# taz.de -- Fehler beim Atomausstieg: Schadenersatzrisiko ignoriert | |
> Im Kanzleramt war bekannt, dass das Verfahren zum Moratorium nach | |
> Fukushima rechtlich fragwürdig war. Unternommen wurde aber nichts. | |
Bild: Greenpeace-Protest am Kühlturm des AKW Philippsburg 2011. | |
BERLIN taz | Es waren dramatische Zeiten: Am [1][11. März vor vier Jahren] | |
wurde das Atomkraftwerk im japanischen Fukushima durch einen Tsunami so | |
schwer beschädigt, dass es zu einer Kernschmelze kam. Unter dem Eindruck | |
dieses Ereignisses entschieden Bund und Länder damals, die acht ältesten | |
deutschen Atomreaktoren für eine Sicherheitsüberprüfung für zunächst drei | |
Monate vom Netz zu nehmen. | |
Dass es im zuständigen Bundesumweltministerium seinerzeit eine heftige | |
Auseinandersetzung um das Verfahren gab, ist mittlerweile gut dokumentiert: | |
Der Leiter der für die Atomaufsicht zuständigen Arbeitsgruppe, der eine | |
ausführliche Begründung für jedes einzelne AKW gefordert hatte, um spätere | |
Schadenersatzforderungen zu verhindern, [2][wurde damals kaltgestellt]. | |
Doch neue Unterlagen, die der taz vorliegen, zeigen nun, dass auch das | |
Kanzleramt über die rechtlichen Risiken des gewählten Verfahrens für das | |
Atommoratorium und mögliche Schadenersatzforderungen informiert war. | |
Schon in einem Vermerk, der fünf Tage nach Fukushima im Kanzleramt erstellt | |
wurde, ist von einer „möglichen Entschädigung“ die Rede, für die es aber | |
„hohe Hürden“ gebe. In einer aktualisierten Fassung des Papiers wird dann | |
einige Wochen später im Detail die Kritik am Verfahren dargestellt, mit dem | |
die acht ältesten deutschen Reaktoren vom Netz genommen wurden. Der | |
Gefahrenverdacht sei „nicht hinreichend begründet“, die Verfügungen zur | |
Stilllegung seien „zu pauschal“. | |
Allerdings, heißt es weiter, habe das Bundesumweltministerium diesen | |
Argumenten widersprochen. Dieser Einschätzung hat das Kanzleramt offenbar | |
vertraut, denn auf eine Nachbesserung der fragwürdigen Begründung wurde | |
verzichtet. | |
## „Dafür trägt die Kanzlerin die Verantwortung“ | |
Später entschied das Bundesverwaltungsgericht für das AKW Biblis, das | |
Verfahren sei fehlerhaft gewesen. Auf dieser Grundlage [3][klagt RWE | |
derzeit auf Schadenersatz] über 235 Millionen Euro. Der Beamte, dessen | |
Kritik am gewählten Verfahren man im Umweltministerium seinerzeit ignoriert | |
hatte, äußerte vergangene Woche im hessischen Untersuchungsausschuss die | |
Vermutung, dass die Bescheide „vorsätzlich“ fehlerhaft waren. | |
Das Kanzleramt geht davon aus, dass Kanzlerin Angela Merkel und ihr | |
damaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (beide CDU) nicht persönlich | |
über den Vermerk informiert waren. Über eine „Befassung der Hausleitung“ | |
lägen „keine Informationen“ vor, heißt es in einer Antwort auf eine Anfra… | |
der atompolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia | |
Kotting-Uhl. | |
Diese meldet erhebliche Zweifel an der Aussage an: „Es ist nicht glaubhaft, | |
dass für einen so wichtigen Vorgang erst eine Leitungsvorlage erstellt | |
wird, diese sich aber dann im Nebel der Hausleitung verloren haben soll“, | |
sagte Kotting-Uhl der taz. Wichtige Entscheidungen müssten sauber | |
nachvollziehbar sein. „Dafür trägt die Kanzlerin die Verantwortung.“ | |
Kotting-Uhl hatte bereits zuvor einen Untersuchungsausschuss auf | |
Bundesebene angeregt; eine Entscheidung darüber steht noch aus. | |
10 Mar 2015 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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