# taz.de -- AKW-Rundgang in Fukushima: Das Tritium bleibt | |
> Der Kampf mit kontaminiertem Wasser bindet fast alle Kräfte. Ein Besuch | |
> auf dem Gelände der vor fast vier Jahren havarierten Atomanlage von | |
> Fukushima. | |
Bild: Pause für drei Mitarbeiter im Katastrophenreaktor von Fukushima | |
FUKUSHIMA taz | Das zerstörte Atomkraftwerk erinnert an diesem regnerischem | |
Novembertag an ein Wimmelbild von Ali Mitgutsch: Die Laster und Kräne auf | |
dem Gelände lassen sich kaum zählen, dazwischen sind überall Arbeiter mit | |
Atemschutzmasken und weißen Schutzanzügen zu sehen. Es wird planiert, | |
betoniert und gebaut. | |
Am 11. März 2011 hatte ein Beben der Stärke 9,0 vor der Küste einen | |
verheerenden Tsunami ausgelöst, der zu Kernschmelzen in Fukushima führte. | |
Fast vier Jahre nach der verheerenden Katastrophe soll Anfang 2015 das | |
erste Atomkraftwerk in Japan wieder ans Netz gehen. Währenddessen laufen | |
auf dem riesigen Areal in Fukushima die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. | |
Schon am Eingang zum AKW steht ein neues achtstöckiges Haus, Ruheräume für | |
1.200 Bauarbeiter. Die Zahl der Wassertanks ist riesig. Gerade zieht ein | |
Kran ein Stahlteil für einen neuen Tank in die Höhe. Auf dem Weg zum | |
Kontrollzentrum reihen sich hinter Stacheldrahtzäunen neue Betonblöcke mit | |
verbrauchten Brennelementen. | |
Damals wurden vier der sechs Reaktoren der Anlage zerstört, Zehntausende | |
Anwohner mussten die Region verlassen. Inzwischen ist die Zahl der Arbeiter | |
in Fukushima auf 7.000 gewachsen. Doch nur wenige kümmern sich um die | |
Stilllegung der kaputten Meiler, aus denen geschmolzener Brennstoff geholt | |
werden soll. Im damals besonders in Mitleidenschaft gezogenen Reaktor 4 | |
wurde zwar in der vergangenen Woche die Bergung der abgebrannten | |
Brennelemente beendet. | |
## Die Schutzhülle wurde geöffnet | |
Doch hohe Strahlung verhindert auch jetzt noch jeden Zugang zu Reaktor 2. | |
Die Arbeiten auf dem Dach von Reaktor 3 ruhen seit August, weil dort | |
möglicherweise verseuchtes Material ins Abklingbecken gefallen ist. Die | |
provisorische Schutzhülle von Reaktor 1 wurde gerade an zwei Stellen | |
geöffnet. Aber mit seiner Stilllegung will Tepco offenbar erst 2025 | |
beginnen, fünf Jahre später als bisher geplant. | |
Stattdessen werden die meisten Arbeiter im Kampf gegen das kontaminierte | |
Wasser eingesetzt. Weiter dringen täglich 400 Tonnen Grundwasser in die | |
Kraftwerke ein und vermischen sich mit der radioaktive Brühe, die aus den | |
lecken Reaktoren tropft. Das verstrahlte Wasser wird in einer stetig | |
wachsenden Zahl von Tanks gelagert. | |
Unter dem Druck der Atomaufsicht hat Tepco nun ein Bündel Gegenmaßnahmen | |
ergriffen. Im Zentrum steht die neue „ALPS“-Reinigungsfabrik für 62 | |
radioaktive Isotope, die Anfang Oktober in den Probebetrieb ging. „Der | |
heiße Test verläuft bisher glatt“, betont Tepco-Ingenieur Shiichi Kawamura. | |
Die Menge radioaktiver Abfälle ist um 90 Prozent kleiner als bei der | |
ersten, zwei Jahre alten Anlage nebenan. Sie war wegen technischer Probleme | |
immer wieder ausgefallen. Die neue Fabrik kann im Vollbetrieb täglich knapp | |
2.000 Tonnen Wasser säubern. Außerdem filtert Tepco separat das für | |
Menschen besonders gefährliche Strontium heraus. | |
## Tepcos „Samurai“-Methoden | |
Auch deshalb ist AKW-Chef Akira Ono mittlerweile ziemlich entspannt. „Es | |
sieht so aus, als seien die größten Probleme mit dem Wasser behoben“, sagt | |
er. Ono verweist auf Tepcos „Samurai“-Methoden: So wird das Grundwasser | |
inzwischen teilweise um die Reaktoren herumgeleitet und direkt neben den | |
Mauern hochgepumpt. Auch die drei Kilometer lange Eiswand im Boden, die bis | |
April fertig sein soll, kommt voran. | |
Zwischen Gebäude und Turbinenhaus von Reaktor 4 war eine lange Reihe von | |
mit Silberfolie umhüllten Metallstutzen für die Kühlflüssigkeit zu sehen, | |
die gerade vergraben wurden. Noch stehen der Eismauer Gräben im Weg, in | |
denen 11.000 Tonnen radioaktives Wasser stehen. Aber bis zum Jahresanfang | |
wolle man die Gräben zubetonieren, sagt Ono. | |
Der enorme Aufwand mit Milliardenkosten scheint sich auszuzahlen: Binnen | |
der vergangenen Woche ist die Menge kontaminierten Wassers um knapp 2 | |
Prozent auf 335.000 Tonnen erstmals gesunken. Das Volumen an gereinigtem | |
Wasser stieg um 5 Prozent auf 193.000 Tonnen. Insgesamt sind das aber immer | |
noch 211 große Schwimmbecken voll. | |
Tepco kann das selbst gesetzte Ziel, sämtliches Wasser bis Ende März zu | |
reinigen, wohl nicht erreichen. Und: Ohne eine Lösung für das schwer zu | |
entfernende Tritium werden die Fischer der Region weiter gegen die | |
Einleitung des gesäuberten Wassers in den Pazifik protestieren. | |
14 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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