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# taz.de -- Porträt Andreas Geisel: Klare Worte in der Tram
> Andreas Geisel, der künftige Senator für Stadtentwicklung, schlägt neue
> Töne in der Wohnungspolitik an. Er will die Sozialmieten senken und den
> Mietanstieg dämpfen.
Bild: Der alte und der künftige Berliner Stadtentwicklungssenator.
Außerhalb von Lichtenberg kennt Andreas Geisel, den künftigen Senator für
Stadtentwicklung, so gut wie niemand. Doch in dem Ostbezirk ist der
48-Jährige bekannt wie ein bunter Hund. Geisel steht seit 1995 mit beiden
Beinen in der Kommunalpolitik in unterschiedlichen Funktionen. Seit 2011
ist er Lichtenbergs Dorfschulze – der erste mit einem SPD-Parteibuch seit
vielen Jahren in der Linken-Hochburg.
Geisel ist Pragmatiker. Ins Amt als Bezirksbürgermeister brachte ihn eine
Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grünen. Außerhalb Lichtenbergs versteht
wohl kaum jemand diese Parteienarithmetik. Doch sie ist die Antwort auf
eine 2011 abgewählte absolute Mehrheit der Linken im Bezirk. Mit seinen
linken Kollegen im Bezirksamt verbindet Geisel dennoch kollegiales
Arbeiten.
Immer hat Andreas Geisel es verstanden, mit seinen Themen in die lokalen
Anzeigenblätter zu kommen. Auch als er das vergleichsweise bedeutungslose
Amt des Gesundheitsstadtrates inne hatte: Da hat er öffentlichkeitswirksam
für Impfungen geworben. Als Baustadtrat vermochte er sogar die Einweihung
von Spielplätzen zu vermarkten. Der taz erklärte Geisel 2011, dass er mehr
Präsenz in den Hauptstadtmedien anstrebe und dass sein Neuköllner
Amtskollege und Parteifreund Heinz Buschkowsky in puncto
Öffentlichkeitsarbeit sein Vorbild sei.
Auf dem Habenkonto stehen aber bisher lediglich Pressestatements und
Interviews zum Lichtenberger Bündnis für Wohnen, zur Unterbringung von
Flüchtlingen und zu NPD-Aufmärschen in Lichtenberg. Geisel hat weder Bücher
geschrieben noch ist er durch die großen Fernsehtalkshows getingelt. Doch
sein neues Amt könnte ihm dazu Gelegenheit geben. Dafür hat der
SPD-Politiker alle Voraussetzungen: Er ist wortgewandt. Er spricht den
Bürgern nicht nach dem Mund, sondern spricht auch Unangenehmes aus. Und er
füllt eine wichtige Lücke, die Klaus Wowereit mit seinem Ausscheiden aus
dem Berliner Senat aufreißt: Geisel spricht als künftig einziges
Senatsmitglied Berliner Dialekt.
Geisel wohnt im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst, wo übrigens auch sein
Senatskollege Mario Czaja (CDU) zu Hause ist. Hier wurde er geboren. Er
wuchs in der DDR auf, trat mit 18 Jahren in die SED ein und mit 22 wieder
aus. Das war im Sommer 1989. Die SED hatte gerade das Massaker auf dem
Platz des Himmlischen Friedens in Peking gerechtfertigt. Gegenüber der taz
hat Geisel den SED-Austritt einmal als „wichtigen Schritt zum
Erwachsenwerden und zum Abnabeln von meinen Eltern“ erklärt. Seine Eltern
stammten aus einfachen Verhältnissen, konnten in der DDR Karriere machen
und bejahten das System.
Anders als Czaja fährt Geisel gern und oft mit der Straßenbahn zur Arbeit.
Die Zeit in der Tram nutzt er, um Akten durchzuarbeiten, aber auch, um
Fragen von Bürgern zu beantworten, die ihn dort ansprechen. Warum zieht
sich die Sanierung der S-Bahn-Station so ewig hin? Warum kauft der Bezirk
nicht ein bundeseigenes Grundstück im Ortsteil, um dort die dringend
benötigte neue Grundschule zu bauen? Geisel antwortet nicht mit
Parteipolitik, sondern mit Zahlen. Er rechnet vor, was das Grundstück
kostet und wie viel Geld der Bezirk hat. „Dann haben wir zwar ein
Grundstück, aber kein Geld mehr, die Schule darauf zu bauen“, spricht er
die unangenehme Wahrheit aus. Im Berliner Dialekt selbstverständlich. Die
Bürger in der Straßenbahn verstehen ihn. Aber auch als Straßenbahnliebhaber
sind von Geisel keine neuen Akzente in der Verkehrspolitik zu erwarten, die
er in seinem neuen Amt verantwortet. Er hat sich mehrfach hinter den Bau
der auch in seiner eigenen Partei umstrittenen Autobahn A 100 sowie der
Tangentiale Ost, die von Köpenick über Lichtenberg nach Marzahn führen
soll, gestellt.
In der Wohnungspolitik hingegen schlägt Geisel neue Töne an. Er will die
Sozialmieten senken und den Mietanstieg dämpfen, auch wenn das den
Landeshaushalt viel Geld kosten wird. „Es kann nicht sein, dass Berlin
jahrelang den sozialen Wohnungsbau gefördert hat, und jetzt gehören diese
Wohnungen zu den teuersten der Stadt. Da werden wir eingreifen müssen“,
erklärte er der Berliner Zeitung.
Dabei kann der gelernte Fernmeldemechaniker und studierte Ökonom auf
Erfahrungen in Lichtenberg zurückgreifen. Mit landeseigenen und privaten
Vermietern sowie Wohnungsbaugenossenschaften ging der Bezirk unter seiner
Regie ein „Bündnis für Wohnen“ ein. Der Bezirk verpflichtete sich gegenü…
den Bauherren, Baugenehmigungen rasch und unbürokratisch zu bearbeiten.
Ziel war kein großflächiger Wohnungsbau auf der grünen Wiese, sondern eine
Wiederbebauung von zahlreichen Brachen, die einst bebaut waren. Dort
entstanden – nicht ausschließlich, aber auch – bezahlbare Wohnungen für
einkommensschwache Berliner. Für junge Familien, die Geisel besonders am
Herzen liegen und die in den letzten Jahren nach Lichtenberg zogen.
Zweites Lieblingsthema von Geisel ist die Umwelt. Er kann vom Orankesee in
Hohenschönhausen schwärmen – „ein natürlicher See mit Ostseestrand und g…
mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar“. Und er ging als
Bezirkspolitiker in Vorleistung in puncto Klimaschutzprogramm, das
Lichtenberg als erster Bezirk 2010 beschlossen hat. „Wir bekennen uns darin
zu Wärmedämmung und regenerativen Energien an öffentlichen Gebäuden. Und
wir haben uns qualifiziert, um mit Vattenfall, die in Lichtenberg ein
Kraftwerk betreiben, auf Augenhöhe diskutieren zu können.“
23 Nov 2014
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Sozialwohnungen
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