# taz.de -- Demütigung von Asylbewerbern: Weitere Vorfälle in Heimen | |
> Die Misshandlungsskandal in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen | |
> weitet sich aus. UN und Amnesty International üben Kritik. | |
Bild: Misshandlungen in NRW: Verantwortlich sind die Betreiber-Firma European H… | |
KÖLN taz/dpa | Die Misshandlungsvorwürfe gegen private Sicherheitskräfte in | |
nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen weiten sich aus. In Burbach im | |
Siegerland wird gegen zwei weitere Wachmänner ermittelt. Damit ist die Zahl | |
der Verdächtigen dort auf sechs gestiegen. Auch in Essen ermittelt die | |
Polizei wegen des Verdachts der Körperverletzung in einer Unterkunft. Im | |
siegerländischen Bad Berleburg sollen zwei 30 und 37 Jahre alte | |
Beschäftigte eines Sicherheitsunternehmens einen Flüchtling verletzt haben. | |
Auslöser für die Ermittlungen, die am Sonntag bekanntwurden, war ein | |
Handy-Video, das einen Übergriff auf einen Flüchtling in der Einrichtung in | |
Burbach zeigt. In der etwa 10- bis 15-sekündigen Sequenz ist ein Mann zu | |
sehen, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung | |
von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen. Mittlerweile habe man anhand | |
ihrer Stimmen die beiden Wachleute gefunden und Ermittlungen eingeleitet, | |
sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim am Montag. | |
Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) zeigte sich empört. Künftig sollen in | |
den Einrichtungen keine wegen Körperverletzung vorbestraften | |
Sicherheitsleute mehr eingesetzt werden. Polizei und Staatsanwaltschaft | |
Hagen veröffentlichten am Sonntag zudem ein Foto, auf dem einer von zwei | |
Sicherheitsleuten einem am Boden liegenden und gefesselten Flüchtling den | |
Fuß in den Nacken stellt. „Das sind Bilder, die man sonst nur aus | |
Guantanamo kennt“, sagte der Hagener Polizeipräsident Frank Richter in | |
Anspielung auf das US-Gefangenenlager auf Kuba. | |
Das Foto hatten die Ermittler auf dem Handy eines der beschuldigten | |
Wachleute gefunden. Die Übergriffe hatten in der Flüchtlingsunterkunft | |
Burbach im Kreis-Siegen-Wittgenstein stattgefunden. Dem WDR-Magazin | |
„Westpol“ liegt ein ärztliches Attest über Verletzungen vor, die einem | |
Bewohner von einem Wachmann zugefügt wurden. „Sie misshandeln uns hier“, | |
sagte ein Flüchtling dem Magazin. „Sie behandeln uns wie Rechtlose.“ | |
## Betreiber ist ein Privatunternehmen | |
Die beiden Einrichtungen in Essen und Burbach werden von dem privaten | |
Unternehmen European Homecare betrieben. Die Behörden ermitteln gegen vier | |
Wachleute des privaten Sicherheitsdienstes SKI, das European Homecar in | |
mehreren Flüchtlingsunterkünften als Subunternehmen beauftragt hat. Von | |
ihnen sollen zwei gestanden haben. Die Beschuldigten sind unter anderem | |
wegen Körperverletzung vorbestraft. Landesinnenminister Jäger zeigte sich | |
entsetzt über die Vorgänge. Er entschuldigte sich bei den betroffenen | |
Flüchtlingen. „Wir dulden keine Gewalt gegen Asylsuchende“, sagte er. „W… | |
Menschen in Not bedroht und schikaniert, muss hart bestraft werden.“ | |
In NRW gibt es 19 zentrale Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, die | |
alle von privaten Unternehmen betrieben werden, sechs davon von European | |
Homecar. Öffentlich geworden sind die Vorfälle, nachdem einem Journalisten | |
das Video von den Misshandlungen und Demütigungen zugespielt worden war. | |
Daraufhin haben die Behörden eine Ermittlungskommission eingesetzt. Auch in | |
anderen von European Homecare betriebenen Flüchtlingsunterkünften sollen | |
schlimme Zustände herrschen. In Schöppingen etwa ist die Verpflegung extrem | |
schlecht, die hygienischen Zustände in den sanitären Anlagen und Zimmern | |
der Bewohner sind unzumutbar. | |
Außerdem hält sich European Homecare systematisch nicht an die vertraglich | |
vereinbarten Standards für die Betreuung der Bewohner, weil das Unternehmen | |
nicht genug Psychologen, Sozialpädagogen und Erzieher beschäftigt. Das gibt | |
das Unternehmen auch unumwunden zu und begründet das mit dem aktuellen | |
Anstieg der Zahl der eintreffenden Flüchtlinge. Die Aufsichtbehörde, der | |
Bezirksregierung Arnsberg, akzeptiert das bislang mit Hinweis auf die stark | |
gestiegenen Flüchtlingszahlen. | |
Die Bezirksregierung hat mittlerweile dem privaten Sicherheitsdienst, der | |
in den Unterkünften in Burbach eingesetzt wurde, gekündigt. Man habe nicht | |
davon gewusst, dass vorbestrafte Sicherheitsleute eingesetzt worden seien, | |
hieß es. „Das ist für uns neu“, sagte Regierungspräsident Gerd Bollerman… | |
Seine Behörde reagiert mit einem Sieben-Punkte-Sofortprogramm auf die | |
Ereignisse in Burbach. Der Betreiber muss künftig belegen, dass dort nur | |
geprüftes Sicherheitspersonal eingesetzt wird, für das ein polizeiliches | |
Führungszeugnis vorliegt. „Wir senden damit ein klares Signal an die | |
Unternehmen, die wir für den Schutz der Menschen in diesen Unterkünften | |
bezahlen“, sagte Bollermann. | |
## Bundesregierung dringt auf Aufklärung | |
Die Bundesregierung dringt auf rasche und lückenlose Aufklärung. „Es ist | |
vollkommen klar, diese Vorfälle müssen rasch und sie müssen dringend | |
aufgeklärt werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. | |
NRW-CDU-Chef Armin Laschet machte auch die rot-grüne Landesregierung | |
verantwortlich. „Die Regierung hat die Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen | |
wie das erforderlich wäre“, sagte er. | |
Der Vertreter des UN-Flüchtlingskommissars in Deutschland, Hans ten Feld, | |
reagierte auf die Berichte aus den Heimen und forderte „menschenwürdige“ | |
Standards für die Unterbringung ein. „Wer vor Verfolgung und Krieg flieht, | |
braucht eine sichere Zuflucht, die mehr ist als eine Schlafstätte“, sagte | |
er am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Deutschland habe bislang im | |
Vergleich zu anderen europäischen Staaten ein „solides Aufnahmesystem“ | |
gehabt. Ten Feld zeigte sich deshalb zuversichtlich, „dass die notwendigen | |
Verbesserungen und aktuell der Ausbau der Kapazitäten nun als eine | |
politisch wichtige Aufgabe begriffen wird“. | |
Die deutsche Sektion von Amnesty International erklärte, die Behörden | |
sollten die nun bekanntgewordenen Vorfälle in NRW zum Anlass nehmen, um ihr | |
gesamtes Management der Unterbringung, Versorgung und Bewachung auf den | |
Prüfstand zu stellen. Die Amnesty-Expertin für den Schutz vor Folter und | |
Misshandlung, Maria Scharlau, sagte: „Dass schutzsuchende Personen von dem | |
Sicherheitspersonal, das sie bewachen soll, misshandelt und gedemütigt | |
werden, ist ein empörender Machtmissbrauch“ | |
Nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft lässt sich der Einsatz von | |
Privatunternehmen bei der Betreuung von Flüchtlingen nicht vermeiden. „Mit | |
dem vorhandenen Personal geht das nun mal leider nicht immer. Deshalb ist | |
es auch notwendig, mitunter private Unternehmen zu beschäftigen“, sagte der | |
Gewerkschaftvorsitzende Rainer Wendt am Montag im Fernsehsender n-tv. Diese | |
müsse man sorgfältig auswählen und genau überwachen. Die Beschäftigung von | |
Subunternehmen müsse vertraglich verboten werden. | |
29 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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