Bremen nicht an Angeboten, so Böhme. Diese seien | |
| aber nicht systematisch miteinander verzahnt. „Es muss klar sein, wer die | |
| Hilfen zum Kind trägt, wer in welcher Phase zuständig ist.“ | |
| Als Beispiele nannte er Kommunen, in denen VertreterInnen der Jugendhilfe | |
| zu festen Sprechstunden in die Kindertagesstätten kämen. Böhme forderte wie | |
| die anderen TeilnehmerInnen die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die | |
| ein Konzept zur Bekämpfung der Armutsgefährdung erstellt. Vergleichbares | |
| gebe es in Dortmund, dort habe der Oberbürgermeister das Thema besetzt. | |
| Bewährt hat sich laut Böhme der Nürnberg-Pass, der EmpfängerInnen | |
| staatlicher Hilfen unbürokratisch zu einer Vielzahl von Vergünstigungen | |
| verhilft. Der Nürnberg-Pass und die Debatte um Armutsgefährdung in der | |
| Stadt habe dazu geführt, dass Unternehmen und Privatleute für soziale | |
| Projekte spenden. „Das fällt leichter, wenn man weiß, dass das Geld gezielt | |
| eingesetzt wird“, sagt Böhme. | |
| Warum das Engagement notwendig ist, beschrieb die Präsidentin der | |
| Bremischen Evangelischen Kirche, Edda Bosse: „Wir dürfen nicht ertragen, | |
| dass Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen und in zu kleinen Wohnungen | |
| leben müssen, in denen sie sich nicht bewegen können.“ Libuse Cerna vom Rat | |
| für Integration sagte, Schulleiter hätten ihr erzählt, dass 70 Prozent der | |
| Kinder kein Frühstück bekämen und nach dem Wochenende so ausgehungert | |
| seien, dass sie in der Kantine das Doppelte äßen. | |
| 19 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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