# taz.de -- Kommentar Wohnraum in Deutschland: Bezahlbare Mieten – statt Rend… | |
> Es braucht ein Umdenken bei Wohnungsbau und Bodenrecht. Aber der Staat | |
> fördert weiterhin Luxusquartiere und Immobilienspekulation. | |
Bild: Der Staat muss den Boden entprivatisieren und mehr sozialen Wohnraum scha… | |
Die Mieten in der Bundesrepublik werden immer teurer. In München und in den | |
meisten Großstädten müssen bei Neuvermietungen im Bestand inzwischen 14 bis | |
15 Euro Nettokaltmiete bezahlt werden. Beim Erstbezug im Neubau kostet die | |
Nettokaltmiete gar 16 Euro und mehr. | |
Dazu kommen noch die Betriebs- oder Nebenkosten, die zum Beispiel in | |
München bei durchschnittlich 1,60 Euro pro Quadratmeter liegen. Die Miete | |
für eine 80-qm-Wohnung kostet so etwa 1.200 bis 1.400 Euro – ohne Heizungs- | |
und Stromkosten. Normalverdienende Familien müssen inzwischen ein Drittel | |
oder die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben. | |
Parteien, die die derzeitigen investorenfreundlichen Mietgesetze | |
beschlossen haben, versprechen plötzlich die Einführung von | |
„Mietpreisbremsen“. Grundlegende Änderungen, die der Wohnungs- und | |
Grundstücksspekulation einen Riegel vorschieben würden, sind von ihnen | |
allerdings nicht zu erwarten. | |
Private Investoren bauen Wohnungen nur dann, wenn sie für ihr investiertes | |
Kapital mindestens die marktübliche Rendite erzielen. Ohne Aussicht auf | |
Rendite werden auch keine Wohnungen gebaut. Der kapitalistische | |
Wohnungsmarkt versorgt deshalb ausschließlich die Besserverdienenden, aber | |
nicht diejenigen mit durchschnittlichen oder niedrigen Einkommen. | |
## Die Wurzel des Übels | |
Aus diesem Grund sieht sich der Staat seit jeher dazu gezwungen, mit | |
mietpreisregulierenden Maßnahmen einzugreifen. Die derzeitigen Mietgesetze | |
verhindern jedoch bestenfalls einen Teil der Wuchermieten, garantieren aber | |
in erster Linie den Renditeanspruch der Eigentümer. | |
Das Hauptinstrument, die teuren Mieten erträglicher zu machen, ist seit | |
Jahrzehnten das Wohngeld, eine staatliche Subvention, die die Mieten nicht | |
senkt, sondern weitere Mietpreissteigerungen ermöglicht. Die steigenden | |
Mieten haben wiederum immer höhere Wohngeldzahlungen und höhere Ausgaben | |
für die Übernahme der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger und für | |
die soziale Grundsicherung zur Folge. | |
Dafür wird heute bereits die astronomische Summe von 17 Milliarden Euro | |
ausgegeben. Diese Milliarden fließen in die Taschen derjenigen, die das | |
Problem verursacht haben – an die privaten Hauseigentümer und | |
Immobilienspekulanten. | |
Ständig steigende Mieten sind kein Naturgesetz. Sie sind das Ergebnis des | |
Anspruchs der Haus- und Wohnungseigentümer auf ständig steigende Renditen. | |
Bei Neubauwohnungen führt bereits eine Rendite bzw. Verzinsung von 5 | |
Prozent auf das investierte Kapital (für Baukosten von 1.500 Euro und | |
Grundstückskosten von 700 Euro pro qm) zu einer Mietbelastung von 9,20 Euro | |
pro qm monatlich. | |
## Mietstopp und Begrenzung der Mietpreise | |
## | |
Tatsächlich sind die Nettokaltmieten – also ohne Betriebs- oder Nebenkosten | |
– beim Erstbezug in München und anderen Großstädten noch wesentlich höher. | |
Die Rendite ist also der preistreibende Faktor bei den Mieten. Ohne diesen | |
Profitanteil könnten alle Mieten auf etwa die Hälfte oder ein Drittel der | |
heutigen Mietpreise gesenkt werden. | |
Dreh- und Angelpunkt einer sozialen Wohnungspolitik ist deshalb die | |
Begrenzung der Mieten direkt an der Quelle und als erster Schritt die | |
Verhinderung weiterer Mieterhöhungen durch einen gesetzlichen | |
Mietpreisstopp, auch bei Neuvermietungen. | |
Im zweiten Schritt müssten alle Mieten auf die tatsächlichen Kosten | |
begrenzt werden. Damit wäre auch der Umwandlungsspekulation quasi der Boden | |
entzogen. Zudem: Wenn die Mieten nicht weiter steigen, entfällt auch eine | |
der Triebfedern für immer höhere Grundstückspreise. | |
Der bis heute in der Bundesrepublik praktizierte Soziale Wohnungsbau hat | |
weder zu dauerhaft preiswerten Sozialmieten geführt noch dazu, dass die mit | |
hohen staatlichen Subventionen entstandenen Wohnungen als | |
mietpreisgebundener Bestand erhalten geblieben sind. | |
## Sozialer Wohnungsbau, der den Namen verdient | |
Von den ehemals mehr als 6 Millionen Sozialwohnungen sind nach dem Wegfall | |
der Mietpreisbindungen und dem massenhaften Verkauf kommunaler | |
Wohnungsbestände nur noch rund 1,6 Millionen mietpreisgebundene Wohnungen | |
übrig geblieben. Von den politisch Verantwortlichen war das von Anfang an | |
so vorgesehen. | |
Die oft gut gemeinte Forderung, das bis heute praktizierte Modell der | |
„sozialen“ Wohnungsbauförderung wiederzubeleben, etwa durch Zuweisung | |
höherer staatlicher Mittel, macht dabei wenig Sinn, denn dieses Modell hat | |
seine Untauglichkeit hinreichend bewiesen. | |
Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft | |
preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger | |
Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben. Das heißt, dass dieser | |
soziale Wohnungsbau vollständig aus staatlichen Mitteln finanziert und | |
ausschließlich mit gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Trägern | |
verwirklicht werden muss. | |
Die Behauptung, dass die dafür notwendigen umfangreichen öffentlichen | |
Gelder nicht vorhanden sind, dass Wohnungsbau nur über den privaten | |
Kapitalmarkt finanziert werden kann, ist uralt, aber ein Märchen. | |
## Luxusimmobilien werden von Staat mitfinanziert | |
Denn seit jeher wird auch der sogenannte freifinanzierte Wohnungsbau, | |
einschließlich aller Luxusimmobilien, Zweit- und Drittwohnungen, vom Staat | |
großzügig mitfinanziert. Die staatlichen Steuersubventionen für private | |
Eigentümer und die großen Wohnungsunternehmen sind häufig sogar wesentlich | |
höher als die tatsächlichen Herstellungskosten. Die Mieter haben davon | |
nichts. | |
Genaue Berechnungen ergeben, dass der Staat im Laufe der Jahre mit | |
Steuerfreibeträgen und Abschreibungen die ursprünglichen Baukosten doppelt | |
oder dreifach finanziert. | |
Nehmen wir einmal an, der Staat hätte – wie in den 1950er Jahren – | |
weiterhin jährlich rund 300.000 Wohnungen errichtet und keine dieser | |
Wohnungen hätte ihre Sozialbindung „verloren“, dann gäbe es heute allein … | |
den westlichen Bundesländern mehr als 20 Millionen Sozialwohnungen. Aus den | |
Mieteinnahmen dieser Wohnungen könnten – 1 Euro pro qm würde genügen – | |
jährlich mindestens 20 Milliarden Euro in einen staatlichen Wohnungsfonds | |
fließen. | |
Häufig werden in der politischen Auseinandersetzung die hohen | |
Grundstückspreise für die Mietpreisexplosion verantwortlich gemacht, auch | |
Wohnungsbauunternehmen rechtfertigen damit ihre teuren Mieten. In | |
Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt. Die Rendite, die auf | |
bestimmten Grundstücksflächen erzielt werden kann, entscheidet darüber, wie | |
hoch der Bodenpreis ist. Denn Grund und Boden an sich hat keinerlei Wert. | |
## Grund und Boden gehören in öffentliches Eigentum | |
Der Wert eines Grundstücks ergibt sich erst aus seiner Nutzung, aus seiner | |
besonderen Lage, den Möglichkeiten seiner Verwertung und aus seiner | |
Monopolstellung in den Ballungsgebieten, wo Grundstücke besonders knapp | |
sind. Je höher die Rendite ist, die auf einem Stück Land erzielt werden | |
kann, desto höher ist auch sein Preis. | |
Die Grundstückspreise steigen natürlich, wenn hohe Mietsteigerungen zu | |
erwarten sind oder wenn durch städtische Planungen eine profitablere | |
Nutzung ermöglicht wird. Der Kaufpreis, der für ein Grundstück bezahlt | |
werden muss, ist also nicht der Preis für den Boden, sondern der Kauf der | |
Rendite, die auf dem betreffenden Grundstück erzielt werden kann. | |
Auf teuren Grundstücken, die für Kommunen oder gemeinnützige | |
Genossenschaften unbezahlbar sind, kann natürlich auch kein Wohnungsbau mit | |
sozialen Mieten entstehen. Ohne grundlegende Änderung des Bodenrechts ist | |
deshalb eine soziale Wohnungspolitik gar nicht möglich. | |
Grund und Boden müssen deshalb der ausschließlich an Rendite orientierten | |
privaten Verfügungsgewalt entzogen und in demokratisch kontrolliertes | |
gesellschaftliches Eigentum überführt werden. | |
3 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Claus Schreer | |
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