# taz.de -- Simulierter Super-GAU: Das Problem bleibt ungelöst | |
> Der Schutz der Bevölkerung würde im Falle eines Super-GAUs an unklaren | |
> Zuständigkeiten scheitern. Das Problem ist bekannt – und ungelöst. | |
Bild: Die bisherigen Gesetze sind nicht geeignet, radioaktive Gefahren zu stopp… | |
BERLIN taz | Bei einer [1][Super-GAU-Übung] vor einem Jahr hat sich | |
gezeigt: Wenn Radioaktivität aus einem deutschen Atomkraftwerk austritt, | |
brauchen die Krisenstäbe von Bund und Ländern viel zu lange, um die | |
Öffentlichkeit zu informieren. Die Empfehlung an die Betroffenen, im Haus | |
zu bleiben und Fenster und Türen zu schließen, erreichte die Menschen in | |
einigen Städten [2][erst fünf Stunden nach der radioaktiven Wolke]. | |
Nun macht man solche Übungen ja nicht, damit dort alles rund läuft. Man | |
macht sie, um herauszufinden, wo es im Ernstfall hakt. Beunruhigend ist | |
also nicht, dass die Übung vor einem Jahr schief gegangen ist – sondern | |
dass die erforderlichen Konsequenzen seither nicht gezogen wurden. | |
Die Ursache für das Problem war nach der Übung schnell ausgemacht: Die | |
Zuständigkeiten sind nicht eindeutig verteilt. In dem [3][Abschlussbericht | |
Thüringens,] den die taz.am Wochenende exklusiv veröffentlicht hatte, heißt | |
es: „Die langwierigen Diskussionen während der Telefonkonferenzen hierzu | |
haben gezeigt, dass es dringend erforderlich ist, bundesseitig gesetzliche | |
Regelungen zu fassen, die die Zuständigkeiten eindeutiger definieren, als | |
es bis jetzt der Fall ist. Ein realer Fall darf in Krisensituationen nicht | |
in Zuständigkeitsbetrachtungen untergehen. Hier wären die Konsequenzen | |
unabsehbar.“ | |
[4][Niedersachsen schrieb]: „Zudem darf es in der Telefonkonferenz zu | |
keinen Zuständigkeitsdiskussionen kommen. Die Zuständigkeiten sollten | |
vorher vom BMU dargestellt und ggf. im Vorfeld in den entsprechenden | |
Ausschüssen vorgestellt und diskutiert werden.“ | |
## „Sehr viel Interpretationsspielraum“ | |
[5][Baden-Württemberg]: „Es sollten im Vorfeld zur nächsten Übung einige | |
Rechtsgrundlagen geklärt werden. Ohne eine Klärung der Rechtslage besteht | |
ansonsten die Sorge, dass es im Ernstfall zu nicht zu vertretenden | |
Grundsatzdiskussionen kommt.“ | |
[6][Hessen]: „Die Belastbarkeit des Strahlenschutzvorsorgegesetzes bei | |
einer großflächigen Gefahrenlage steht in Frage. Die rechtliche Grundlage | |
lässt sehr viel Interpretationsspielraum, dies haben die teilweise sehr | |
langen Diskussionen während der Telefonkonferenzen gezeigt.“ | |
Bei einem Treffen, bei dem die Verantwortlichen die Übung auswerteten, | |
[7][hieß es im Protokoll:] „Zusammenfassend besteht die Sorge, dass die | |
zuständigen Behörden aufgrund dieser rechtlichen Unklarheiten derzeit nicht | |
handlungsfähig sind.“ | |
Das Bundesumweltministeriums [8][schrieb in seinem Bericht]: „Die Forderung | |
nach Anpassung des Strahlenschutzvorsorgegesetzes wurde durch das Referat | |
aufgegriffen.“ | |
Wenn sich offenbar alle Betroffenen einig sind und wenn es um ein wichtiges | |
Thema geht - dann sollte es doch eigentlich schnell gehen? Was ist also in | |
den 13 Monaten seit der Übung passiert? | |
## Kein Gesetzentwurf | |
Das Strahlenschutzvorsorgegesetz wurde bis heute nicht angepasst. Es ist | |
auch noch keine Drucksache mit einem Gesetzentwurf für eine Änderung bei | |
Bundesrat oder Bundestag eingegangen. Eine [9][taz-Anfrage vom 23. | |
September] nach dem Stand der Dinge hat das Bundesumweltministerium bisher | |
nicht beantwortet. | |
Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl fordert die Verantwortlichen auf, | |
keine Zeit mehr zu verlieren: „Das Bundesumweltministerium und die | |
Innenminister müssen endlich ernsthaft Gas geben, bei dem Thema geht es | |
buchstäblich um Leben und Tod.“ Das Ergebnis der Übung hat sie verblüfft: | |
„Schockierend ist die Art der Defizite. Da hakt es an Zuständigkeitsfragen | |
und Technikproblemen, die seit Jahrzehnten geklärt und eingespielt sein | |
sollten – nicht etwa an Neuerungen, die nach Fukushima beschlossen wurden. | |
Das lässt ernsthaft daran zweifeln, ob unsere Behörden der gewaltigen | |
logistischen Aufgabe gewachsen sind, die die seit Fukushima nötige | |
deutliche Ausweitung des nuklearen Katastrophenschutzes bedeutet.“ | |
Auch das Niedersächsische Umweltministerium [10][forderte am Montag] „mehr | |
Tempo bei Überarbeitung der Notfallschutzmaßnahmen für Atomkraftwerke“. | |
Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne): „Viel zu lange ist man offenbar davon | |
ausgegangen, dass keine wirklichen Gefahren drohen“, teilte er mit. | |
„Spätestens seit Fukushima wird aber offenbar auch immer mehr | |
Atomkraftbefürwortern klar, dass in jedem Land der Welt Ereignisse denkbar | |
sind, die vorher als Ereignisse jenseits der praktischen Vernunft definiert | |
wurden.“ Auch er sieht das Bundesumweltministerium in der Verantwortung, | |
denn die „Kommunikationsübung zwischen Bund und Ländern hatte Schwachpunkte | |
beim Bund aufgezeigt“. | |
28 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Geheime-Uebung-von-Bund-und-Laendern/!148295/ | |
[2] http://blogs.taz.de/rechercheblog/2014/10/24/der-super-gau/ | |
[3] http://bit.ly/1zx0HFo | |
[4] http://bit.ly/1v0YLwP | |
[5] http://bit.ly/1tzL9vY | |
[6] http://bit.ly/1tzLij4 | |
[7] http://bit.ly/1tbsYgj | |
[8] http://bit.ly/1sreqnn | |
[9] http://www.documentcloud.org/documents/1345092-gau-weitere-anfragen.html | |
[10] http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/umweltmini… | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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