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# taz.de -- Europas Rechtspopulisten und Russland: Zusammen gegen die EU
> Putin ist mit zahlreichen rechten Parteien in Westeuropa eng verbandelt.
> Die helfen ihm, die EU zu diskreditieren.
Bild: Die Augen rechts! Wladimir Putin am 9. Mai in Moskau.
MOSKAU/WIEN/PARIS taz | Es war einmal eine Zeit, als Russlands Freunde in
der Welt vornehmlich auf der linken Seite des politischen Spektrums
beheimatet waren. Es gibt sie noch, die alten Kommunisten in Griechenland,
Portugal, Tschechien und Deutschland, die eine besondere Bindung zu
Russland pflegten. Auch heute hält Moskau an den langjährigen Banden fest.
Mehr Kontakte, Querverbindungen und strategische Ziele teilt der Kreml
inzwischen jedoch mit den rechtspopulistischen, offen antieuropäischen und
rechtsradikalen Parteien in der EU. Von den 24 einflussreichsten
Rechtsparteien bekennen sich 15 offen zu Russland und schließen einen
gemeinsamen Weg unter Leitung Moskaus jenseits der EU nicht mehr aus. Sechs
Parteien sind für russische Avancen offen, nur drei gehen auf Distanz. Sie
haben territoriale Streitigkeiten mit Russland oder größere ethnische
Minderheiten im eigenen Land.
Das geht aus der jüngsten Studie des ungarischen Policy Research Instituts
Political Capital hervor. Den griechischen Kommunisten – einst die
treuesten – haben in Moskau längst die Faschisten aus der Chrysi Avgi den
Rang abgelaufen. Sie sind im russischen Fernsehen gern gesehene Zeugen
eines vermeintlich europäischen Niedergangs. Alexander Dugin, Vordenker der
eurasischen Ideologie, die in Russland mittlerweile den öffentlichen
Diskurs beherrscht, sandte dem inhaftierten Parteivorsitzenden und
Hitlerverehrer Nikolaos Michaloliakos zur Unterstützung auch noch eine
Solidaritätsadresse in den Knast.
Als Wladimir Putin die Krim erobern ließ, um die Machtergreifung von
„Faschisten“ in Kiew zu vereiteln, lud er zur Beobachtung des
völkerrechtswidrigen Referendums mehr als 50 Politiker aus der EU ein. Mit
Ausnahme von vier Mitgliedern der Partei Die Linke waren die übrigen
Vertreter der extremen Rechten. Vom französischen Front National, von der
ungarischen Jobbik, dem belgischen Vlaams Belang, der bulgarischen Ataka,
den serbischen Dveri, der italienischen Liga Nord. Die Reihe ließe sich
fortsetzen. Die Einladung kam über die NGO Eode. Dahinter verbirgt sich
eine Organisation des belgischen Neonazis Luc Michel, der wiederum ein
Anhänger des Nazikollaborateurs Jean-Francois Thiriart ist.
## Internationale der Reaktion
Putin ist mit Sicherheit kein lupenreiner Faschist. Die Krim diente
lediglich der Destabilisierung der Ukraine und lindert das imperiale
Trauma. Tatsächlich will der Kremlchef mithilfe der rechtsradikalen Freunde
die EU als Gegner schwächen und seine Gefolgsleute lancieren. Ihre Aufgabe
wird es sein, die EU zu diskreditieren, zu demontieren und daran zu
hindern, europäische Werte zu exportieren und selbst zu expandieren.
Nach dem proletarischen Internationalismus bastelt Moskau jetzt an einer
Internationale der Reaktion. Putin schwingt sich zum Schirmherrn der
antimodernistischen reaktionären Kräfte in der EU und der Welt auf. Seine
ideologische Angebotspalette hält für viele Verlockendes parat: den
überzeugten Antiamerikaner, den starken Mann, den Macho, den
Schwulenhasser, den Vertreter familiärer Werte, den Traditionalisten,
Nationalisten, den Xenophoben, Kirchgänger und Antiglobalisten.
Von rechts bis links – für jeden ist etwas dabei. Zudem präsentiert er
Russland als das bessere, weil noch saubere Europa. Für dieses Ziel
arbeitet der Kreml auch mit russischsprachigen Rechtsradikalen in der
Ukraine zusammen, wie dem selbsternannten „Volksgouverneur“ von Donezk
Pawel Gubarew, dessen Freilassung aus Kiewer Haft der Kreml diese Woche
erreichte. Gubarew ist ein Parteigänger der radikalen Gruppierung Russische
Nationale Einheit.
## Besondere Freunde in Frankreich
Demgegenüber werden die rechtsradikalen Gruppen Swoboda und der Rechte
Sektor in Kiew, wo der Kreml gerade einen erbitterten Kampf gegen den
„Faschismus“ führt, von Russland nicht unterstützt. Es sind fast die
einzigen europäischen Rechtsradikalen, die ohne Moskaus Hilfe auskommen
müssen.
Besondere Aufmerksamkeit wird dem Front National (FN) zuteil. Im
französischsprachigen russischen Propagandasender ProRussia.tv in Paris
arbeiten viele Mitglieder des FN. In Paris sitzt auch eine Filiale des
spendenfinanzierten russischen „Instituts für Demokratie und
Zusammenarbeit“, das die ideologische Arbeit der Rechten europaweit
koordiniert.
Jean-Marie Le Pen ist ein flammender Anhänger des Kremlchefs. „Ich glaube,
Putin handelte praktisch fehlerfrei“, meinte er bewundernd zur Annexion der
Krim. Unter starken Männern mit homophoben Ressentiments versteht man sich
ohne Dolmetscher. Der Gründer des FN, der auch ein Freund des
Ultranationalisten Wladimir Schirinowski ist, steht mit der Idealisierung
des russischen Staatschefs in seiner Partei nicht allein. Seine Tochter und
Nachfolgerin an der Parteispitze teilt die Einschätzung. Ihr gefällt vor
allem Putins autoritär-nationalistischer Stil.
## Union der Vaterländer
Die FN-Chefin Marine Le Pen wurde zwar auch bei ihrem zweiten Besuch in
Russland in diesem Jahr nicht vom Kremlchef empfangen. Das blieb dem
Schauspieler Gérard Depardieu vorbehalten. Aber immerhin sprang Putins
Vertrauter Sergei Naryschkin ein, der Vorsitzende der Duma. Sie traf auch
Alexei Puschkow, den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses der
Duma. Geheimdienstler Puschkow ist ein scharfer Kritiker der
US-Außenpolitik und ein Freund von Baschar al-Assad.
Marine Le Pen soll vor ihm damit geprahlt haben, der FN hätte sich als
„einzige Partei in Frankreich“ gegen eine Intervention in Syrien
ausgesprochen – wie schon zuvor im Fall Libyen. Dass sie zudem für den
Nato-Austritt plädiert und von einer paneuropäischen Union der Vaterländer
anstelle der EU träumt, macht sie in Moskau erst recht sympathisch. Nur in
Russland wird sie als Chefin einer zukünftigen Regierungspartei empfangen.
Niemand setzt sich indes im FN mehr für die Annäherung zwischen russischen
und französischen Nationalisten ein als der „Geostratege“ Aymeric
Chauprade. Der FN-Spitzenkandidat bei den Europawahlen in der Region Paris
tritt als Sprecher einer prorussischen Lobby in Erscheinung. Er kämpft
gegen den Einfluss der USA in Europa und plädiert für eine Eurasien-Achse
Paris–Berlin–Moskau.
Für ihn kann es „kein weltweites Gleichgewicht gegenüber dem amerikanischen
Globalismus ohne ein starkes Russland geben“. Wegen abstruser
Verschwörungstheorien verlor er den Posten als Dozent an der Pariser
Militärakademie. Neben anderen Vertretern rechtspopulistischer Parteien
ließ auch er sich gern als „Wahlbeobachter“ auf der Krim einteilen. Sein
Urteil fiel makellos aus: alles ganz normal und kein Druck. Falls Moskau
wegen „schwerer Menschenrechtsverletzungen“ an russischsprachigen Bürgern
in der Ukraine eingreifen sollte, so verteidigte Chauprade dies im Voraus
als „humanitäre Schutzoperation“.
## Demokrat mit autoritärem Stil
Sehr enge Beziehungen zu Moskau unterhält auch die ungarische
rechtsradikale Partei Jobbik. Sie ist selbst für die österreichische FPÖ
schon zu rechts. Dennoch verbindet die Parteien die gemeinsame Bewunderung
für Putins autoritären Führungsstil und dessen völlig kompromisslose
Haltung gegenüber Schwulen, Lesben, Friedensbewegten und anderen
„Gutmenschen“. Beide Parteien folgten gerne Moskaus Einladung, das
Sezessionsreferendum auf der Krim zu beobachten.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, jüngst in einem Interview auf das
Schröder-Diktum vom „lupenreinen Demokraten“ angesprochen, vermied zwar das
Attribut lupenrein, konnte aber den Krim-Coup nachvollziehen. Putin sei
„mit Sicherheit ein reiner Demokrat, aber mit einem autoritären Stil“.
Strache fährt zwar nicht mit Putin Ski wie einst Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel (ÖVP). Dafür ist er nicht wichtig genug. Er war aber 2011 in
Moskau und unterhält seit Langem Kontakte zu Putins Umfeld, wenn auch auf
unterer Ebene.
Die Ereignisse in der Ukraine dienen der FPÖ jedoch auch für eigene
europapolitische Zündeleien. So entdeckte der Südtirol-Sprecher der FPÖ,
Werner Neubauer, in der Krim einen „Zug der Freiheit“, der „unaufhaltsam�…
nach Europa unterwegs sei. Nach seinem Dafürhalten sollte er in Bozen
Station machen: „Auch Südtirol muss die Gunst der Stunde nutzen und die
Menschen auf die Durchführung der Selbstbestimmung vorbereiten“.
## Türkei und Russland als Führungsmächte
Von der Rückeroberung des nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiets
träumt auch die Jobbik in Ungarn. Das Krimreferendum wird als
„exemplarisch“ für die ungarischen Minderheiten in der Slowakei und in
Rumänien gesehen. Parteichef Gábor Vona führte 2013 hochrangige Gespräche
in Moskau. Kremlnahe Nationalisten von der staatlichen Universität Moskau
hatten ihn eingeladen und Begegnungen mit Iwan Gratschow, dem Vorsitzenden
des Komitees für Energie der Staatsduma, und Wassili Tarasjuk vom
Rohstoffausschuss vermittelt. Jobbik feierte diese Kontakte auf der
offiziellen Homepage als „großen Durchbruch“, der bestätige, dass
„russische Anführer Jobbik als Partner betrachten“.
Beweise für die Finanzierung Jobbiks durch den Kreml gibt es nicht, aber
Indizien. Kein Zweifel besteht daran, dass Europas Rechte und Putin das
Interesse eint, die EU zu schwächen. In einem Interview mit der Voice of
Russia, dem staatlichen russischen Rundfunkauslandsdienst, erklärte Vona im
Vorjahr: Als eurasische Mächte sollten sich die Türkei und Russland „an die
Spitze eines echten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen
Widerstandes gegen den Euro-Atlantischen Block stellen“. Der eurasische
Ideologe Alexander Dugin tanzte 2009 auf Einladung der FPÖ als Ehrengast
auf dem umstrittenen Burschenschafterball in Wien.
11 May 2014
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Klaus-Helge Donath
Ralf Leonhard
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