# taz.de -- Nach dem Germanwings-Crash: Das Bundesamt wusste nichts | |
> Flugmediziner müssen bei schwerer Krankheit die Aufsichtsbehörde | |
> einschalten. Das Luftfahrtbundesamt hatte keine Informationen über eine | |
> Depression. | |
Bild: An der Absturzstelle ist ein Teil der Bergungsarbeiten eingestellt worden. | |
BERLIN dpa | Der Absturz der Germanwings-Maschine auf dem Flug 4U9525 wirft | |
weiter Fragen auf. Das Luftfahrtbundesamt (LBA) wusste nach eigener | |
Darstellung vor der Katastrophe mit 150 Toten nichts über die medizinische | |
Vorgeschichte des Copiloten: Man sei vom Flugmedizinischen Zentrum der | |
Lufthansa nicht „über die abgeklungene schwere Depressionsphase“ bei | |
Andreas L. informiert worden, teilte die Aufsichtsbehörde der Welt am | |
Sonntag mit – das Statement liegt auch der Deutschen Presse-Agentur vor. | |
Ein Sprecher der Germanwings-Mutter Lufthansa betonte, das Unternehmen | |
komme seinen Informationspflichten gegenüber dem LBA nach. | |
Die Bergungsarbeiten an der Absturzstelle in den französischen Alpen | |
konzentrieren sich inzwischen auf die Habseligkeiten der Opfer. Andere | |
Arbeiten wurden weitgehend eingestellt. | |
Das Luftfahrtbundesamt hatte nach eigenen Angaben bis zur Akteneinsicht | |
beim Flugmedizinischen Zentrum der Lufthansa nach dem Absturz „keinerlei | |
Informationen“ über die medizinischen Hintergründe bei L. Wie die Welt am | |
Sonntag unter Berufung auf eine EU-Verordnung berichtete, müssen | |
Flugmediziner in Fällen schwerer Krankheiten wie Depressionen das LBA als | |
Aufsichtsbehörde einschalten – allerdings gelte dies erst seit April 2013. | |
L. hatte 2009 als Flugschüler seine Lufthansa-Verkehrsfliegerschule über | |
eine „abgeklungene schwere depressive Episode“ informiert, wie die | |
Germanwings-Mutter am Dienstag (31. März) einräumte. Seit Inkrafttreten der | |
neuen Verordnung unterzog sich der Copilot nach Informationen der Welt am | |
Sonntag noch zwei Tauglichkeitsprüfungen – im Sommer 2013 und im Jahr 2014. | |
## Dias Vorgehen habe der Rechtslage entsprochen | |
Die Lufthansa wollte sich auch auf Anfrage der dpa nicht näher zu diesen | |
Prüfungen und dem Zeitungsbericht äußern. „Bitte haben Sie Verständnis | |
dafür, dass wir derzeit keine weiteren Erklärungen zu dem konkreten Fall | |
abgeben können, weil wir den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf | |
nicht vorgreifen wollen“, teilte ein Sprecher am Sonntag mit. | |
Wie das Bundesamt mitteilte, wurde in L. Fall das Flugtauglichkeitszeugnis | |
2009 vom Flugmedizinischen Zentrum der Lufthansa (Aeromedical Center, AMC) | |
in Frankfurt ausgestellt und dem LBA übermittelt. Dieses Vorgehen habe der | |
Rechtslage entsprochen, erklärte das LBA. Bei der Katastrophe vom 24. März | |
besaß L. nach früheren Lufthansa-Angaben „ein voll gültiges | |
Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1“. | |
Nach Spiegel-Informationen durchsuchten Ermittler in der vergangenen Woche | |
mehrere Arztpraxen, die der Copilot konsultiert haben soll. „Weiterhin | |
wurden heute 5 Arztpraxen, die von dem Kopiloten aufgesucht wurden, | |
durchsucht und die Krankenakten des Kopiloten sichergestellt“, zitiert das | |
Magazin aus einer Zusammenfassung der Ergebnisse. | |
Der 27-jährige Andreas L. wird verdächtigt, den Kapitän des Fluges 4U9525 | |
ausgesperrt und die Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf | |
absichtlich zum Absturz gebracht zu haben. Am Wochenende waren erneut | |
Angehörige der Opfer in der Unglücksregion eingetroffen. Die meisten der | |
150 Getöteten stammten aus Deutschland und Spanien. | |
## Arbeiten an der Unfallstelle | |
Die Unfallstelle in den französischen Alpen werde weiter gesichert, teilte | |
die Präfektur am Sonntag mit. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in | |
Marseille wurden zahlreiche Handys gefunden. In der kommenden Woche soll | |
damit begonnen werden, große Wrackteile von der Unglücksstelle | |
abzutransportieren. Für schweres Bergungsgerät hatten die französischen | |
Verantwortlichen eigens einen improvisierten Weg für Geländefahrzeuge zu | |
dem sonst nur zu Fuß oder per Hubschrauber erreichbaren Ort präparieren | |
lassen. | |
Die Katastrophe beschäftigte auch viele Kirchenvertreter in ihren | |
Osterpredigten. Der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann rief dazu auf, | |
den Glauben im Alltag trotz Unglücken und Krisen nicht zu verlieren. Oft | |
sei es schwer, daran festzuhalten, etwa im Hinblick auf den Absturz des | |
Germanwings-Flugzeugs. Der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, | |
Manfred Rekowski, sagte: „Trotz allem bleiben uns nur hilflos wirkende | |
Worte, Taten, Gesten – und fragend klagende Gebete.“ | |
Nachdem es bei einer anderen Germanwings-Maschine auf der Flugroute | |
Köln-Venedig zu einem Zwischenfall gekommen war, beschäftigten sich | |
Experten weiter mit der Fehlersuche. Die Inspektion der Maschine, die am | |
Samstag außerplanmäßig auf dem Stuttgarter Flughafen landete, dauerte nach | |
Germanwings-Angaben vom Sonntag an. Die Instrumente im Cockpit des Airbus | |
vom Typ A319 hatten einen Ölverlust angezeigt, ein Triebwerk wurde | |
abgeschaltet. Der Kapitän entschied daraufhin, die Maschine in Stuttgart | |
aufzusetzen und die Warnung überprüfen zu lassen. Die 123 Passagiere | |
blieben unverletzt und konnten ihre Reise in einem Ersatzflugzeug | |
fortsetzen. | |
5 Apr 2015 | |
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