| # taz.de -- Edathy in der Bundespressekonferenz: „Where is the fucking proble… | |
| > Edathys Aussagen über SPD-Interna haben Sprengkraft. Auf Fragen zu | |
| > Kinderpornographie-Vorwürfen reagiert er gereizt. | |
| Bild: Zelebriert seinen letzten Auftritt auf der Berliner Bühne: Sebastian Eda… | |
| BERLIN taz | Sebastian Edathy erscheint zu früh. Acht Minuten vor dem | |
| offiziellen Beginn betritt er den Saal der Bundespressekonferenz. | |
| Kameraleute und Fotografen drängen sich vor dem Podium. Jemand hat davor | |
| eine Kordel aufgestellt, wie man sie aus dem Museum kennt. Edathy, 45, | |
| sieht unverändert aus, mittelgroß, schlank, gesunder Teint. Kaum | |
| vorstellbar, dass dieser des Besitzes von Kinderpornographie beschuldigte | |
| Mann, der vor knapp einem Jahr überraschend sein Bundestagsmandat | |
| niederlegte und seither nicht mehr öffentlich in Erscheinung trat, aktuell | |
| die größte Bedrohung für die Sozialdemokratische Partei sein soll. Aber das | |
| ist er. Und das weiß er. | |
| Er sei gekommen, um der versammelten Presse ein paar Punkte zur Kenntnis zu | |
| bringen, sagt Edathy gleich zu Beginn. Anschließend werde er sich vor dem | |
| Untersuchungsausschuss des Bundestages äußern. „Ich weiß“, sagt Edathy, | |
| „ich habe viele Menschen enttäuscht, das tut mir aufrichtig leid. Nicht | |
| jede meiner Äußerungen in den letzten Monaten ist glücklich gewesen.“ | |
| Ihm gehe es nicht um Rache, ihm sei auch „wegen der psychischen Belastung | |
| daran gelegen, die Dinge beizulegen.“ Seine Stimme wird jetzt brüchig. | |
| Edathy will ein paar Dinge loswerden, die ihm wichtig sind. Das bedeutet | |
| jedoch auch, dass zu den Punkten ein paar veritable Fangeisen für die SPD | |
| gehören. „Noch bin ich ja Mitglied“, sagt er über seine eigene Partei. | |
| Und das gilt auch für andere, denen er – zwischen vielen Ausführungen über | |
| sein armseliges „Leben im Ausnahmezustand“ – an diesem Donnerstag ein paar | |
| Sätze widmet. Die zentralen Vorwürfe hat Edathy in einer „Versicherung an | |
| Eides statt“ zusammengefasst, drei DIN-A4-Seiten lang. Edathy nennt es „die | |
| Wahrheit“ – was die in dem Papier genannten Herren aus der SPD bereits | |
| bestritten haben. | |
| Die politisch größte Sprengkraft hat, was Edathy dem einfachen SPD-Mitglied | |
| und bis vor kurzem obersten Polizeibeamten der Republik nachsagt. Jörg | |
| Ziercke, der ehemalige Chef des Bundeskriminalamtes, habe den | |
| SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann (inzwischen vor allem bekannt für | |
| [1][seine Crystal-Meth-Einkäufe]) „mehrfach von sich aus“ auf den Fall | |
| angesprochen und über Wochen „persönlich über den Fortgang der | |
| Angelegenheit auf dem Laufenden“ gehalten. Hartmann wiederum habe Edathy | |
| die Informationen des BKA-Chefs zum Stand der Ermittlungen im Detail | |
| durchgereicht – etwa dass seine Akte „von der Generalstaatsanwaltschaft | |
| Celle zur Staatsanwaltschaft Hannover gegangen sei“. | |
| ## Wie so ein Dorfpolizist | |
| So stellt man sich das Verhältnis von Ermittlungsbehörden und Politik in | |
| einem korrupten Polizeistaat vor. Das BKA ermittelt in den wichtigsten | |
| Kriminalfällen des Landes, von Rechtsterrorismus bis Organisierte | |
| Kriminalität. Kann es sein, dass der Behördenchef seine politischen Spezln | |
| auf dem Laufenden hält – ein Verhalten, das man selbst bei Dorfpolizisten | |
| unmöglich fände? | |
| Edathy hat seine Vorwürfe gegen Ziercke bestenfalls aus zweiter Hand. | |
| Belege, die deren Wahrheitsgehalt unterfüttern würden, fehlen bislang. | |
| Dennoch: Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ist bereits auf ein | |
| Ermittlungsverfahren gegen Jörg Ziercke eingestellt. Während also Edathy im | |
| Bundestag vor dem Untersuchungsausschuss aussagt, erläutert der | |
| Pressesprecher auf taz-Anfrage: Die Staatsanwaltschaft werde sich die | |
| eidesstattliche Versicherung Edathys besorgen, „möglichst viel Material | |
| sammeln“ – und dann entscheiden, „ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet | |
| wird“. | |
| In Frage kämen Ermittlungen gegen Ziercke wegen Strafvereitlung im Amt und | |
| der Verletzung von Dienstgeheimnissen. Im Übrigen könne sich aber „auch | |
| Herr Hartmann strafbar gemacht haben“ – falls etwas an Edathys Behauptungen | |
| dran sein sollte. Auch einer der einflussreichsten Sozialdemokraten im | |
| Bundestag, der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, hat laut Edathy | |
| gelogen. Seine erste Pressemitteilung zur der Affäre Anfang Februar | |
| „entspreche nicht der Wahrheit“, steht in der eidesstattlichen | |
| Versicherung. Außerdem wirft Edathy ihm vor, auch seinen Büroleiter Heiner | |
| Staschen eingeweiht zu haben. | |
| ## Misslungenes Ablenkungsmanöver | |
| An diesem Vormittag in der Bundespressekonferenz mischen sich die | |
| Sachverhalte. Einerseits geht es um die Abläufe innerhalb der SPD-Fraktion. | |
| Um Macht und Machtverlust, um Abstiegsängste und Schadensbegrenzung. | |
| Andererseits um den Vorwurf, kinderpornographische Filme gekauft zu haben. | |
| Sollte Edathys Kalkül sein, durch Schuldzuweisungen an seine SPD-Kollegen | |
| die Aufmerksamkeit davon abzulenken, so gelingt ihm das nicht. | |
| Auf mehrfache Nachfrage zu den von ihm erworbenen Filmen, zur Verantwortung | |
| oder dem Wissen um die Entstehungsbedingungen solcher Produkte reagiert | |
| Edathy dünnhäutig. Mehrfach sagt er, es sei „sicher falsch gewesen, sie zu | |
| bestellen. Aber es war legal“. Im Übrigen umfasse sein Verständnis von | |
| einem Rechtsstaat auch, dass Privates „niemanden etwas angeht“. Für das, | |
| was er gemacht habe, habe er einen hohen Preis bezahlt. „Vielleicht wird es | |
| auch wieder möglich sein, in Deutschland zu leben. Ich hoffe das.“ | |
| Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Sebastian Edathy und der | |
| Durchsuchung seiner Privat- und Büroräume am 10. Februar 2014 war er aus | |
| der Öffentlichkeit verschwunden. Auf Facebook machte er sich fortan mit | |
| großer Vehemenz daran, die ermittelnde Staatsanwaltschaft, aber auch die | |
| Medien zu schmähen. Dem Spiegel gab er im Frühjahr ein Interview, in dem er | |
| erklärte: „Ich bin nicht pädophil. In der Kunstgeschichte hat der männliche | |
| Akt, auch der Kinder- und Jugendakt, übrigens eine lange Tradition.“ Auf | |
| eine entsprechende Nachfrage eines Journalisten in der | |
| Bundespressekonferenz blaffte er: „Ob ich pädophil, hetero oder homosexuell | |
| bin, geht Sie nichts an. Vielleicht sind Sie ja pädophil?“ | |
| Da war vom einsichtigen Sebastian Edathy nichts mehr zu spüren. Immer | |
| gereizter reagierte er auf Nachfragen. Mal bescheinigte er einem | |
| Springer-Journalisten, sowas könne doch sogar begreifen, wer bei der | |
| Bild-Zeitung arbeite. Dann wieder fordert er die versammelte Presse auf, | |
| doch einfach mal zu recherchieren. Einmal pariert er eine Frage gar mit dem | |
| Satz: „Where is the fucking problem?“ | |
| Eine Journalistin, die eindringlich fragt, ob er ein Wort sagen wolle zu | |
| den durch die Filmproduktionen erwiesenermaßen traumatisierten Jungen, | |
| kanzelt er ab: „Ich habe mich entsprechend geäußert.“ Und mehrfach betont | |
| er, dass das Verfahren am Amtsgericht Verden wegen Besitzes | |
| kinderpornographischen Materials möglicherweise gegen „einen für Sie | |
| überraschend niedrigen Geldbetrag“ eingestellt werden könnte. | |
| Sebastian Edathy, der Mann im gedeckten Anzug, will nun los zum | |
| Untersuchungsausschuss. Er müsse, sagt er, vorher noch zwei Zigaretten | |
| rauchen und auf die Toilette. Der Mann, der tags zuvor aus Nordafrika nach | |
| Berlin geflogen war, geht noch einmal seine alten Wege durch das | |
| Regierungsviertel. „Das“, sagt er, „ist mein letzter großer Auftritt hier | |
| in Berlin. Den Politiker Edathy gibt es nicht mehr.“ | |
| ## Showdown mit Eva Högl | |
| Um kurz vor eins betritt er den Saal des Untersuchungsausschuss. Blick nach | |
| links: die Kuppel des Reichstags. Blick nach rechts: die Abgeordnetenbüros | |
| des Paul-Löbe-Haus. Schließlich, als Edathy auf dem Zeugenstuhl sitzt, der | |
| Blick geradeaus: Edathys ehemalige Fraktionskollegin Eva Högl thront dort | |
| auf seinem alten Sitz. Auf dem der Ausschussvorsitzenden. | |
| Fünfzehn Jahre lang war Edathy Bundestagsabgeordneter, bevor er im Februar | |
| im Zuge seiner Kinderporno-Affäre abtauchte. Bis zum Vorsitzenden des | |
| NSU-Untersuchungsausschuss hatte er sich hochgearbeitet. Nun sitzt er auf | |
| der anderen Seite, und dass verkraftet er offenbar schlecht. | |
| „So eine eidesstattliche Erklärung ist rechtlich völlig wirkungslos!“, | |
| wirft sie ihm vor. Edathy lacht auf. „Wissen Sie eigentlich, was es für | |
| mich bedeutet, wenn ich hier nicht die Wahrheit sage?“, fragt er. „Ich | |
| würde mich strafbar machen!“ – „Ich brauche keine Belehrungen“, antwor… | |
| Högl knapp. | |
| Es folgt ein langwieriger Auftritt. Edathy trägt vor, was er zuvor schon | |
| dem Magazin Stern erzählt und am Vormittag in der Bundespressekonferenz | |
| wiederholt hatte. Konkrete Beweise legt er dem Ausschuss nicht vor, dafür | |
| zwölf Seiten Papier, bedruckt mit SMS zwischen ihm und Hartmann. Darunter | |
| auch viele, die bisher nicht öffentlich bekannt waren. „Wir haben natürlich | |
| vermieden, in SMS bestimmte Schlagworte reinzuschreiben“, sagt Edathy. | |
| Weiterhin steht also Aussage gegen Aussage, auch vor dem Auftritt Hartmanns | |
| vor dem Ausschuss, der für den Donnerstagabend erwartet wird. | |
| 18 Dec 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
| Astrid Geisler | |
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