# taz.de -- Deutschland nimmt Flüchtlinge auf: Das Nadelöhr weitet sich etwas | |
> Die Länderinnenminister beschließen, weitere 10.000 syrische Flüchtlinge | |
> aufzunehmen. Gerangel gibt es noch um die Asylrechtsreform. | |
Bild: Haben das Ziel schon erreicht: syrische Flüchtlinge in Niedersachsen. | |
BERLIN taz | Die Entscheidung der am Freitag zu Ende gegangenen | |
Innenministerkonferez (IMK) in Bonn, weitere 10.000 Flüchtlinge aus Syrien | |
aufzunehmen, ist auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Mit der | |
Verdopplung seines Kontingents stehe Deutschland zu seiner humanitären | |
Verantwortung, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag . | |
„Es ist daher richtig, dass wir gemeinsam noch stärker helfen“. | |
Der Vertreter des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in Deutschland, Hans ten Feld | |
nannte die Entscheidung einen „weiteren starken Beleg für die führende | |
Rolle Deutschlands bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge ausserhalb der | |
Konfliktregion“. | |
Die CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl forderte eine „europäische | |
Flüchtlingskonferenz“, um auch die übrigen EU-Mitgliedsstaaten zu einer | |
verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen zu bewegen. Zudem sprach sie sich für | |
eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung in Deutschland aus. „Es ist zu | |
überlegen, ob man ein Zentrum in der Nähe von Nürnberg eröffnet, da hier | |
die Nähe zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gegeben ist.“ | |
Derzeit reisen alle Syrien-Flüchtlinge über die beiden niedersächsischen | |
Zentren Friedland und Hesepe ein, bevor sie auf die 16 Bundesländer | |
verteilt werden – schon bislang ein Nadelöhr für das Aufnahmeprogramm. | |
Nach welchen Kriterien die 10.000 SyrerInnen ausgewählt werden, konnte das | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am Freitag nicht sagen. | |
Wahrscheinlich ist, dass überwiegend solche Flüchtlinge zum Zuge kommen, | |
für die in Deutschland lebende Angehörige schon im Rahmen der beiden ersten | |
Kontingente eine Einreiserlaubnis beantragt haben. Das waren etwa 76.000. | |
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte deshalb den | |
IMK-Beschluss: „Es bedeutet im Umkehrschluss, dass mehr als 60.000 | |
antragstellende Flüchtlinge aus Syrien mit Verwandten in Deutschland in | |
Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit vor den Grenzen der Festung Europa | |
bleiben werden.“ | |
Syrien beschäftigte die IMK noch in weiterer Hinsicht: Die Ausreise | |
potenzieller Dschihadisten dorthin soll erschwert werden. „Diese | |
Reisebewegungen beobachten wir mit großer Sorge“, sagte der | |
IMK-Vorsitzende, Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). | |
## Die Zusammenarbeit soll gestärkt werden | |
Die Rückkehrer kämen meist „verrohter und zusätzlich radikalisiert“ wied… | |
Notwendig seien Präventionsprojekte in Zusammenarbeit mit Imamen und | |
Moscheevereinen, um die jungen Männer vor einem Abgleiten in die Szene zu | |
schützen. Vor allem aber soll die Zusammenarbeit mit ausländischen | |
Geheimdiensten, etwa der Türkei oder der USA ausgebaut werden. Außerdem | |
soll über eine mögliche Verschärfung des Personalausweisrechts diskutiert | |
werden, um so die Reisemöglichkeiten über die Türkei nach Syrien oder eine | |
Wiedereinreise nach Deutschland einzuschränken. | |
„Wir wissen, dass das extrem kompliziert ist bei deutschen Staatsbürgern“, | |
sagte de Maizière. Weitere Details gebe es noch nicht. Bundesweit verließen | |
nach Angaben der Innenministerkonferenz seit 2012 mehr als 320 Extremisten | |
Deutschland Richtung Syrien. | |
Neben der Syrien-Frage beriet die IMK auch über einen Vorstoß von | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der hatte vor kurzem gleich | |
zwei Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht, um das Asylrecht zu | |
verschärfen. | |
Das „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der | |
Aufenthaltsbeendigung“ soll Abschiebehaft massiv ausweiten; Flüchtlinge, | |
die über einen anderen EU-Staat gekommen sind, sollen künftig generell | |
eingesperrt werden. Das wird auch zahlreiche SyrerInenn betreffen. Die alte | |
Bundesregierung hatte es noch abgelehnt, von einer entsprechenden | |
EU-Richtlinie Gebrauch zu machen. | |
Gleichzeitig will de Maizière per Gesetz feststellen lassen, dass fast alle | |
geduldeten, abgelehnten Asylbewerber ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen | |
und zum missbräuchlichen Bezug von Sozialleistungen eingereist seien. Als | |
Konsequenz soll ihnen ein reguläres Aufenthaltsrecht verwehrt werden – | |
verbunden mit Arbeitsverbot, Kürzung der Sozialleistungen und einer | |
Einreisesperre für die gesamte EU. Sozialverbände und Gewerkschaften hatten | |
auf den Entwurf im Mai mit Entsetzen reagiert. Mehrere Zehntausend | |
Menschen, die seit über sechs Jahren mit einer Duldung in Deutschland leben | |
– so genannte Kettenduldungen – würden auf diese Weise die Aussicht auf ein | |
Bleiberecht verlieren, anders als die SPD in den Koalitionsvertrag | |
verhandelt hatte. | |
## Auch im Kabinett nicht unumstritten | |
Dem Vernehmen nach ist der Referententwurf auch im Kabinett nicht | |
unumstritten. De Maizière will das Gesetz vor dem Hintergrund der stark | |
ansteigenden Asylzahlen so schnell wie möglich in Kraft treten lassen und | |
strebt eine erste Lesung im Bundestag noch vor der Sommerpause an. Den | |
Ländern wurde es deshalb noch vor dem Kabinettsentscheid zur Stellungnahme | |
zugeleitet. Bis Ende des Monats sollen sie sich erklären. Auf der IMK | |
wollte de Maizière offenbar die Stimmung testen – er setzte das Thema bei | |
einem internen Gespräch, ohne die Referenten an. Doch vor allem Länder mit | |
grüner Regierungsbeteiligung haben ihre Ablehnung signalisiert. | |
Wie es dem Vorstoß des Innenministers ergehen könnte, ließ sich am Freitag | |
im Bundestag beobachten. Dort lag de Maizières zweite Asylrechtsreform auf | |
dem Tisch. Demnach sollen die Balkanstaaten Serbien, Bosnien und | |
Herzegowina und Mazedonien künftig als „sichere Herkunftsländer“ gelten. | |
Seitdem die Visapflicht für diese Länder aufgehoben wurde, haben besonders | |
viele Roma aus der Region in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Die | |
werden zwar alle abgelehnt, müssen aber regulär geprüft werden. Die von de | |
Maizière geplante Gesetzesänderung, die auch im Koalitionsvertrag | |
vereinbart ist, würde die umgehende Abschiebung der Roma ermöglichen. | |
Menschenrechtsorganisationen hatten das Vorhaben mit Verweis auf die | |
katastrophale Lage der Roma auf dem Balkan heftig kritisiert. | |
Am Freitag aber signalisierten die sieben Länder mit grüner | |
Regierungsbeteiligung und das rot-rote Brandenburg, dass sie das Gesetz | |
durchfallen lassen wollen. „Die Asylanträge aus diesen Ländern müssen | |
weiterhin individuell und sorgfältig geprüft werden“, sagt die | |
rheinand-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt. Am liebsten würde die | |
CDU die Liste nach und nach um weitere Länder erweitern, etwa Albanien – im | |
Vermittlungsausschuss wird sie nun Abstriche machen müssen. | |
13 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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