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# taz.de -- Aufruf Frauenquote Kultur: Preisgekrönt und chancenlos
> Mehr als 170 Regisseurinnen wehren sich gegen die gängige Geldvergabe und
> fordern eine Frauenquote für Kino- und Fernsehfilme.
Bild: „Tolerant? Sind wir selber“: Eine filmische Intervention der Regisseu…
Im vergangenen Jahr kamen 223 deutsche Filme in die Kinos. Sie wurden von
30,4 Millionen Menschen gesehen. Der Kinoumsatz betrug 1,02 Milliarden
Euro, der durchschnittliche Eintrittspreis 7,89 Euro. Zahlen zum Zustand
der deutschen Filmwirtschaft listet die staatliche Filmförderungsanstalt
FFA in Berlin alljährlich in einem Zahlenwerk haarklein auf. Aber gibt es
darin auch Zahlen zur Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in
dieser für die Bewusstseinsbildung wichtigen Branche? Nein, gibt es nicht:
Fehlanzeige.
Dafür haben Regisseurinnen auf eigene Initiative nachrecherchiert und
fanden eine skandalöse Rückständigkeit: Frauen kommen nur selten zum Zuge,
wenn mit öffentlichen Geldern Produktionsaufträge und Fördermittel vergeben
werden.
Die FFA hat 2013 insgesamt 56 Spielfilme gefördert, davon sieben Filme mit
Frauen als Regisseurin. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) vergab im
Vorjahr Produktionszuschüsse in Höhe von gut 62 Millionen Euro. Nur 6
Millionen Euro flossen an Filme, in denen Frauen Regie führten.
Auch bei den Film- und Fernsehförderungen der Länder und bei der
Auftragsvergabe durch Fernsehredaktionen, die in Deutschland das Nadelöhr
des Filmemachens sind, sieht die Lage nicht anders aus. Die
Primetime-Sendeplätze der ARD weisen in den Jahren 2010 bis 2013 nur in 7,5
Prozent Frauen in der Position „Regie“ aus.
Diese Fakten lieferten den Anstoß, um den Zusammenschluss PRO QUOTE REGIE
zu gründen. Mittlerweile sind wir über 170 Regisseurinnen, die für die
Gleichstellung von Frauen in unserem Beruf und verbindliche Quoten
eintreten. Zu unseren ersten Unterstützerinnen und Unterstützern gehören
die Schauspielerinnen und Schauspieler Senta Berger, Veronika Ferres,
August Zirner, der Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, die Produzenten
Stefan Arndt (X-Filme Creative Pool) und Maria Köpf (Zentropa
Entertainments), der Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie, Alfred
Holighaus, und weitere über 50 Frauen und Männer.
Mangelnder Nachwuchs ist kein Grund für die Schieflage. 42 Prozent der
Abgänger mit Regiediplom an den deutschen Filmhochschulen sind Frauen. Zwar
bekommen viele junge Regisseurinnen die Chance, einen Debütfilm zu
realisieren, viele machen sich mit Preisen auf nationalen und
internationalen Festivals einen guten Namen. Aber Qualität und
Auszeichnungen haben keinen wirtschaftlichen Nachhall.
Folgeaufträge bleiben aus, in bestimmten TV-Genres haben Frauen keine
Chance, und auch bei der Förderung werden sie mit ihren Projekten häufiger
mit den kleineren Budgets abgespeist als ihre männlichen Kollegen. Die
Folge ist, dass hochqualifizierte Regisseurinnen oftmals nach Jahren
vergeblicher Projektentwicklung resigniert in andere Jobs ausweichen
müssen.
## Zum Beispiel Schweden
Diese geschlechterspezifische Schieflage hat aber nicht nur dramatische
Auswirkungen auf die Arbeitsmöglichkeiten junger Regisseurinnen, sondern
zusätzlich auch eine kulturelle und politische Dimension. Wir leben in
einem Land der Vielfalt. Aber Kino- und Fernsehfilme werden zu 85 Prozent
von Männern gemacht. Sollen wirklich möglichst viele (Frauen) einschalten
beziehungsweise zuschauen, aber möglichst wenige (Frauen) mitmachen? Seit
geraumer Zeit ist das Fernsehen auf der Suche nach Erneuerung, und immer
wieder werden Reformen unseres Filmfördersystems diskutiert. Eine
Gleichstellung von Frauen bei der Verteilung von Regieaufträgen ist ein
wesentlicher Schritt, um Pluralität zu fördern, den Blick auf die Welt zu
erweitern und damit eine Erneuerung in Gang zu setzen.
Wir Regisseurinnen in Deutschland sind mit unser Forderung nach einer Quote
nicht allein. In Schweden müssen seit 2012 mindestens 40 Prozent des
Filmförderungsbudgets an Frauen in den Positionen Regie, Drehbuch oder
Produktion vergeben werden. In Frankreich, Großbritannien und auch in den
USA gibt es ähnliche Initiativen für Chancengleichheit.
Für Deutschland fordern wir die Einführung einer Quote für die Vergabe von
Regieaufträgen im Fernseh- und Filmbereich: 30 Prozent in drei Jahren, 42
Prozent in fünf Jahren (das entspricht dem Anteil der
Filmhochschul-Absolventinnen) und 50 Prozent in zehn Jahren. Auch ist eine
paritätische Besetzung der Entscheidungsgremien aller Filmförderungen
notwendig. Außerdem fordern wir eine Studie zu Werdegang und beruflicher
Situation von Regisseurinnen sowie zur Vergabepraxis von Sendern und
Fördergremien.
## Ja, wir wollen Filme machen
Aber gibt es überhaupt genug qualifizierte Regisseurinnen mit
erfolgversprechenden Filmstoffen? Haben sie genug Stehvermögen, um sich in
dieser rauen Branche durchzusetzen? Kommt es nicht früher oder später zu
Konflikten mit der Familienplanung? Wollen sie überhaupt Verantwortung für
große Budgets übernehmen? Mit diesen Vorbehalten werden wir immer und immer
wieder konfrontiert.
Die Antwort lautet: Wir Regisseurinnen leiden nicht an einem kollektiven
Qualitätsmangel, sondern an einem System, das uns zu wenig Chancen
einräumt! Dass in diesem System inzwischen auch viele Frauen in Redaktionen
und Förderanstalten – viele auch als Entscheiderinnen – tätig sind, ände…
nichts am Missstand.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ So heißt es wörtlich
in Artikel 3, Absatz 2 unseres Grundgesetzes.
Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als dass das aus diesem Satz
resultierende Versprechen in der Film- und Medienwelt eingelöst wird.
Unsere Vision ist, dass im Jahr 2025 die Hälfte aller Filmförderungs- und
Produktionsmittel an Frauen gehen. Ganz selbstverständlich. Die Quote ist
dann kein Thema mehr, Vielfalt und Diversität spiegeln sich in Produktions-
und Förderentscheidungen und letztendlich auch auf Leinwand und Bildschirm
wider. PRO QUOTE REGIE ist abgeschafft!
Den Orignalaufruf mit den UnterzeichnerInnen finden Sie [1][hier.]
2 Oct 2014
## LINKS
[1] /fileadmin/static/pdf/AufrufPROQUOTEREGIE30.09.14-1.pdf
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