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# taz.de -- Vier Jahre nach dem Fukushima-Desaster: „Wir haben uns total geä…
> In Japan musste auch das Kraftwerk Kariwa-Kashiwazaki heruntergefahren
> werden. Tepco will die weltweit größte Atomanlage besser schützen. Ein
> Besuch.
Bild: Grau in Grau: Kariwa-Kashiwazaki entstand in den achtziger Jahren zur Bl�…
KARIWA-KASHIWAZAKI taz | Der erste Blick auf die Atomanlage
Kariwa-Kashiwazaki lässt manchen Besucher schaudern. Denn die Bauweise
ähnelt der des zerstörten AKW Fukushima Daiichi frappierend. Die Blöcke 1
bis 4 stehen fast genauso nahe am Meer und wären bei einem ähnlich hohen
Tsunami wie am 11. März 2011, dem Tag der Fukushima-Katastrophe, genauso
überschwemmt worden.
Als zweite Gruppe stehen die Blöcke 5 bis 7 nur wenige hundert Meter weiter
nördlich am Strand. Die 8,2 Gigawatt starke Gesamtleistung der sieben
Einheiten ist fast doppelt so hoch wie die Leistung der sechs
Fukushima-Meiler.
Kariwa-Kashiwazaki entstand in den achtziger Jahren zur Blütezeit der
Atomkraft in Japan: Das bis heute weltgrößte AKW sollte die Macht des
Stromversorgers Tokyo Electric Power (Tepco) symbolisieren. Selbstherrlich
wurde geklotzt, nicht gekleckert.
Dieser Gigantismus macht dem Konzern nach den Kernschmelzen vor vier Jahren
schwer zu schaffen. Fast niemand traut Tepco zu, die gewaltige Atomanlage
am Japanischen Meer unter Kontrolle zu behalten, sollte es zu einer neuen
Katastrophe kommen. Aber: „Unsere Firmenkultur hat sich total geändert“,
beteuert AKW-Chef Tadayuki Yokomura gegenüber den ersten ausländischen
Journalisten, die die umgebaute Anlage besichtigen dürfen.
Vor „Fukushima“ habe Tepco sich mit einer bestimmten Menge an
Sicherheitsmaßnahmen begnügt, gesteht Yokomura im bebensicheren
Kontrollzentrum. „Aus der Katastrophe haben wir gelernt, dass wir auch auf
Situationen jenseits der Musterannahmen vorbereitet sein müssen.“
## Verwerfungen unter dem Gelände
Dabei hätte Tepco diese Lektion schon vor acht Jahren lernen können: Im
Juli 2007 erschütterte ein Beben in nur 16 Kilometer Entfernung mit der
Stärke 6,6 die Anlage in Kariwa-Kashiwazaki. Die Bodenbeschleunigung war
dort bis zu zweieinhalbmal so stark wie vorhergesagt. Ein Transformator
fing Feuer, Fässer mit radioaktivem Müll fielen um. Der Boden sackte bis zu
1,5 Meter ab. Dabei wurde die Hotline zu den Behörden zerstört.
Inzwischen hat Tepco die Ablufttürme und andere Anlagenteile verstärkt und
ein bebensicheres Kontrollzentrum gebaut. Zugleich wurde die Entdeckung von
Verwerfungen unter dem Gelände heruntergeredet.
Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen will Tepco auf dieses Riesen-AKW
nicht verzichten. Von seinen 17 Reaktoren stehen 10 in Fukushima und sind
damit nicht mehr nutzbar. Nur die 7 Meiler von Kariwa-Kashiwazaki bleiben
übrig, um Geld für die hohen Entschädigungszahlungen für die Katastrophe zu
verdienen. Jeder Monat ungenutzte Betriebszeit dort kostet den Konzern fast
450 Millionen Euro.
Daher hat Tepco 2 Milliarden Euro in den Katastrophenschutz investiert. So
sollen eine neue Betonmauer und eine Deicherhöhung das AKW besser vor einem
Tsunami schützen. Experten würden hier nur eine maximale Wellenhöhe von 6
Metern erwarten, betont AKW-Vizechef Katsuhiko Hayashi. „Trotzdem reichen
unsere Barrieren für einen 15 Meter hohen Tsunami aus!“, sagt er stolz. Als
zusätzliche Verteidigungslinie hätten die dahinter liegenden Reaktoren
wasserdichte Tore und Schutzmauern für die Luftzufuhr bekommen.
## Back-up-Batterien, mobile Generatoren
Eine andere Fukushima-Lehre sind mobile Generatoren, Back-up-Batterien,
Gasturbinen und unterirdische Dieseltanks. Die Ausrüstung soll Strom für
die Notkühlung der Reaktoren im Havariefall erzeugen. Ein bebensicheres
Becken oberhalb des Kraftwerks hält Ersatzkühlwasser vor.
Während der Besichtigung übt die Werksfeuerwehr gerade. In großem Bogen
spritzt ein Uniformierter Wasser aus einem Schlauch in das Becken. Auch
einen nachgebauten Kontrollraum zur Krisensimulation dürfen die Reporter
sehen. Nach eigenen Angaben hat Tepco bisher über 30 Mal eine Havarie der
Gesamtanlage simuliert.
Durch die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen sind die Chancen gestiegen,
dass die Atomaufsicht den von Tepco beantragten Neustart der Reaktoren 6
und 7 in Kariwa-Kashiwazaki genehmigt. Nach Ansicht des Betreibers könnte
dies schon im Juli passieren. Beide Meiler sind Siedewasserreaktoren der
dritten Generation und weniger als 20 Jahre in Betrieb.
## Gouverneru ist größter Tepco-Kritiker
Doch der für die Region zuständige Gouverneur Hirohiko Izumida zählt zu den
schärfsten Tepco-Kritikern in Japan. Er werde keinen Neustart genehmigen,
ohne dass der Konzern die Ursachen der Kernschmelzen auf den Tisch lege und
die Schuldigen intern bestrafe, hat Izumida mehrmals erklärt. Im Januar
blieb auch ein Bittgang von Tepco-Chef Naomi Hirose zum Gouverneur
fruchtlos. Izumida schlug die Einladung zu einer AKW-Tour aus.
Die Standardtaktik von Tepco, die Lokalpolitik mit Arbeitsplätzen und
Subventionen zum Einlenken zu bringen, funktioniert bei Izumida nicht.
Daher setzt Tepco-Chef Hirose den widerspenstigen Gouverneur neuerdings mit
der Drohung einer Strompreiserhöhung unter Druck. Unterdessen bereiten sich
die 5.700 Arbeiter im AKW Kariwa-Kashiwazaki auf den Tag X vor. „Wir müssen
jetzt nur noch darauf warten, dass die Öffentlichkeit unseren Wandel
begreift“, gibt sich AKW-Chef Yokomura am Ende der Tour hoffnungsvoll. Doch
könnte dies länger dauern, als er sich das vorzustellen vermag.
10 Mar 2015
## AUTOREN
Martin Fritz
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