# taz.de -- SPD und Vorratsdatenspeicherung: Erklären, glätten, verkaufen | |
> SPD-Chef Gabriel wirbt für das umstrittene Projekt. Damit brüskiert er | |
> die parteiinternen Kritiker. Allen voran seine eigene Generalsekretärin. | |
Bild: In der SPD bestimmt ein Mann den Kurs: Er steht rechts im Bild. | |
BERLIN taz | Neben Yasmin Fahimi steht im Berliner Willy-Brandt-Haus ein | |
hübsches Plakat. Eine lachende Frau umarmt zwei Kinder, darunter steht: | |
„Wonder Woman“. Wunderfrau deshalb, weil sie alleinerziehend sei, erklärt | |
Fahimi. „Alleinerziehende sind Heldinnen des Alltags für die SPD.“ | |
Eine Heldin des Alltags der SPD? Das ist Fahimi nicht selten selbst. Als | |
Generalsekretärin muss sie die inneren Widersprüche der Sozialdemokratie | |
erklären, glätten und verkaufen. Und sich dabei manchmal unauffällig selbst | |
korrigieren. Nachdem sie die Kampagne am Montag skizziert hatte, stellten | |
die Journalisten kritische Fragen. Es ging nicht mehr um Alleinerziehende, | |
sondern um einen Dauerbrenner der Koalition: die umstrittene | |
Vorratsdatenspeicherung. | |
Es gebe eine neue Situation, weil die EU keine Richtlinie mehr erlassen | |
werde, sagte sie. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister | |
Heiko Maas (SPD) seien nun gefordert, eine „juristisch sichere Vorlage zu | |
erstellen“, betonte Fahimi. „Ich bin zuversichtlich. Sie werden eine gute | |
Grundlage finden.“ Das klang ungewohnt optimistisch für Fahimi. | |
Die Generalsekretärin, so viel wurde deutlich, ist nicht mehr grundsätzlich | |
gegen eine Vorratsdatenspeicherung. Das ist eine sanfte Korrektur. Bisher | |
hatte die SPD-Generalsekretärin eine solche Datenspeicherung als tiefen | |
Eingriff in die Rechte der Bürger bezeichnet und vor einem Schnellschuss | |
gewarnt. | |
## Ein sanfter Schwenk | |
Die Lage sortiert sich in der SPD gerade neu. Während Fahimi, | |
Justizminister Maas und Parteilinke wie SPD-Vize Ralf Stegner keinerlei | |
Sympathie für dieses Projekt haben, ist Sigmar Gabriel dafür. Und der | |
Parteichef nimmt immer weniger Rücksicht auf die internen Kritiker. | |
Am Wochenende hatte er ungewöhnlich klar für die Vorratsdatenspeicherung | |
geworben, was – auch – eine Zurechtweisung war. „Ich bin der Überzeugung, | |
wir brauchen das, ich weiß aber, dass das hochumstritten ist“, sagte | |
Gabriel dem Deutschlandfunk. Sonntags telefonierte er dann mit Fahimi, die | |
sich montags plötzlich moderat gab. | |
Die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten bei den Providern | |
für eine bestimmte Zeit ist ein Lieblingsprojekt der Union. CDU, CSU und | |
Sicherheitsbehörden erhoffen sich davon Vorteile bei der Terrorbekämpfung. | |
Der Europäische Gerichtshof hatte 2014 eine EU-Richtlinie über die | |
verdachtslose Speicherung von Telefon- und Internetdaten gekippt. | |
Die Richter bewerteten die Speicherung nicht grundsätzlich als unzulässig. | |
Allerdings mahnten sie einen hohen Datenschutz und klar umrissene | |
Zugriffsmöglichkeiten für Behörden an. Die EU-Kommission hat sich von der | |
Idee einer europaweiten Regelung inzwischen verabschiedet. Die | |
Mitgliedsstaaten können allerdings nationale Gesetze erlassen, sofern sie | |
den Vorgaben der Richter entsprechen. | |
## "Ein verlorener Tag" | |
Genau das tut die Regierung bereits. Justizminister Maas hat die undankbare | |
Aufgabe, zusammen mit de Maizière einen Entwurf auszuarbeiten. Der eine hat | |
seine Truppen hinter sich, mehrere CDU-Politiker lobten Gabriels Vorstoß. | |
„Jeder Tag ohne die Vorratsdatenspeicherung ist für die Sicherheit der | |
Menschen in diesem Land ein verlorener Tag“, sagte etwa | |
Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl am Montag. | |
Maas hat es schwerer. Er arbeitet gegen seine Skepsis und die der | |
SPD-Kritiker, und er muss damit leben, dass Gabriel seine Wünsche bei dem | |
Thema offenherzig kommuniziert. Wann beide Minister eine Vorlage liefern, | |
ist offen. Maas’ Sprecher sagte, sein Haus bewerte Aussagen des | |
Vizekanzlers nicht. Die Gespräche mit dem Innenministerium seien „gut und | |
konstruktiv“. | |
17 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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Hans-Peter Uhl | |
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