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# taz.de -- Bezuschussung von Sozialwohnungen: Das Geld bleibt liegen
> Beträgt die Miete für eine Sozialwohnung mehr als 30 Prozent des
> Einkommens, kann man sich den Rest zahlen lassen. Doch kaum einer tut's.
Bild: Es muss nicht so teuer sein
Es war einer der großen Erfolge des Mietenbündnisses: Die Mieten in
Sozialwohnungen werden seit Januar bezuschusst. BewohnerInnen, die über 30
Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete aufbringen müssen, können
sich den Rest vom Land bezahlen lassen. 26,4 Millionen Euro stellte die
Verwaltung bereit, um die Mietzuschüsse zu finanzieren.
Nun zeigt sich, dass nur ein Bruchteil dieses Geldes abgerufen wird. Die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geht nach einer aktuellen Berechnung
davon aus, dass 14.000 bis 17.000 Haushalte berechtigt wären, einen
Zuschuss zu beantragen. Getan haben das bislang aber nur 1.275, also nicht
mal jeder Zehnte. Von den zur Verfügung stehenden 26,4 Millionen Euro
wurden weniger als 500.000 Euro ausgezahlt.
Im August 2015 hatte sich das Mietenbündnis mit dem Senat auf einen
beachtlichen Kompromiss verständigt: Sozialmieter, die in den vergangenen
Jahren mit teils drastischen Mieterhöhungen zu kämpfen hatten, sollten per
Mietzuschuss unterstützt werden. Die landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften sollten jede zweite frei werdende Wohnung an
Menschen mit geringem Einkommen und jede zehnte an Obdachlose oder
Flüchtlinge geben. Mit dem Kompromiss wendete der Senat den vom Bündnis
angestrebten Volksentscheid zum Thema Mieten ab.
Eine Agentur bekam den Auftrag, den Mietzuschuss unters Volk zu bringen:
Nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung wurden zwischen April und Juni
dieses Jahres an alle 116.000 Haushalte in Sozialwohnungen Flyer verteilt.
Es gab Infoveranstaltungen. Eine Internetseite wurde eingerichtet, Plakate
und Aushänge geklebt – mit mäßigem Erfolg.
## Ein Bürokratiemonster
„Der Mietzuschuss bleibt weit hinter den Erwartungen zurück“, sagt Martin
Pallgen, Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung. Auch bei Kotti & Co
sorgen die neuen Zahlen für eine gewisse Ernüchterung. „Man muss das Geld
den Leuten wirklich hinterher tragen“, sagt Sandy Kaltenborn. Für viele
stelle die Beantragung offenbar eine hohe Hürde dar, sie sei aber auch ein
„Bürokratiemonster“.
Um den Mietzuschuss zu bekommen, müssen Bewohner von Sozialwohnungen einen
vierseitigen Antrag ausfüllen. Dem Antrag sind Kopien beizulegen vom
Mietvertrag und von den Personalausweisen aller, die in dem Haushalt leben.
Auf Kontoauszügen müssen zudem die Mietzahlungen der letzten drei Monate
nachgewiesen werden. In bestimmten Fällen ist auch eine Kopie des
Energieausweises vonnöten. Zusätzlich muss man eine vierseitige
detaillierte Einkommenserklärung ausfüllen.
„Die Menschen müssen ihre kompletten Einkommensverhältnisse offenlegen.
Wenn man dafür dann nur 10 bis 15 Euro pro Monat rausbekommt, lohnt sich
das nicht“, sagt Rouzbeh Taheri, der im vergangenen Jahr für das
Mietenbündnis mit dem Senat am Verhandlungstisch saß.
Für viele SozialmieterInnen sind vor allem die hohen Nebenkosten ein
Problem. Rot-Rot-Grün hat sich im Koalitionsvertrag deshalb darauf
verständigt, dass nicht die Kaltmiete, sondern die Warmmiete die relevante
Größe sein soll: In Zukunft darf die Miete inklusive Heizkosten nicht mehr
30 Prozent des Einkommen betragen, der Rest wird erstattet. Das könnte für
viele einen deutlich höheren Mietzuschuss bedeuten. Rouzbeh Taheri sagt:
„Wir hoffen, dass die Zahlen dann steigen.“ Sobald die neue Regelung in
Kraft trete, soll es auch wieder eine Informationsveranstaltung geben.
6 Dec 2016
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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Sozialwohnungen
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