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# taz.de -- Streit um Überwachung: Sigmar Gabriel irrt auf Vorrat
> Wenn es um die politisch heikle Vorratsdatenspeicherung geht, bringt der
> SPD-Chef ständig die Fakten durcheinander. Null Ahnung – oder Absicht?
Bild: Irgendwie nicht auf dem Laufenden: SPD-Boss Sigmar Gabriel.
BERLIN taz | SPD-Chef Sigmar Gabriel tritt derzeit in Interviews
nachdrücklich für die Vorratsdatenspeicherung ein. Allerdings macht er
immer wieder Aussagen, die den Eindruck erwecken, er habe nicht viel Ahnung
vom Thema. Drei Bespiele: Am Samstag sagte Gabriel der Süddeutschen
Zeitung: „Ich bin seit Langem für die Vorratsdatenspeicherung unter sehr
engen Bedingungen: Richtervorbehalt, relativ kurze Speicherfristen und
Einsatz nur bei besonders schweren Straftaten. All das war im alten Gesetz
von CDU/CSU und FDP nicht enthalten, deshalb war es auch
verfassungswidrig.“
Interessant ist, dass Gabriel glaubt, das alte Gesetz zur
Vorratsdatenspeicherung stamme von Union und FDP. Es wurde 2008 von der
Großen Koalition aus Union und SPD beschlossen. Federführend war die
SPD-Justizministerin Brigitte Zypries.
Auch bei den Gründen, warum dieses Gesetz 2010 vom Bundesverfassungsgericht
gekippt wurde, liegt Gabriel teilweise daneben. So wurde die damals
sechsmonatige Speicherfrist vom Bundesverfassungsgericht gar nicht
beanstandet. Einen Richtervorbehalt hält Karlsruhe zwar für erforderlich,
aber daran scheiterte das alte Gesetz nicht, denn es sah bereits einen
Richtervorbehalt vor.
Eine Woche zuvor argumentierte Gabriel im Deutschlandfunk ganz ähnlich:
„Wir haben damals einen Parteitagsbeschluss gehabt – 2011 im Dezember –,
der übrigens mit relativ großer Mehrheit gefasst wurde, weil wir gesagt
haben: ’Achtung, das, was derzeit in Deutschland an Rechtslage ist, ist
verfassungswidrig!‘ Und wir haben die damalige Bundesregierung – CDU/CSU
und FDP – sehr davor gewarnt. Das ist uns damals nicht geglaubt worden,
hinterher ist das Gesetz vor dem Verfassungsgericht gescheitert.“
## Gabriel verweist auf den Fall Breivik
Wieder erweckt Gabriel den falschen Eindruck, das alte Gesetz sei von
Schwarz-Gelb beschlossen worden. Aber auch sonst ist er zeitlich etwas
desorientiert. Der Parteitagsbeschluss 2011 kam nicht vor dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts, sondern über ein Jahr danach. Das
Bundesverfassungsgericht griff also nicht die Kritik der SPD auf. Vielmehr
forderte die SPD erst dann eine strengere Regelung der
Vorratsdatenspeicherung, als Karlsruhe das alte SPD/Unions-Gesetz bereits
für verfassungswidrig erklärt hatte.
Außerdem argumentiert Gabriel im Deutschlandfunk mit den Erfahrungen aus
Norwegen: Die Vorratsdatenspeicherung könne „durch eine schnellere
Aufdeckung von Straftaten helfen, die nächste Straftat zu verhindern. Das
ist die Erfahrung gewesen der Norweger bei dem Attentat von Herrn Breivik.“
Allerdings wurde der Rechtsradikale Anders Breivik, der 2011 in Oslo und
auf der Insel Utøya 77 Menschen tötete, nicht durch Vorratsdatenspeicherung
ermittelt. Eine Anti-Terror-Einheit nahm ihn noch auf Utøya fest –
unmittelbar bei der Tat. Außerdem gab es damals wie heute keine
Vorratsdatenspeicherung in Norwegen. Trotzdem begründet Gabriel seine
Position immer wieder mit dem Fall Breivik.
22 Mar 2015
## AUTOREN
Christian Rath
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Hans-Peter Uhl
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