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# taz.de -- Gabriel und die Vorratsdatenspeicherung: Tragik und Inkompetenz
> Wieder ein Fauxpas: Der SPD-Chef meint, die Polizei hätte die
> NSU-Mordserie mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung stoppen können.
Bild: Hält Gabriel die Vorratsdatenspeicherung für ein Allheilmittel?
FREIBURG taz | Sigmar Gabriel kann es wohl nicht besser. Sobald der
SPD-Chef etwas über die von ihm gepushte Vorratsdatenspeicherung sagt,
kommt Unfug heraus.
In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte er jüngst: „Wir sorgen
jetzt dafür, dass wir ein verfassungskonformes Gesetz machen. Hätten wir
das bereits zum Zeitpunkt der ersten NSU-Morde gehabt, hätten wir weitere
vermutlich verhindern können.“ Das Argument mit den verhinderten NSU-Morden
ist neu – und ziemlich absurd.
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden monatelang und ohne jeden Anlass die
Telefon- und Internetverkehrsdaten der gesamten Bevölkerung gespeichert.
Doch was hätte die Polizei nach den ersten NSU-Morden mit diesem
gigantischen Datenpool anfangen können?
Die ersten vier Morde an Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman
Tasköprü und Habil Kilic fanden 2000 und 2001 in Nürnberg, Hamburg und
München statt. Danach gab es eine Pause bis 2004. Dass es sich um eine
Mordserie handelte, war der Polizei bewusst, weil immer dieselbe
Ceska-Pistole benutzt wurde. Mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung hätte
man nun prüfen können, mit wem die Ermordeten in den Monaten zuvor Kontakt
hatten.
Auf die mutmaßlichen NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wäre die
Polizei dabei aber kaum gestoßen. Glaubt Gabriel etwa, die NSU-Mörder
hätten vor den Morden bei ihren Opfern angerufen, um mit ihnen über
Rassefragen zu diskutieren?
## Ein Allheilmittel?
Die Tragik und Inkompetenz der Ermittlungen zur Ceska-Mordserie lag darin,
dass man das Motiv jahrelang fast ausschließlich bei einer angeblichen
Türkenmafia suchte. Diese grundfalsche Weichenstellung hätte durch keine
noch so umfassende Vorratsdatenspeicherung verhindert werden können.
Hält Gabriel die Vorratsdatenspeicherung für ein Allheilmittel? Hat er
keine Ahnung von den NSU-Morden? Oder beides?
Es ist nicht der erste Fauxpas Gabriels in Sachen Vorratsdatenspeicherung.
So argumentierte er wiederholt mit den Erfahrungen aus Norwegen: Die
Vorratsdatenspeicherung könne „durch eine schnellere Aufdeckung von
Straftaten helfen, die nächste Straftat zu verhindern. Das ist die
Erfahrung gewesen der Norweger bei dem Attentat von Herrn Breivik“, so
Gabriel jüngst im Deutschlandfunk.
Allerdings ist der Rechtsradikale Anders Breivik, der 2011 in Oslo und auf
der Insel Utøya 77 Menschen tötete, nicht durch eine
Vorratsdatenspeicherung ermittelt worden, sondern auf frischer Tat
festgenommen worden. Außerdem gab es damals gar keine
Vorratsdatenspeicherung in Norwegen – es gibt sie bis heute nicht.
6 Apr 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Sigmar Gabriel
Vorratsdatenspeicherung
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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Vorratsdatenspeicherung
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