# taz.de -- Nach dem Germanwings-Crash: Bessere Daten, bessere Überwachung | |
> Der Innenminister prüft die Wiedereinführung der Ausweispflicht auf | |
> EU-Flügen. Das zeigt, wie absurd die geplante Fluggastdatenspeicherung | |
> ist. | |
Bild: Wäre der Absturz mit mehr Datenspeicherung nicht passiert? | |
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will „ernsthaft überlegen“, ob auf | |
inner-europäischen Flügen wieder [1][Ausweiskontrollen] eingeführt werden, | |
denn man wisse nicht, wer in einem Flugzeug sitze. Das sei ein „riesiges | |
Sicherheitsproblem“, so de Maizière zur Bild-Zeitung. Wohl unabsichtlich | |
zeigt der Vorschlag die Absurdität der geplanten fünfjährigen | |
EU-Vorratsspeicherung für Fluggastdaten. | |
Anlass für de Maizières Vorschlag war der Absturz des Germanwings-Flug in | |
der vergangenen Woche. Nach dem Crash habe man „bei allen Passagieren und | |
der Crew überprüft, ob sie uns als Gefährder bekannt sind – weil wir wissen | |
wollten, ob es sich um einen Terroranschlag handelt.“ | |
Dabei mussten die Behörden feststellen, dass zunächst gar nicht klar war, | |
wer überhaupt in dem Flugzeug saß. Im Schengen-Raum, zu dem die meisten | |
EU-Staaten gehören, werde nämlich die Identität der Flugpassagiere nicht | |
mehr systematisch kontrolliert. „Wenn ein Passagier sein Ticket an jemand | |
anderen abtritt, wird nur der Name des ersten Passagiers erfasst“, | |
kritisierte der Innenminister. | |
Wie relevant das Problem in der Praxis tatsächlich ist, weiß das | |
Innenministerium allerdings nicht. Es hat keine Informationen, wie viele | |
der 150 Toten aus dem Germanwings-Flug ein Ticket mit einem anderen Namen | |
nutzten. | |
## Die geplante Datenspeicherung ist rechtswidrig | |
Mit der Flugsicherheit beim konkreten Flug hat der Vorschlag ohnehin wenig | |
zu tun. Bisher dürfen selbst sogenannte „Gefährder“ nicht am Betreten ein… | |
Flugzeugs gehindert werden. Es gibt in Deutschland noch keine „no | |
fly“-Listen nach amerikanischem Vorbild. | |
Für die konkrete Flugsicherheit sorgt vielmehr eine rigide Kontrolle aller | |
Fahrgäste vor dem Abflug. Ohne Schere und Teppichmesser ist auch ein | |
terrorgeneigter Islamist nicht akut gefährlich. Für diese Kontrollen ist | |
die Identität des Fluggasts irrelevant. | |
De Maizière will wissen, wer wann wohin fliegt. Dazu ist natürlich | |
erforderlich, die Identität des Fluggastes zu erfassen. Der Vorschlag des | |
Innenministers erinnert an die Fluggastdatenspeicherung, über deren | |
Einführung auf EU-Ebene derzeit diskutiert wird. Fünf Jahre lang soll unter | |
anderem gespeichert werden, wer wann mit wem wohin geflogen ist und dabei | |
mit welcher Kreditkarte bezahlt hat. So sollen nicht nur Anschläge leichter | |
aufgeklärt werden können, die Behörden wollen anhand der Reisedaten auch | |
bisher unverdächtige Personen als „Gefährder“ identifizieren. | |
Das Vorhaben ist zwar ohnehin unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig. | |
Der aktuelle Hinweis von de Maizière macht zudem deutlich, wie wenig | |
aussagekräftig die Daten sind. Wenn nur die ungeprüften Daten der | |
Fluggesellschaften und Reisebüros gespeichert werden, dann kann sich ein | |
Fluggast, der nicht erfasst werden will, der Überwachung leicht entziehen. | |
## Das Problem sind nicht falsche Daten | |
Laut Innenministerium zielt de Maizières Vorschlag aber gar nicht auf eine | |
Verschärfung der geplanten Fluggastdatenspeicherung ab. Er will also | |
offensichtlich nicht die komplizierten Verhandlungen zwischen | |
EU-Kommission, EU-Parlament und nationalen Regierungen belasten. | |
Es liegt aber auf der Hand, dass die Kritik an den ungeprüften Daten | |
schnell wieder zu hören sein wird, sobald die Fluggastdatenspeicherung erst | |
einmal eingeführt ist. Wahrscheinlich wird das dann als bürgerfreundliche | |
Maßnahme verkauft: Es soll ja niemand durch falsche Daten in Verdacht | |
geraten. | |
Das Problem der Fluggastdatenspeicherung sind aber nicht die möglicherweise | |
falschen Daten, der zentrale Fehler ist ihr grundlegendes Konzept. Sie ist | |
eine unnötige Vorratsdatenspeicherung, die für fragwürdige | |
kriminalpolitische Experimente genutzt werden soll. | |
Alle Fluggäste daraufhin zu überprüfen, ob sie vielleicht verdächtig sein | |
könnten, ist überflüssig und bindet unnnötig Kräfte der Polizei. | |
Schließlich muss jeder vermeintliche Treffer auch überprüft werden. Die | |
Polizei hat genug damit zu tun, die bekannten islamistischen Gefährder zu | |
überwachen. Unbescholtene Fluggäste sollte man einfach in Ruhe lassen. | |
2 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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