# taz.de -- Energiewende in Deutschland: Umfairteilung sieht anders aus | |
> Die Energiewende findet weitgehend ohne die Industrie statt. Sie wird | |
> stark von den Kosten ausgenommen. Die Verbraucher hingegen müssen zahlen. | |
Bild: So schön friedlich kann Ökostromgewinnung aussehen. | |
BERLIN taz | Die deutsche Industrie wird auch weiterhin in erheblichem | |
Ausmaß von den Kosten der Energiewende entlastet. Ein Gesetzentwurf, den | |
das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat, sieht vor, dass energie- | |
und wettbewerbsintensive Unternehmen auch in Zukunft 5,1 Milliarden Euro | |
weniger Ökostromumlage bezahlen müssen, als ihrem Stromverbrauch | |
entspricht. | |
Damit kommt es weder zu Entlastungen für Verbraucher, die die SPD im | |
Wahlkampf versprochen hatte, noch zu einer Ausweitung der | |
Industrieprivilegien, die auf Grundlage der neuen EU-Vorgaben für die | |
Ökostromförderung möglich gewesen wäre. | |
Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird über die sogenannte EEG-Umlage | |
finanziert, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird. Für normalen | |
Verbrauch liegt sie derzeit bei 6,24 Cent pro Kilowattstunde. | |
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht Ausnahmen für Unternehmen aus | |
219 Branchen vor – von der Stahlbranche über weite Teile der | |
Lebensmittelindustrie bis hin zu Spinnereien. Je nach Branche müssen die | |
Stromkosten dafür 16 oder 20 Prozent von der Bruttowertschöpfung eines | |
Unternehmens ausmachen. | |
## Einige Unternehmen zahlen mehr | |
Wie bisher zahlen die Unternehmen für die erste Gigawattstunde Strom die | |
volle EEG-Umlage; für den übrigen Verbrauch ist diese generell um 85 | |
Prozent auf 0,9 Cent reduziert. Für besonders energieintensive Branchen | |
sinkt der Betrag auf bis zu 0,1 Cent – was doppelt so viel ist wie die | |
bisherige Untergrenze. | |
Einige Unternehmen zahlen künftig also mehr EEG-Umlage als bisher – weil | |
aber der Börsenstrompreis gesunken ist, trotzdem insgesamt weniger als in | |
der Vergangenheit. Andere Firmen kommen neu in den Genuss der Privilegien. | |
Ganz auf die Vergünstigungen verzichten muss – anders als vielfach zu lesen | |
– kein einziges Unternehmen: Alle Betriebe, die bisher privilegiert waren, | |
aber die Kriterien künftig nicht mehr erfüllen, bekommen die Umlage | |
weiterhin um 80 Prozent reduziert. Diese angebliche „Härtefallregelung“ | |
gilt unbefristet. | |
Wie sich die neue Regelung auf die Zahl der befreiten Unternehmen und die | |
Umlage auswirkt, kann das Wirtschaftsministerium derzeit noch nicht genau | |
sagen. Auch das Öko-Institut, das zuvor vor einer Ausweitung der Rabatte | |
gewarnt hatte, konnte die Auswirkungen der neuen Regelung noch nicht | |
analysieren. | |
## Das Gesetz muss noch gebilligt werden | |
Der Bundesverband der Deutschen Industrie zeigte sich insgesamt zufrieden | |
mit dem Entwurf. Dass die Kriterien strenger ausfallen, als von Brüssel | |
vorgegeben, sei „zu erwarten gewesen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer | |
Markus Kerber. Die Opposition im Bundestag übte hingegen scharfe Kritik. | |
Als „Genosse der Bosse“ bediene Gabriel allein die „Profitinteressen der | |
Industrie“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion, | |
Caren Lay. | |
Auch der Grüne Oliver Krischer kritisierte: „Die Zeche zahlen weiterhin | |
private Verbraucher und nicht befreite Unternehmen.“ Gabriel wies die | |
Kritik zurück. Es gehe bei den Plänen nicht „um irgendwelchen blinden | |
Industrielobbyismus“, sondern darum, „Unternehmen im internationalen | |
Wettbewerb zu schützen“. | |
Das Gesetz muss noch von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden, um wie | |
geplant im August in Kraft treten zu können. Ob der Bundesrat Einspruch | |
einlegt, ist aber fraglich. Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums | |
würde eine Verzögerung dazu führen, dass für das nächste Jahr gar keine | |
Befreiungen erteilt werden können. | |
In Grünen-Länderkreisen werden die Optionen derzeit geprüft. | |
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck sieht die Pläne als | |
Koordinator der Grünen-Landesminister jedenfalls sehr kritisch: „Gabriels | |
EEG-Reform ist einseitig“, sagte er der taz. „Erneuerbare tragen die ganze | |
Last, die Industrie wird geschont.“ | |
Parallel zu den Industrieausnahmen sollen Bundestag und Bundesrat noch vor | |
der Sommerpause eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes | |
verabschieden, die den Ausbau von Wind, Biomasse und Solarenergie deutlich | |
beschränken soll. Formal handelt es sich aber um zwei Gesetze, sodass der | |
Bundesrat sie auch separat aufhalten könnte. | |
7 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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