| # taz.de -- Atomkraft in Deutschland: Kritische Beamte stillgelegt | |
| > Bei der Abschaltung deutscher AKWs nach Fukushima seien bewusst Fehler | |
| > gemacht worden, sagt ein Mitarbeiter eines Ministeriums. Er wurde | |
| > kaltgestellt. | |
| Bild: Den Betreibern nochmal zugearbeitet? Das stillgelegte AKW Biblis. | |
| BERLIN taz | Der Verdacht steht schon länger im Raum: Hat die Politik im | |
| Jahr 2011, als nach der Fukushima-Katastrophe die acht ältesten deutschen | |
| Atomkraftwerke stillgelegt wurden, absichtlich Fehler gemacht, die den | |
| Betreiber-Konzernen spätere Schadenersatzklagen ermöglicht haben? | |
| Im hessischen Untersuchungsausschuss, der die Verantwortung für | |
| entsprechende Klagen beim AKW Biblis ermitteln soll, hat nun ein wichtiger | |
| Zeuge diesen Vorwurf explizit erhoben. | |
| „Es ist bewusst ein Bescheid formuliert worden, der offensichtlich | |
| rechtswidrig ist“, sagte Gerrit Niehaus am Freitagnachmittag nach Angaben | |
| von Teilnehmern. Er leitete 2011 im Bundesumweltministerium die | |
| Arbeitsgruppe „Bundesaufsicht bei Atomkraftwerken“ und hätte bei der | |
| Stilllegung daher eigentlich eine entscheidende Rolle spielen müssen. Doch | |
| der Beamte, der heute die Atomaufsicht im grün-regierten Baden-Württemberg | |
| leitet, wurde seinerzeit offenbar komplett kaltgestellt. | |
| So landete ein ausführliches Papier zur detaillierten Begründung und | |
| Umsetzung der Stilllegung, das die Arbeitsgruppe von Niehaus erstellt | |
| hatte, nach seinen Angaben im Papierkorb. Stattdessen verschickte der als | |
| atomfreundlich geltende Abteilungsleiter Gerald Hennenhöfer an die für die | |
| für die unmittelbare Atomaufsicht zuständigen Bundesländer nur eine kurze, | |
| formale Begründung für die Abschaltung der AKWs. Und mit der Begründung, | |
| dass seine Arbeitsgruppe für die Atomwirtschaft ein „rotes Tuch“ sei, sei | |
| diese auch bei der anschließenden Sicherheitsüberprüfung der Reaktoren | |
| komplett außen vor geblieben, klagte Niehaus. „Wir wurden regelrecht | |
| ausgeschaltet.“ | |
| ## Forderungen von 882 Millionen Euro | |
| Der damalige CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der für die | |
| Entscheidugen verantwortlich war, war am Freitag ebenfalls als Zeuge im | |
| Untersuchungsausschuss. Weil er jedoch vor Niehaus an der Reihe war, konnte | |
| er nicht mit dessen Vorwürfen konfrontiert werden. Der zuständige | |
| Abteilungsleiter Hennenhöfer war bereits im Februar gehört worden, | |
| allerdings vor allem zur Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, die | |
| entscheidend dafür ist, wer möglichen Schadenersatz am Ende bezahlen muss. | |
| Der Atomkonzern RWE hatte seinerzeit sofort gegen die Stilllegung seiner | |
| AKWs geklagt. Das Verwaltungsgericht Kassel gab dem Unternehmen im Februar | |
| 2013 recht - unter anderem mit der Begründung, dass die hessische Regierung | |
| die Betreiber vor der Stilllegung nicht angehört hatten. Genau eine solche | |
| Anhörung hatte Niehaus in seinem vom Ministerium verworfenen Papier | |
| empfohlen. | |
| Auf der Grundlage des Verwaltungsgerichtsurteil klagt RWE derzeit gegen das | |
| Land und den Bund auf 235 Millionen Euro Schadenersatz für das | |
| Atommoratorium. Nach dem Erfolg von RWE haben auch die übrigen | |
| AKW-Betreiber geklagt; insgesamt geht es um Forderungen von 882 Millionen | |
| Euro. | |
| Grüne und Linke zeigten sich erschüttert über Niehaus' Aussagen. „Die | |
| Abteilung, in der es den nötigen Sachverstand für eine rechtssichere | |
| Stilllegung der deutschen Atomkraftwerke gegeben hätte, wurde offenbar | |
| gezielt ausgebootet“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der | |
| Grünen-Fraktion, Angela Dorn. „Wenn das stimmt, ist es ein Skandal erster | |
| Güte.“ Linken-Fraktionchefin Janine Wissler nannte die Vorwürfe „unfassba… | |
| und erklärte: „Bei den Schilderungen aus dem Innenleben von Ministerien | |
| wird mir Angst und Bange bei der Vorstellung, dass dort AKW beaufsichtigt | |
| werden.“ | |
| 8 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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