| # taz.de -- AfD-Programmatik zur Europawahl: Liberale Mimikry | |
| > Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel erscheinen ganz bürgerlich. | |
| > Politikwissenschaftler aber sehen die AfD eher am rechten Rand. | |
| Bild: Bernd Lucke streckt den rechten Arm einladend zur Mitte der Gesellschaft … | |
| BERLIN taz | In der AfD ist man gerade empört. Empört, weil „Linksextreme“ | |
| Wahlkampfveranstaltungen störten. Empört, weil die Bundeszentrale für | |
| politische Bildung die Partei als „rechtspopulistisch“ bezeichnet. Empört, | |
| weil die Ministerpräsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbauer | |
| (CDU), die AfD „hart an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit“ | |
| einordnete. | |
| Hans-Olaf Henkel, Europa-Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland | |
| (AfD) und einstige Industriegröße, forderte deshalb ein „Machtwort“ von | |
| Bundespräsident Joachim Gauck: Dieser müsse dem „Kesseltreiben“ Einhalt | |
| gebieten. Die AfD sei ein Projekt „unbescholtener Bürger, die eine neue | |
| Partei aufbauen und ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben“ wollten. Alles | |
| nur ein Missverständnis? | |
| Tatsächlich lässt die AfD bis heute im Vagen, was sie sein will. Oben ein | |
| Eliteprojekt akademischer Eurokritiker, unten ein Sammelbecken für allerlei | |
| Unzufriedene. Rechtspopulisten aber keinesfalls, wie AfD-Chef Bernd Lucke | |
| stets betont, sondern eine „Partei des gesunden Menschenverstands“. | |
| Wie der klingt, definierte die AfD vergangene Woche in ihren „politischen | |
| Leitlinien“. Eine „Rechtsstaatspartei“ sei man, heißt es dort. Für sozi… | |
| Marktwirtschaft, direkte Demokratie, einfachere Steuern und | |
| Familienförderung. Es sind Lucke und Henkel, die sich um diesen Ton des | |
| soliden Bürgertums bemühen. Auf dem jüngsten AfD-Parteitag in Erfurt pries | |
| Henkel das dort verabschiedete Europaprogramm als eines „für die Mitte der | |
| Gesellschaft“. | |
| ## Asylrecht und Scharia | |
| So mittig, dass Mitglieder am Saalmikro nachfragten, wo denn bitte einige | |
| Passagen seien, die in einer Basisbefragung starke Zustimmung bekommen | |
| hatten: die Begrenzung des Asylrechts etwa, die Ablehnung der Scharia, ein | |
| Ende der „ideologischen Beeinflussung“ an Schulen. Man müsse immer auch die | |
| Außenwirkung bedenken, erwiderte Lucke. | |
| Der Ökonomieprofessor distanziert sich, wo nötig, stets fix. Nach innen | |
| aber legt Lucke die AfD rechts von der CSU fest. Aus dem anfänglichen | |
| AfD-Slogan „Mut zur Wahrheit“ hat er „Mut zu Deutschland“ gemacht. In d… | |
| neuen Leitlinien wird auch über „Gesinnungswächter“ geklagt, eine | |
| EU-„Gleichmacherei“ und ungeordnete Einwanderung. Bonbons für die Basis. | |
| In den Landesverbänden wagt sich die Partei ohnehin schon weiter vor. In | |
| Bayern hat man die „Islamisierung“ als einen Lieblingsfeind entdeckt. In | |
| Baden-Württemberg führte die AfD den homophob gefärbten Protest gegen einen | |
| Bildungsplan zu sexueller Vielfalt mit an. In Sachsen fordert sie | |
| Deutschquoten im Radio, Volksabstimmungen über Minarette und einen | |
| Förderstopp von „Integrationsfolklore“. Alles nur Missverständnisse? | |
| ## Verschärfung der Tonlage | |
| Für die Fachhochschule Düsseldorf nicht. In einer aktuellen Studie | |
| konstatiert sie eine „Verschärfung der Tonlage“ in der AfD. Tendenzen | |
| „einer rechtspopulistischen Stoßrichtung“ verdichteten sich, die Partei | |
| lege sich eine „nationalistische Grundierung“ zu. Kritik daran werde nicht | |
| hinterfragt, sondern als Teil der Political Correctness zurückgewiesen. | |
| Inzwischen kommt Kritik auch aus der Partei selbst. Im April beklagten | |
| AfD-Liberale eine „liberale Mimikry“ ihrer Partei. Die Partei müsse sich | |
| fragen, „ob sie in der Zukunft den politischen Opportunisten, zu kurz | |
| gekommenen Wüterichen, radikalen Reaktionären oder ganz allgemein dem | |
| Chauvinismus und dem Hass – sei es auf die EU oder auf Minderheiten – eine | |
| Heimat sein möchte“. | |
| Eine Antwort könnte nach dem 25. Mai erfolgen, nach dem Einzug der AfD ins | |
| Europaparlament. Die Partei liegt in Umfragen konstant bei 6 Prozent. Es | |
| wird Lucke sein, der als Listenerster in Brüssel den Weg vorgeben wird. | |
| Bisher schließt der ein Bündnis mit dem französischen Front National oder | |
| der holländischen Freiheitspartei aus. Eher schon schweben ihm die | |
| britischen Tories vor. Man könne aber auch vorläufig fraktionslos bleiben. | |
| In der Basis gibt es dazu auch andere Ansichten. In Nordrhein-Westfalen lud | |
| die AfD-Jugend unlängst den britischen Rechtsaußen und Ukip-Chef Nigel | |
| Farage nach Köln. 350 Anhänger applaudierten. Neben ihm saß Marcus | |
| Pretzell, Nummer sieben auf der AfD-Europaliste. Lucke witterte erst | |
| Gefahr, als Journalisten nachfragten. Er ließ Pretzell verwarnen. Es sollen | |
| jetzt keine weiteren Missverständnisse entstehen. Nicht bis zum 25. Mai. | |
| 10 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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