# taz.de -- Kommentar BND-Überwachung: Am besten abschaffen | |
> Die gerichtliche Kontrolle der strategischen BND-Fernmelde-Überwachung | |
> ist gescheitert. Der Bundestag sollte sie stoppen oder wenigstens | |
> entschärfen. | |
Bild: BND-Zentrale in Berlin: Die Palme vorm Haus spendet wenig Trost für das … | |
Sind wir auch nicht besser als die NSA? Diese Frage stellte sich am | |
Mittwoch im Leipziger Bundesverwaltungsgericht. | |
Auf Klage eines Berliner Anwalts befassten sich die Richter mit der | |
„strategischen Fernmeldekontrolle“ des Bundesnachrichtendienstes (BND). | |
Dabei wird versucht, mit Hilfe von Suchbegriffen verdächtige Emails und | |
Telefonate aus dem grenzüberschreitenden Datenstrom herauszufischen. | |
Der Vergleich mit den USA ist schwierig, weil wir trotz aller | |
Snowden-Enthüllungen noch zuwenig über die NSA-Überwachung wissen. Aber es | |
ist anzunehmen, dass der US-Geheimdienst noch mehr Daten kontrolliert, mehr | |
Zielpersonen im Auge hat, mehr Daten aussondert und diese länger speichert. | |
Die Verhandlung in Leipzig war im Ansatz erfreulich. Die Richter nahmen | |
sich Zeit und versuchten zu verstehen, was der BND genau macht. | |
## Ein bißchen Transparenz | |
Das war um so bemerkenswerter, weil die Richter schon früh signalisierten, | |
dass sie die Klage eigentlich für unzulässig hielten. So schufen sie - | |
vielleicht aus schlechtem Gewissen – zumindest etwas Transparenz. Am Ende | |
blieben aber trotz der mehrstündigen Verhandlung viele Fragen offen. Dass | |
sich die Richter ein Urteil ersparten, indem sie die Klage für unzulässig | |
erklärten, bestätigt auf den ersten Blick alle Vorurteile Richtung | |
überwachungsstaat. | |
Potentiell sind alle von der Überwachungsmaßnahme betroffen, weil sie | |
anlasslos erfolgt. Klagen kann aber nur jemand, dem der Geheimdienst nach | |
Jahren mitteilt, dass er verdächtige Emails ins Ausland verschickt hat. Wer | |
nur findet, dass die Überwachung Unverdächtiger exzessiv gehandhabt wird, | |
kann nicht klagen. | |
Gänzlich überraschend ist das Ergebnis aber nicht, wie ein anderes Beispiel | |
zeigt: Wer gegen das heimliche Abhören von Telefonen ist, kann gegen ein | |
neues Gesetz Verfassungsbeschwerde einlegen. Wer aber findet, dass nach | |
Einführung des Gesetzes zuviel Telefone abgehört werden, kann damit auch | |
nicht einfach zum Gericht gehen. Normalerweise ist dies eine Frage der | |
politischen Kontrolle der Exekutive durch das Parlament. | |
Auch mit der strategischen Fernmeldekontrolle sollte sich deshalb zunächst | |
der Bundestag befassen, bevor nun wieder alle Hoffnungen auf das | |
Bundesverfassungsgericht focussiert werden. Naheliegend wäre es, die | |
anlasslose Kontrolle des grenzüberschreitenden elektronischen Verkehrs | |
einfach abzuschaffen. Hier werden mit extrem großem Aufwand sehr wenig | |
Erkenntnisse gewonnen. Ob diese überhaupt relevanten Nutzen haben, ist | |
unbekannt. | |
## Verzicht als Zeichen | |
Vermutlich würde sich die Sicherheit in Deutschland ohne strategische | |
Fernemldekontrolle kein bißchen verringern. Dagegen wäre ein Verzicht ein | |
international sichtbares Zeichen gegen den Überwachungswahn der Amerikaner | |
und Briten. | |
Es ist wenig überzeugend, gegen die NSA-Überwachung der deutschen | |
Bevölkerung zu protestieren, wenn gleichzeitig jede Email in die USA vom | |
BND kontrolliert werden darf. | |
Sollte die Große Koalition dafür zu kleinmütig sein, könnte die | |
strategische Kontrolle immerhin entschärft werden. Der Gesetzgeber könnte | |
dabei vorschreiben, dass keine inhaltlichen Suchbegriffe mehr verwendet | |
werden dürfen. | |
Eine Mail würde dann nicht mehr geprüft, weil darin verdächtige Wörter wie | |
„Sprengstoff“ oder chemische Formeln benutzt werden. Dies führt bisher vor | |
allem zu vielen Fehltreffern und zu einem Gefühl der willkürlichen | |
Überwachung („habe ich nun wieder eines der geheimen verdächtigen Wörter | |
benutzt?“). | |
Stattdessen sollte die Kontrolle ganz auf formale Suchbegriffe wie | |
ausländische email-Adressen oder Fax-Nummern begrenzt werden. Das Mitlesen | |
von Nachrichten an pakistanische Terrorfürsten ist weniger willkürlich und | |
sogar effizienter. | |
Deshalb ist der BND in den letzten Jahren von selbst immer mehr dazu | |
übergegangen, inhaltliche durch formale Suchbegriffe zu ersetzen. Anders | |
hätte er die Flut an sinnlosen Treffern auch gar nicht in den Griff | |
bekommen. In den letzten Jahren entpuppten sich stets 99,9 Prozent der | |
kontrollierten Mails als irrelevant, zumeist handelte es sich um | |
Spam-Mails. Das war sogar eher lächerlich als beängstigend. | |
29 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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