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# taz.de -- Front National zur Europawahl: Ein Volk von Löwen
> Der Front National geißelt die „Bevormundung durch die EU“ und setzt auf
> seine neue Nationalheilige. Das ist Marine Le Pen.
Bild: Löwin vor dem Sprung.
PARIS taz | Der rechtsextreme Front National (FN) in Frankreich könnte bei
der Europawahl zur stimmenstärksten Partei des Landes werden: Verschiedenen
Umfragen zufolge wird er seinen Wähleranteil von 2009 mit 22 bis 25 Prozent
der Stimmen mehr als verdreifachen. Das würde 15 bis 20 der 74
französischen Mandate im Straßburger Parlament bedeuten.
Was der FN damit anfangen will, ist schon klar: Er plant, sich an die
Spitze einer Fraktion mit anderen Rechtspopulisten und „Patrioten“ zu
setzen. Gemeinsam sollen diese eine „Sperrminorität“ bilden, um „den
europäischen Aufbau zu blockieren“.
Europhobie ist auch in Frankreich ein starkes Wahlargument. Schließlich war
die EU war schon immer ein guter Sündenbock für unzufriedene Wähler.
Hinzukommt aktuell eine enorme Frustration: Präsident François Hollande hat
mit seinem Sparkurs viele Linkswähler enttäuscht. Ein Teil von ihnen läuft
zum FN über, der sein radikales Programm mit einem sozial verbrämten
Populismus verkauft und sich als weder links noch rechts, sondern als
einzig wahrer Gegner eines kaputten Systems darstellt.
## „Plebiszit für oder gegen Frankreich“
So fordert der FN gleich den doppelten Austritt – aus dem Euro und aus der
EU. Die wiederhergestellte nationale Souveränität soll die Leute vor den
Folgen der Globalisierung und der Krise bewahren. Folgerichtig nennt
Parteichefin Marine Le Pen die Europawahl ein „Plebiszit für oder gegen
Frankreich“.
Ihre Kritik formuliert sie gern betont simpel: „Wir müssen für alles und
jedes eine Erlaubnis einholen, als wenn wir eine Kindernation oder
bevormundet wären. Das französische Volk kontrolliert überhaupt nichts
mehr“, sagt sie. So sei Europa zum „Gefängnis“ geworden.
Das kommt bei vielen Franzosen an. Die mehrheitlich proeuropäischen
Parteien müssen mit einer kalten Dusche rechnen: Der konservativen UMP
werden in Umfragen noch 22 Prozent der Stimmen prophezeit, den Sozialisten
(PS) zwischen 15 und 18. Abgeschlagen im einstelligen Bereich dürften das
bürgerliche Zentrum (UDI-Modem), die Grünen (EELV) und die Linksfront
(Linkspartei und Kommunisten) landen.
Im Autorennsport würde man davon sprechen, dass die FN-Listen in den acht
Wahlregionen aus der Poleposition starten. Nur ein allzu großes
Desinteresse an den Europawahlen könnte ihnen den in greifbare Nähe
gerückten Triumph noch vermasseln. Le Pen hat die Favoritenrolle gern
angenommen und kann ihren Sieg kaum noch erwarten.
## Le Pen spricht vor einer behelmten Jungfrau
So macht sie eine persönliche Angelegenheit aus der Mobilisierung:
„Enttäuscht mich jetzt nicht!“, rief sie am 1. Mai ihren Anhängern zu.
Diese hatten sich wie jedes Jahr eingefunden, um – in Konkurrenz zum Tag
der Arbeit der Gewerkschaften und Linken – mit einem Marsch ihrer
Nationalheiligen Jeanne d’Arc zu gedenken.
Auf der Pariser Place de l’Opera diente ein riesiges Bild mit einer
zierlichen, aber geharnischten und behelmten Jungfrau von Orléans als
Kulisse für Le Pens Rede. Am Ende des Auftritts schwenkten jugendliche
FN-Mitglieder übergroße Trikoloren und Fahnen mit dem Flammensymbol des FN
wie mittelalterliche Banner.
Le Pen identifiziert sich mit der heilig gesprochenen patriotischen
Amazone, die der Legende zufolge mit göttlicher Hilfe Frankreichs
Königreich vor seinen Erzfeinden gerettet hat.
## Auch innenpolitisch eine Schicksalswahl
Auch sie will die Nation vor fremden Einflüssen bewahren – vor dem
Identitätsverlust durch multikulturelle „Métissage“ (Vermischung) und die
drohende „Islamisierung“ der französischen Nation. Wie ihre Heilige fühlt
sie sich ausersehen, das von seinen Führern verratene Volk in den Kampf und
die Freiheit zu führen.
„Die Franzosen sind ein Volk von Löwen, sofern sie nicht von Eseln regiert
werden“, rief Marine Le Pen auf der Kundgebung. „Frankreich ist nur
schwach, weil seine Führer schwach sind.“ Sollte dem FN der Durchbruch
gelingen – woran Le Pen keine Zweifel lassen will –, bleibe dem Präsidenten
und der Regierung „kein anderer Ausweg, als zurückzutreten“ und
anschließend Neuwahlen anzusetzen.
Nach der Schlappe bei den Kommunalwahlen und ihrer Desavouierung durch das
Volk im März sei es nun genug. Präsident Hollande habe sich als „kleiner
Provinzgouverneur (erwiesen), der sich im Kostüm eines
EU-Unterstatthalters, das ihm sein Vorgänger hinterlassen hat, wohlfühlt.“
Was die Grande Nation brauche, sei „ein Führer, der ihren Dimensionen
entspricht“.
Diesem Anspruch fühlt sich Le Pen selbst mehr denn je gewachsen. Dass ihr
Idol als Hexe verfemt auf dem Scheiterhaufen endete, klammert sie lieber
aus.
12 May 2014
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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