# taz.de -- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Klage gegen BND gescheitert | |
> Ein Anwalt hielt die anlasslose Kontrolle des internationalen | |
> Email-Verkehrs für übertrieben. Die Richter weisen die Klage aber als | |
> "unzulässig" ab. | |
Bild: Was hier hinten rausgeht, kommt oft auch beim BND an. | |
LEIPZIG taz | Der Prozess war mit großer Spannung erwartet worden, endete | |
aber mit einer Pleite. Der Berliner Anwalt Niko Härting klagte gegen die | |
anlasslose Kontrolle des internationalen Telefon- und Email-Verkehrs durch | |
den Bundesnachrichtendienst (BND). Doch das Bundesverwaltungsgericht | |
drückte sich vor einem Urteil, die Klage sei unzulässig, entschied das | |
Leipziger Gericht am Mittwoch abend. Härting will den Fall nun zum | |
Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe tragen. | |
Der BND kontrolliert potenziell alle Emails, Telefonate, SMS und Faxe, die | |
aus Deutschland ins Ausland oder aus dem Ausland nach Deutschland gehen. | |
Anhand von Suchbegriffen werden „Kommunikationen“ aus dem Datenstrom | |
herausgefiltert, die Bezug zu Terrorismus, Waffenhandel und der illegalen | |
Einschleusung von Ausländern haben könnten. Die Befugnis zu dieser | |
„strategischen Fernmeldekontrolle“ hat der BND schon seit dem Kalten Krieg, | |
damals sollte er so Angriffe aus dem Ostblock erkennen. | |
Anwalt Härting hat geklagt, weil die Zahl der vom BND als „Treffer“ | |
erkannten und näher geprüften Emails zeitweise exorbitante Maße annahm. | |
2010 wurden sage und schreibe 37 Millionen Kommunikationen als Treffer | |
ausgefiltert. Nach Prüfung entpuppten sich aber nur 213 als | |
„nachrichtendienstlich relevant“, davon 12 Emails. Härting hält dies für | |
völlig unverhältnismäßig und beantragte die Feststellung, dass zumindest im | |
Jahr 2010 sein Grundrecht auf Fernmeldefreiheit vom BND verletzt wurde. | |
Nach welchen Suchbegriffen gefiltert wird, wollte der BND vor Gericht nicht | |
mitteilen. Er übergab nur eine geschwärzte Liste der Suchbegriffe. Härting | |
beantragte deshalb die Vorlage einer ungeschwärzten Liste. Doch das | |
Bundesverwaltungsgericht lehnte den Beweisantrag ab – weil Härtings Klage | |
eh unzulässig sei. Am Ende der siebenstündigen Verhandlung wurde dann auch | |
Härtings Klage insgesamt wegen Unzulässigkeit abgewiesen. | |
Der Vorsitzende Richter Werner Neumann sagte zur Begründung, dass sich das | |
Gericht nicht einfach mit Fragen befassen könne, die Kläger Härting | |
interessant finde. Härting könne nur zulässig klagen, wenn er nachweisbar | |
von der Überwachungspraxis betroffen sei. Allerdings konnte der Anwalt | |
nicht beweisen, dass der BND auch Emails aus seiner Kanzlei erfasste, da | |
die Maßnahme ja geheim abläuft. | |
Einen gewissen „Beweisnotstand“ räumte Neumann ein, blieb aber hart, sonst | |
könne schließlich „jeder“ gegen die BND-Überwachung klagen. Es genüge, … | |
Härting sich bei der vom Bundestag eingesetzten G-10-Kommission beschweren | |
könne. Diese ist nach Grundgesetzartikel 10 – Fernmeldefreiheit – benannt | |
und genehmigt einmal pro Jahr die Suchbegriffe des BND. | |
Kläger Härting zeigte sich empört. Es gebe eine hohe Wahrscheinlichkeit, | |
dass seine Auslandsmails vom BND erfasst wurden, da er immer wieder mit | |
Mandanten aus arabischen Krisenstaaten kommuniziere. Anhand der | |
BND-Suchbegriffe könnte er die Betroffenheit seiner Korrespondenz sicher | |
besser belegen, doch die Suchbegriffe bekomme er ja nicht, weil seine Klage | |
unzulässig ist. „Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz!“, ärgerte | |
sich der Berliner Anwalt. | |
Als Fehlschlag wollte Härting seine Klage in Leipzig aber nicht werten. | |
Immerhin habe er im Rahmen der mehrstündigen Verhandlung einiges über die | |
BND-Überwachung gelernt. | |
## Datenfluss wird vollständig dupliziert | |
Wie ein BND-Vertreter erläuterte, wird der Datenfluss einzelner Kabel | |
vollständig dupliziert und an den deutschen Auslandsgheimdienst | |
weitergeleitet. In Frage kämen nur Kabel, die grundsätzlich der | |
Auslandskommunikation dienen. Laut G-10-Gesetz darf der BND nur maximal | |
jede fünfte internationale Kabelverbindung kontrollieren. Tatsächlich | |
greift der BND wohl sogar nur auf 3 bis 4 Prozent aller Kabel zu. Wie er | |
die Kabel auswählt, blieb aber ebenso unklar wie die Höhe des vom BND | |
überwachten Anteils des grenzüberschreitenden Gesamtverkehrs. Angeblich | |
weiß der BND weder welche Datenmengen zwischen Deutschland und dem Ausland | |
verkehren noch wieviel davon beim BND ankommen. | |
Der zum Bundesnachrichtendienst geleitete Datenfluss wird nun in mehreren | |
Stufen reduziert. Zunächst soll alles ausgesondert werden, was nicht | |
Kommunikation ist, etwa Downloads von Musik und Filmen. Tabu sei für den | |
BND auch der Datenverkehr, der beim Aufrufen von Webseiten entsteht. Dabei | |
soll es nur Ausnahmen für bestimmte „Terror-Foren“ geben. Gemeint sind | |
damit wohl dschihadistische Webseiten, auf denen die Teilnehmer miteinander | |
kommunizieren. Im Umkehrschluss heißt das wohl, dass der Versand von | |
Nachrichten über Facebook und andere soziale Netzwerke vom BND nicht | |
erfasst wird. | |
Auch innerdeutsche Kommunikation soll aus dem Datenstrom ausgesondert | |
werden. Wenn ein Deutscher aus Köln eine Mail an einen Deutschen in Hamburg | |
schreibt, könne es zwar sein, dass die Mail ihren Weg über ausländische | |
Router nimmt. Solche deutsch-deutschen Mails würden aber erkannt, etwa am | |
„.de“ der Mail-Adresse oder weil der Provider bei der deutschen | |
Bundesnetzagentur registriert ist. Auch wenn in den Metadaten der Mail eine | |
„deutsche Spracheinstellung“ erkennbar ist, werde die Mail ausgesondert. | |
„Diese Vorgehensweise funktioniert sehr gut“, betonte Heinrich Amadeus | |
Wolff, der Anwalt des BND. | |
Laut Gesetz soll auch die Begrenzung der Maßnahme auf den Verkehr mit | |
bestimmten Gebieten eine minimierende Wirkung haben. Davon kann in der | |
Praxis aber nicht die Rede sein. Immerhin erfasst die BND-Überwachung den | |
Telefon- und Emailverkehr mit 196 Gebieten, davon rund 130 Staaten plus | |
zugehörige extraterritoriale Gebiete wie Übersee-Inseln. Neben klassischen | |
Schurkenstaaten stehen auch die USA, Frankreich und England auf der Liste. | |
„Aber Polen fehlt“, betonte BND-Anwalt Wolff, ohne dass dies für große | |
Beruhigung sorgte. | |
## 30.000 Suchbegriffe | |
Den nun noch verbleibenden Datenstrom filtert der BND dann mit | |
Suchbegriffen. Im Jahr 2010 waren es rund 30.000 Suchbegriffe, die meisten | |
aus dem Bereich Waffenhandel. Es gibt inhaltliche Suchbegriffe, wie zum | |
Beispiel chemische Formeln. Die häufig zitierten Worte „Atom“ und „Bombe… | |
stehen laut Wolff aber nicht mehr auf der Liste. Bei gebräuchlichen Worten | |
wie „Strahlung“ werde nur in Verbindung mit anderen Begriffen ein Treffer | |
angezeigt. Die Suchbegriffe könnten auch fremdsprachlich, etwa englisch, | |
sein. Am häufigsten sind aber wohl formale Suchbegriffe wie (ausländische) | |
email-Adressen oder Fax-Nummern. | |
Auf diesem Wege wurden 2010 aus dem grenzüberschreitenden Datenstrom 37 | |
Millionen Treffer identifiziert. Das meiste davon seien Spam-Mails gewesen, | |
erklärte Wolff. Von Frühling bis Herbst 2010 habe es einen unerklärlichen | |
Boom von Suchwort-relevanten Spam-Mails gegeben. Es handele sich also | |
keinesfalls um eine Zunahme von Grundrechtseingriffen, so Wolff. Die | |
meisten Treffer schaue sich auch kein BND-Mitarbeiter an. Wie der BND unter | |
den Millionen Treffern dann die 200 „nachrichtendienstlich relevanten“ | |
Kommunikationen herausfand, wollten die Leipziger Richter dann leider nicht | |
mehr wissen. | |
Hier wird vielleicht bald das Bundesverfassungsgericht nachfragen können. | |
Denn Kläger Niko Härting will die Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen. Er | |
plant nun eine Verfassungsbeschwerde gegen die Abweisung seiner Klage in | |
Leipzig. Er kann sich dann nicht nur auf die Fernmeldefreiheit berufen, | |
sondern auch den verweigerten Rechtschutz monieren. (Az.: 6 A 1.13) | |
29 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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