# taz.de -- 70. Jahrestag der Kapitulation Japans: Streit um die richtigen Worte | |
> Beim Rückblick auf den 2. Weltkrieg will die Abe-Regierung die „Ehre“ der | |
> Nation wiederherstellen. Ihr Revisionismus alarmiert sogar die | |
> Kaiserfamilie. | |
Bild: Ein japanischer Amphibienpanzer aus dem 2. Weltkrieg rostet auf der mikro… | |
TOKYO taz | In Japan wird über die Bewertung der eigenen Rolle im Zweiten | |
Weltkrieg gestritten. Es geht um die Erklärung des konservativen Premiers | |
Shinzo Abe zum 70. Jahrestag der japanischen Kapitulation am 15. August. | |
Ein Gremium von Historikern und Intellektuellen soll angemessene Worte | |
vorschlagen. Doch es streitet jetzt darüber, ob sich Japan weiter dazu | |
bekennen soll, der „Aggressor“ gewesen zu sein. Rechte Historiker sagen, | |
Nippon habe sich nur gegen westliche Kolonialmächte verteidigt. | |
Japans Partner erwarten von Abe, dass er sich unverändert zur Kriegsschuld | |
bekennt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schlug in diese Kerbe, als sie | |
in der zweiten März-Woche in Tokio über die deutsche Aussöhnung mit | |
Frankreich berichtete und so indirekt Abes Regierung kritisierte. Zwischen | |
Japan sowie China und Südkorea herrscht seit Jahren Eiszeit. Die Nachbarn | |
werfen Abe vor, Japans Kriegsverbrechen schönzureden. | |
Merkels Mahnungen kamen in Tokio nicht gut an. Außenminister Fumio Kishida | |
sagte, ein Vergleich der beiden Länder sei nicht angemessen: „Was im Krieg | |
passiert ist, wie die Beseitigung der Kriegsprobleme erfolgte, die Haltung | |
der Nachbarländer – all das ist unterschiedlich zwischen Japan und | |
Deutschland.“ Das Wirtschaftsblatt Nikkei warf Merkel vor, die Geschichte | |
ohne ausreichende Vorbereitung angesprochen zu haben. | |
Die Erklärung zum Jahrestag der Kapitulation wird nun zum Lackmustest für | |
Japans Reue. Chinas Premier Li Keqiang verlangt, Tokio müsse die | |
Verantwortung für die „Verbrechen der Vergangenheit“ übernehmen. Südkore… | |
Präsidentin Park Geun-hye fordert Japan zum „ehrlichen Umgang“ mit der | |
Vergangenheit auf und verweist auf die sexuelle Ausbeutung koreanischer | |
Frauen durch Japans Armee. Hier laviert Abe. Vor einem Jahr hatte er sich | |
zur Entschuldigung von Regierungssprecher Yohei Kono von 1993 für die | |
sexuelle Versklavung Zehntausender Asiatinnen in Soldatenbordellen bekannt. | |
Er plane keine Änderung der Erklärung. | |
Doch es folgten gegenteilige Taten. Im letzten Sommer hinterfragte sein | |
Kabinett die Gültigkeit der Entschuldigung. Diese beruhe auf dem | |
ungeprüften Zeugnis von 16 Koreanerinnen. Auch hätte Seoul an der | |
Formulierung mitgewirkt. Im Oktober wurde eine Kommission eingesetzt, die | |
vorschlagen soll, wie sich Japans „Ehre“ in Bezug auf diese „Trostfrauen�… | |
wiederherstellen lässt. Tokios Diplomaten verlangten von US-Verlagen | |
Korrekturen in Schulbüchern. Japans Militär sei für die Bordelle nicht | |
verantwortlich gewesen. | |
Nun will Abe auch zur einzigen offiziellen Entschuldigung für Japans Krieg | |
in Asien auf Distanz gehen. 1995 hatte der sozialistische Premier Tomiichi | |
Murayama „tiefes Bedauern“ über Japans „koloniale Herrschaft und | |
Aggression“ geäußert. 2005 wiederholte der Konservative Junichiro Koizumi | |
die Formulierungen fast wortwörtlich. Doch Abe möchte Murayamas Aussagen | |
nur „als Ganzes“ bekräftigen – ohne die Wörter zu wiederholen. Dafür w… | |
er Japans Nachkriegsleistungen als Kreditgeber betonen. | |
Das hat sogar die Kaiserfamilie alarmiert. Die Verfassung verbietet dem | |
Tenno und seiner Familie politische Aussagen. Doch verlangte Kronprinz | |
Naruhito öffentlich einen „bescheidenen“ Rückblick und ein „korrektes“ | |
Kriegsgedenken. „Tragische Erlebnisse und die Geschichte, die Japan geprägt | |
hat, müssen von der Kriegs- zur Nachkriegsgeneration korrekt übermittelt | |
werden“, so der künftige Tenno. | |
31 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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