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# taz.de -- Misshandlung von Flüchtlingen in NRW: Damit das Bürgertum ruhig s…
> Im Skandal um die Misshandlung von Flüchtlingen wird auf den geringen
> Bildungsgrad der Täter verwiesen. Die wahre Schuld tragen die Gebildeten.
Bild: Ungebildet und vorbestraft – aber deshalb gleich brutal und empathielos?
Das Überraschende an der Folter von Flüchtlingen im Siegerland ist, dass
wenigstens diesmal der Staat nicht versagt hat. Die Bilder, die zeigen, wie
grinsende Sicherheitsleute mit dem Stiefel auf dem Kopf eines gefesselten
Flüchtlings stehen, sind von der Polizei. Sie hat die Bilder [1][über
Umwege zugespielt bekommen] und wurde aktiv: Es gibt Ermittlungen, Hunderte
Flüchtlinge werden befragt, die Täter festgenommen. Es gibt sogar eine Soko
und der Polizeipräsident zieht den überspitzten Vergleich zu Guantánamo,
dem illegalen US-Gefängnis für politische Gefangene.
Genau dafür ist die Polizei da und sie hat in diesem Fall vorbildlich auf
den Hinweis reagiert. Die Frage wäre nun aber, wie viele solche Fälle gibt
es sonst noch? Wie hoch ist die berüchtigte Dunkelziffer? Gibt es
Schikanen, die unter der bekanntgewordenen Brutalität bleiben und dennoch
geahndet werden müssten?
An einer tiefergehenden Aufklärung gibt es wohl wenig Interesse:
Journalisten wie Politiker verweisen lieber auf den geringen Bildungsgrad
der Sicherheitsleute, auf die Tatsache, dass sie vorbestraft sind.
Offensichtlich hätten sich Kriminelle unter das Personal eines privaten
Sicherheitsdienstes gemischt, [2][sagte der zuständige NRW-Innenminister
Ralf Jäger (SPD)] – als würden Kriminelle aus Spaß an der Kriminalität
kriminell sein.
So schlimm es ist, die Durchsetzung eines Menschenrechts zu privatisieren
und sie so dem Profitmotiv unterzuordnen, und so wünschenswert es wäre,
dass die Menschen, die mit Flüchtlingen zu tun haben, ausreichend geschult
sind: Rassismus und Gewalt sind kein Klassenproblem. Wer unausgebildet und
vorbestraft ist, ist nicht automatisch brutal und empathielos.
## Räume ohne Rechenschaft
Die Gleichsetzung von Bildungsferne und Gewalt erklärt kaum, warum
Pädagogen aus liberalen Bildungsbewegungen oder katholische Priester
Kindern sexuelle Gewalt antun, warum häusliche Gewalt durch alle
gesellschaftlichen Schichten ein Problem ist und warum die meisten
Vergewaltiger ihren Opfern bekannt sind.
Gewalt entsteht dort, wo Macht ausgeübt werden kann, ohne dass Rechenschaft
abgelegt werden muss. Das ist so, wenn Kinder missbraucht werden, es ist
so, wenn Soldaten Häftlinge foltern, wenn Pflegekräfte Rentner
vergewaltigen und wenn Sicherheitsleute Flüchtlinge misshandeln.
Im letzteren Fall bietet die gewollte Unsichtbarkeit der Geflüchteten den
perfekten Schutz für Gewalt ohne Konsequenzen. Die Flüchtlingsheime liegen
nicht ohne Grund am Rande von Städten oder mitten in der Pampa.
Flüchtlingen wird nicht ohne Grund der Kontakt zur Bevölkerung erschwert –
durch Reise- und Arbeitsverbote. Zugleich bietet die öffentliche Abwertung
von Flüchtlingen zu reinen Kosten- und Dreckverursachern die perfekte
Begründung, um sie im Schutz dieser Unsichtbarkeit schlecht zu behandeln.
## Rauhe Männer übernehmen die Gewalt
Sowohl Unsichtbarkeit als auch Abwertung gehen aber vom Bürgertum aus.
Oder, andersherum, es liegt in seiner Macht, diese Bedingungen zu ändern:
Beispielsweise in den Parlamenten und Medien, wo kaum noch Menschen ohne
Uni-Abschluss sitzen oder – wenn es denn am Geld liegt – durch höhere
Steuern für Besserverdienende. Das Bürgertum führt die Situationen herbei,
in denen Gewalt ausgeübt wird, und zeigt dann auf die, die es zu diesem
Zweck rekrutiert.
Während ihre Jugendorganisationen gegen Schläger-Nazis und rassistische
„Bürgerinitiativen“ vor Flüchtlingsheimen demonstrieren, machten es Union,
SPD und Grüne zuletzt Flüchtlingen vom Balkan noch schwerer, in Deutschland
zu bleiben. Die Abschiebungen, die daraus folgen, werden wieder raue Männer
übernehmen, die bereit sind, Gewalt auszuüben, während das Bürgertum ruhig
im Bette schläft.
30 Sep 2014
## LINKS
[1] http://www1.wdr.de/themen/politik/fluechtlinge388.html
[2] /Minister-ueber-Fluechtlingsmisshandlungen/!146859/
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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