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# taz.de -- Start der Filmfestspiele in Venedig: Nur ein zarter Tritt
> Der Mut zum Außergewöhnlichen fehlt: Am Mittwoch eröffnen die 71.
> Filmfestspiele von Venedig mit der Tragikomödie „Birdman“.
Bild: Faustkämpfer: Michael Keaton und Edward Norton im Film „Birdman“ von…
Knapp drei Jahre sind vergangen, seit Alberto Barbera die Leitung der
Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica übernommen hat. Sein
Vorgänger, Marco Müller, führte das Filmfestival acht Jahre lang auf eine
Weise, der ich nachtrauere: Müllers Mostra war ein ausgelassenes Spektakel,
da sie sich mit Freude auf ältere und jüngere Genre-Filme stürzte, zugleich
umarmte sie die sperrigeren Spielarten des Kinos, etwa wenn ein Film von
Jean-Marie Straub und Danièle Huillet im Wettbewerb lief oder eine
mehrstündige Schwarz-Weiß-Arbeit des philippinischen Regisseurs Lav Diaz
wie ein Monolith im Programm aufragte.
Tempi passati: Lav Diaz’ jüngster Film „Mula sa kung ano ang noon“ („F…
What Is Before“) lief Anfang des Monats im Wettbewerb von Locarno und
erhielt dort den Goldenen Leoparden. Einen zweiten wichtigen Preis verlieh
die Jury an „Cavalo dinheiro“ von dem portugiesischen Autorenfilmer Pedro
Costa.
Beides klare Zeichen dafür, dass dem Leiter des Festivals von Locarno,
Carlo Chatrian, viel an einer cinephilen Ausrichtung liegt, und er auch den
Mut hat, diese durchzusetzen. Ist ein Teil von Müllers Erbe ins Tessin
ausgewandert, so liegt ein anderer brach. Die aufwendig kuratierten,
umfassenden Retrospektiven, die zur Mostra gehörten, sind einem
unstrukturierten Klassiker-Programm gewichen.
Wo einst Reihen zu Spaghetti-Western, zu italienischen Sandalenfilmen oder
zu sowjetischen Propaganda-Musicals großartige Einblicke in die
abgelegenen, unreinen Bereiche der Filmgeschichte gewährten, gibt es heute
Klassiker, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie wurden gerade neu und
sorgfältig restauriert und kommen demnächst als DVD- und Blue-ray-Editionen
auf den Markt. In diesem Jahr steht zum Beispiel Marco Bellocchios „La Cina
é vicina“, eine Komödie der Sitten aus dem Jahr 1967, eher unvermittelt
neben Allan Dwans Mantel-und-Degen-Film „The Iron Mask“ aus dem Jahr 1929.
## Bewährtes bevorzugt
Beim Studium der Programmankündigungen gewinnt man den Eindruck, Alberto
Barbera setze auf Bewährtes. Im Wettbewerb laufen 20 Filme von
verdienstreichen Regisseuren wie Fatih Akin, Benoît Jacquot, David Gordon
Green oder Abel Ferrara, eine Regisseurin ist auch dabei: Rakhshan
Bani-Etemad aus Iran zeigt „Ghesseha“ („Tales“). Der Eröffnungsfilm,
„[1][Birdman]“ von Alejandro González Iñarritu, ist eine Tragikomödie ü…
einen in die Jahre gekommenen Schauspieler, der einst einen Superhelden
verkörperte und nun als Regisseur am Broadway einen Neuanfang versucht, ein
selbstreflexiver Stoff, der dem Showbusiness zart auf die Füße tritt.
Wenig Außergewöhnliches deutet sich an. Im Wettbewerb läuft mit Joshua
Oppenheimers „The Look of Silence“ ein Dokumentarfilm, der US-amerikanische
Regisseur hat 2012 mit „The Act of Killing“ viele Diskussionen ausgelöst,
da der Film an die Verfolgung und Ermordung von Kommunisten und
vermeintlichen Kommunisten in Indonesien erinnerte und dabei vor allem die
Perspektive der Täter wiedergab, ohne doch mit ihnen gemeinsame Sache zu
machen. „The Look of Silence“ ist nun als das komplementäre Gegenstück da…
angekündigt.
Für Lokalpatrioten aus Berlin-Kreuzberg könnte es eine weitere Überraschung
geben, weil Kaan Müjdeci, Mitinhaber des Voo Stores auf der Oranienstraße,
mit seinem Langfilmdebüt „Sivas“ im Wettbewerb vertreten ist. Die
türkisch-deutsche Koproduktion spielt in Anatolien, und die Inhaltsangabe
liest sich wie die toughe Version von „Lassie“: Ein Junge nimmt sich eines
verletzten Kampfhundes an.
## Mit 105 Jahren außer Konkurrenz
Die Filme, die außer Konkurrenz laufen, erhärten den Eindruck einer soliden
Auswahl. Neben anderen sind Ann Hui, Joe Dante, Peter Bogdanovich und Im
Kwon-taek mit neuen Filmen vertreten, außerdem läuft die HBO-Miniserie
„Olive Kitteridge“ von Lisa Cholodenko. Und die lange Fassung von Lars von
Triers „Nymphomaniac Vol. 2“ erlebt endlich ihre Premiere.
Nicht zu vergessen: Der große portugiesische Regisseur Manoel de Oliveira
hat einen Kurzfilm gedreht, „O Velho do Restelo“ („The Old Man of Belém�…
Als ich bei der Produktionsfirma O Som e a Fúria anfrage, ob ich einen
Interviewtermin bekommen könne, erfahre ich, dass Manoel de Oliveira leider
nicht nach Venedig kommen wird, weil er die Beschwerlichkeiten der Reise
nicht mehr auf sich nehmen kann. Er ist 105 Jahre alt.
27 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=2bqh-UCY6Zg
## AUTOREN
Cristina Nord
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