# taz.de -- Politisches Buch zum Klimaschutz: Ein Ort namens Blockadia | |
> Naomi Klein gibt Klimaskeptikern in ihrem neuen Buch recht: Echten | |
> Klimaschutz gebe es nur, wenn der Kapitalismus verändert wird. | |
Bild: Klimaschutz kann nur effektiv sein, wenn die ganz großen Fragen gestellt… | |
Es war nur ein kleines Zeitfenster für das Klima, und es verstrich | |
ungenutzt: 2009, im Jahr vor dem Klimagipfel in Kopenhagen, war in den USA | |
die neoliberale Ideologie durch die Finanzkrise entzaubert und Obama hatte | |
Geld und Macht, um in den Klimaschutz zu investieren. Warum wurde nichts | |
draus? | |
Naomi Klein hat eine Antwort: „Was Obama stoppte, war die mächtige | |
Ideologie, die ihn und alle anderen überzeugt hatte, dass es falsch ist, | |
Unternehmen zu sagen, wie sie handeln sollen, selbst wenn sie die Firma | |
gegen die Wand fahren. Und dass es etwas zutiefst Böses ist, wenn man einen | |
Plan dafür hat, wie die Wirtschaft aussähe, die wir brauchen, selbst in | |
einer existenziellen Krise.“ | |
Fünf Jahre hat sich die kanadische Journalistin und Ikone der | |
globalisierungskritischen Bewegung für ihr neues lesenswertes Buch Zeit | |
gelassen. Nach den Bestsellern „No Logo“ und „Die Schock-Doktrin“, in d… | |
sie die Wirkungsweisen von multinationalen Konzernen und neokonservativen | |
Ideologen skandalisierte, beschreibt Naomi Klein in „This Changes | |
Everything. Capitalism vs. The Climate“, dass wirksamer Klimaschutz ohne | |
eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftssystems nicht zu haben ist – | |
und dass der Kampf fürs Klima der gleiche ist wie für Arbeitnehmerrechte | |
und einen funktionierenden Staat. „Nur eine massenhafte soziale Bewegung | |
kann uns noch retten“. | |
„Die Klimaskeptiker haben recht“, provoziert Klein – nicht mit ihrer | |
realitätsblinden Verneinung des Klimawandels, sondern mit der Analyse, | |
echte Klimapolitik führe zu massiver Umverteilung und zum Ende des jetzigen | |
Kapitalismus. Ihr Buch fußt auf ähnlichen älteren Analysen und befreit die | |
Klimadebatte aus den Diskussionen über Emissionsreduzierungen und | |
UN-Konferenzen. | |
## „Grüne Messiasse“ als Teile des Problems | |
Für Klein ist klar: Eine Wirtschaft, die nicht noch das letzte Öl aus der | |
Tiefsee und der Arktis presst, müsste wieder für Menschen statt nur für | |
Profite gemacht werden, müsste Regierungen haben, die nicht durch | |
Großspenden der Industrie korrumpiert sind, sie bräuchte starke | |
Gewerkschaften und eine Bevölkerung, denen an öffentlichen Schulen und bei | |
allgemeiner Krankenversicherung die Angst vor Veränderung genommen wird. | |
„Eine kleine Kohlenstoffsteuer kann deshalb viel weniger bewirken als ein | |
Mindestlohn. Vor allem, so Klein, müsste eine Regierung in der Lage sein, | |
Nein zu sagen, wenn die nächsten Investoren anklopfen, um die letzten | |
Gasreserven zu fracken. | |
Das Buch ist sorgfältig recherchiert und sehr gut lesbar. Klein versteht | |
es, die Leser mit ihrem profunden Wissen über die Abläufe im | |
internationalen US-dominierten Rohstoffkapitalismus packend zu schildern | |
und ihre weiten Reisen als Reportage-Farbtupfer einzusetzen. Nebenbei räumt | |
sie noch mit einem „grünen Messias“ nach dem anderen auf, angeblich grünen | |
Milliardären wie Richard Branson oder Microsoft-Gründer Bill Gates oder den | |
großen US-Umweltverbänden, die eng mit der Wirtschaft verflochten sind: für | |
sie Teile des Problems, nicht der Lösung. | |
Die wiederum findet Klein in einem fiktiven Bereich, den sie „Blockadia“ | |
nennt – einem Kunstwort, das alle Formen des Widerstands gegen den Raubbau | |
an den menschlichen und ökologischen Resourcen einschließt: vom Widerstand | |
gegen eine Goldmine in Griechenland, der Occupy-Bewegung bis zu den | |
juristischen Kämpfen der Ureinwohner Nordamerikas oder der | |
„Divestment“-Bewegung, die überall ihr Geld aus den Rohstoffindustrien | |
abzieht. | |
Die Klimaschützer müssten das „unerledigte Geschäft der | |
Freiheitsbewegungen“ aufnehmen, um ein Katalysator zu werden für den | |
„Aufbau einer Welt, die uns allen Sicherheit bietet. Es steht einfach zu | |
viel auf dem Spiel und die Zeit ist zu kurz, um sich mit weniger | |
zufriedenzugeben.“ | |
## Buch ignoriert Rolle der Schwellenländer | |
„This Changes Everything“ hat auch seine blinden Flecken. Klein sieht das | |
Thema trotz aller Reisen vor allem aus nordamerikanischer Sicht. Schuld | |
tragen für sie vor allem die gierigen privaten Konzerne – doch ein Großteil | |
der fossilen Reserven und der Emissionen kommen inzwischen aus den | |
staatlichen und halbstaatlichen Energiekombinaten in China, Indien, | |
Südafrika oder Russland. Klein lässt die Fortschritte bei der Bekämpfung | |
der Armut unter den Tisch fallen, die durch die Ausbeutung der Rohstoffe | |
überall erreicht werden, und sie ignoriert die Rolle, die die | |
Schwellenländer inzwischen in der Welt spielen. | |
Dennoch: Naomi Klein hat ein Buch geschrieben, das den Finger in die Wunde | |
legt. Wer beim Klimawandel mitreden will, wird um ihr Buch nicht | |
herumkommen. | |
7 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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