# taz.de -- Verfassungsgericht in Uganda: Anti-Homosexuellen-Gesetz gekippt | |
> Ugandas Verfassungsgericht erklärt das neue Anti-Homo-Gesetz für | |
> ungültig. Es hat aber nicht das letzte Wort. Die Homo-Hasser wittern eine | |
> Verschwörung. | |
Bild: Aktivistinnen freuen sich in Kampala nach dem Urteil. | |
KAMPALA taz | Das Verfassungsgericht Ugandas hat heute das weltweit | |
umstrittene neue Anti-Homosexuellen-Gesetz auf Halde gelegt. Doch nicht | |
aufgrund des Inhalts, sondern wegen der Art und Weise, wie es im Parlament | |
verabschiedet wurde. Die Richter urteilten am Freitag mittag, bei der | |
Parlamentsabstimmung über das Gesetz am 20. Dezember 2013 seien nicht | |
genügend Abgeordnete anwesend gewesen, um das Gesetz verfassungskonform zu | |
verabschieden. | |
Das Verfahren vor Ugandas Verfassungsgericht wirkte von Beginn an | |
außergewönlich. Was sonst in Ugandas Justizsystem Wochen, Monate oder gar | |
Jahre dauert, wurde in drei Verhandlungstagen abgewickelt. Der oberste | |
Verfassungsrichter hatte mehrfach auf die Dringlichkeit des Urteils | |
verwiesen – besonders als die Staatsanwaltschaft um eine Aufschiebung | |
gebeten hatte. | |
Als sich Aktivisten, Anwälte, Schwulen-Befürworter und Schwulen-Hasser | |
sowie unzählige Journalisten und Politiker am Freitag zur Urteilsverlesung | |
im großen Gerichtssaal einfanden, lag Spannung in der Luft. | |
Anti-Schwulen-Prediger Martin Ssempa in seiner schwarzen Robe mit den | |
feuerroten Kruzifixen auf der Brust betete lautstark für ein Urteil, das | |
„unsere Land vor der Sodomie beschütze“. „Amen“ brüllten daraufhin die | |
Dutzenden Aktivisten lautstark, um ihn zu provozieren. | |
Die Richter ließen sich mit der Urteilsverkündung Zeit: Mit über vier | |
Stunden Verspätung erschienen sie im Gerichtssaal. Unterdessen wurden | |
Dutzende Polizisten abbestellt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, weil die | |
Stimmung hochkochte. | |
Ugandas Schwulen- und Menschenrechtsaktivisten hatten im März das | |
Verfassungsgericht angerufen: Das Anti-Homosexuellen-Gesetz sei aus zwei | |
Gründen nicht verfassungskonform, so ihre Petition. Erstens: weil bei der | |
Verabschiedung nicht die notwendige Anzahl von Abgeordneten anwesend waren | |
und Zweitens: weil es im Inhalt gegen die von der Verfassung garantierten | |
Mensch- und Freiheitsrechte verstoße. | |
Das Gericht hatte am ersten Verhandlungstag entschieden, zuerst über den | |
ersten Punkt zu entscheiden. Das Urteil gibt der Petition Recht: | |
Parlamentssprecherin Rebecca Kadaga habe die Regel nicht eingehalten und | |
nicht garantiert, dass die notwendige Zahl der Abgeordneten anwesend seien, | |
um das Gesetz verfassungskonform zu verabschieden. Sie habe die Aufrufe von | |
zwei Abgeordneten und dem Ministerpräsident ignoriert, die gefordert | |
hatten, die anwesenden Abgeordneten zu zählen. | |
## Zu wenig Abgeordnete | |
Laut Gesetz muss ein Drittel der 385 Abgeordneten anwesend sein, um ein | |
Gesetz zu verabschieden. Trotz dieser Zweifel hatte Präsident Yoweri | |
Museveni Ende Februar das Gesetz unterzeichnet. Es trat damit in Kraft. | |
Seitdem hatte die Polizei mehrere Razzien bei Ugandas | |
Schwulen-Organisationen durchgeführt. „All diese Verfolgungsmaßnahmen und | |
Gewalt gegen uns durch die Polizei hat jetzt erst einmal ein Ende“, freut | |
sich Aktivistin Jaqueline Kasha, als sie die Regenbogen-Flagge schwenkend | |
aus dem Gericht stürmt. „Das zeigt uns, dass Ugandas Justizsystem | |
unabhängig ist und wir Minderheiten die Justiz anrufen können, um unsere | |
Rechte zu verteidigen“, sagt sie und lacht über das ganze Gesicht. | |
„Bis das Oberste Gericht entscheidet darf das Gesetz nicht angewandt werden | |
– es ist als würde es nicht existieren“, erklärt Aktivisten-Anwältin Fri… | |
Mutesi. Anti-Schwulen-Prediger Ssempa ist dagegen bitterböse: „Ich fordere | |
das Parlament auf, die Unabhängigkeit unserer Justiz zu untersuchen“, sagt | |
er. Er verweist auf das Gipfeltreffen Afrikanischer Staatschefs kommende | |
Woche in den USA, zu dem US-Präsident Barack Obama geladen hat. „Obama hat | |
sich in unsere Justiz eingemischt“, sagt er. | |
## Sanktionen gegen Uganda | |
Jüngst hatten die USA Sanktionen gegen Uganda verhängt, Militärhilfen | |
gestrichen, Hilfsgelder auf Eis gelegt und Reiseverbote für Ugander | |
verhängt. „Obama behandelt uns wie Terroristen, nur weil wir unsere Kinder | |
und unsere Moral gegen Sodomie beschützen“, wettert er. Seine These: Die | |
Richter hätten auf Befehl von Ugandas Präsident gegen das Gesetz gestimmt. | |
Präsident Museveni wird nächste Woche zum USA-Afrika-Gipfeltreffen nach | |
Washington reisen. Um gut Wetter zu machen, habe er das umstrittene | |
Schwulen-Gesetz jetzt vom Tisch gefegt, so Ssempas These. | |
Die USA gelten als Ugandas wichtigster Verbündeter und militärischer | |
Schutzpatron. Das Gesetz hat die Beziehungen gewaltig gestört. Der Streit | |
um das Gesetz ist noch nicht zu Ende. Ssempa und seine Anwälte wollen jetzt | |
vor den Obersten Gerichtshof ziehen, das Urteil anfechten. „Um unsere | |
Kinder zu schützen“, brüllt er. Die Aktivisten lachen, wedeln mit der | |
bunten Flagge. Für sie ist der Etappensieg ein Meilenstein. Seit sechs | |
Jahren kämpfen sie gegen das Gesetz, das im ersten Entwurf sogar die | |
Todesstrafe vorsah. | |
1 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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