# taz.de -- OECD-Bildungsreport: Mathe ist kein Arschloch | |
> Geringes Selbstbewusstsein und mangelnde Unterstützung durch Eltern sind | |
> verantwortlich für schlechte Mathe-Noten von Mädchen – sagt ein | |
> OECD-Bericht. | |
Bild: Mathe können Jungen und Mädchen eigentlich gleich gut. | |
BERLIN taz | Kein Mathe-Gen, sondern Einstellungen, Verhalten und | |
mangelndes Selbstbewusstsein sind Gründe für die geschlechtsspezifischen | |
Unterschiede in den Schulleistung von Jungen und Mädchen. Das zeigt der | |
erste OECD-Bildungsbericht mit Fokus auf den Geschlechtern, die OECD am | |
heutigen Donnerstag veröffentlichte. Für die Untersuchung wurden die | |
Ergebnisse des PISA-Tests 2012 genauer unter die Lupe genommen. Die | |
„spannendste Untersuchung der letzten Jahre“, wie OECD-Bildungsdirektor | |
Andreas Schleicher den Bericht bei der Vorstellung in Berlin nannte, | |
widerlegt einmal mehr das Vorurteil, eines angeborenen Mathe-Unvermögens | |
bei Mädchen. | |
Obwohl fast kein Geschlechtergefälle hinsichtlich der Bildungsabschlüsse zu | |
erkennen ist, gibt es vor allem in Deutschland immer noch deutliche | |
Unterschiede bei der Einstellung zu Mathematik. Diese wirken sich auch auf | |
die Leistungen aus. Der Aussage „Ich bin einfach nicht gut in Mathe“ | |
stimmen deutlich mehr Mädchen zu als Jungs – und das auch dann, wenn sie im | |
PISA-Test gleich gut abschneiden. Jungen tendieren demgegenüber dazu sich | |
auch bei durchschnittlichen Leistung in Naturwissenschaften mehr zuzutrauen | |
als Mädchen. Auch hier gibt es in der Leistung fast keine Unterschiede. | |
Gerade in Deutschland führt dies bei den 15-Jährigen zu klaren | |
Leistungsunterschieden. Mädchen können deutlich schlechter rechnen als ihre | |
männlichen Kollegen während Mädchen besser lesen. Betrachtet man die | |
Ergebnisse in allen untersuchten Fächern (Mathematik, Lesefähigkeit, | |
Naturwissenschaften) schlägt sich der Unterschied zwischen den | |
Geschlechtern dahingegen nieder, dass sich besonders viele Jungs unter den | |
leistungsschwachen SchülerInnen finden. Ihr Risiko, die Schule abzubrechen | |
ist deutlich höher als das von Mädchen, 60 Prozent der Schulversager sind | |
Jungen. Auf der anderen Seite finden sich aber auch unter den | |
leistungsstärksten SchülerInnen mehr Jungs als Mädchen. | |
Auf den ersten Blick scheinen die Ergebnisse des PISA-Tests die | |
Geschlechter-Präferenzen zu bestätigen. Sieht man sich die Ergebnisse | |
genauer an, zeigt sich aber, dass Mädchen gerade in den asiatischen Ländern | |
gleichauf mit den Jungen sind und deutlich besser als die Jungs in den | |
meisten anderen Ländern sind. Ein angeborenes Mathe-(Un)Vermögen kann also | |
kaum für die Geschlechterunterschiede verantwortlich sein. Vielmehr liegt | |
es nahe, gesellschaftliche Stereotype als Ursachen zu vermuten. | |
## Elf Prozent wünschen sich eine Ingenieurin | |
Großen Einfluss, bewusst oder unbewusst, üben hier die Eltern aus, so die | |
Ergebnisse des Reports. In Deutschland etwa wünschen sich gerade einmal elf | |
Prozent der Eltern für ihre Tochter eine Karriere als Ingenieurin, für | |
ihren Sohn hingegen fast 40 Prozent. Auch bei den Mädchen selbst ist der | |
Wunsch später in einem MINT-Beruf zu arbeiten dementsprechend stark | |
unterentwickelt. In asiatischen Ländern gibt es hingegen kaum | |
geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Berufserwartungen der Eltern. | |
Als weitere Einflussfaktoren sieht Bildungsdirektor Schleicher das | |
Verhalten der Lehrer und die Freizeitgestaltung der Teenager. | |
Damit Jungen und Mädchen ihr Potential verwirklichen können müssen Eltern | |
ihre Kinder stärker unterstützen, Lehrer ihre SchülerInnen ermutigen, | |
kreative Lösungen zu suchen und Jugendliche ein paar mehr von ihren | |
außerschulischen Aktivitäten ohne Internet und Computer verbringen. „Die | |
gute Nachricht ist, dass wir dazu weder langwierige noch teure | |
Bildungsreformen brauchen – es reicht, wenn Eltern, Lehrer und Arbeitgeber | |
an einem Strang ziehen”, so Schleicher. | |
Dass Männer immer noch deutlich mehr verdienen als Frauen liegt unter | |
anderem in ihren unterschiedlichen Karriereplänen begründet. Männer | |
arbeiten öfter in den bessere bezahlten MINT-Berufen als Frauen. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Imre Balzer | |
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