# taz.de -- EU-Sondergipfel zu Flüchtlingshilfe: Das Militär, dein Retter | |
> Beim Krisengipfel in Brüssel wird die umstrittene „Triton“-Mission im | |
> Mittelmeer massiv aufgestockt. Angela Merkel verkauft das als humanitäre | |
> Aktion. | |
Bild: „Triton“ verlangt keine proaktive Suche nach havarierten Booten. – … | |
BRÜSSEL taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel kann auch anders. Während sie | |
bei den EU-Gipfeln zur Eurokrise gern die eiserne, unnachgiebige Lady | |
markiert, präsentierte sie sich beim Sondergipfel zur Flüchtlingskrise am | |
Donnerstagabend in Brüssel als mitfühlende Politikerin. | |
Die Rettung von Menschenleben stehe „an allererster Stelle“, sagte Merkel | |
nach dem gut fünfstündigen Krisentreffen. „Die Tragödien im Mittelmeer | |
sollen sich nicht wiederholen, dafür arbeiten wir jetzt an einer | |
Gesamtstrategie.“ Es gehe darum, „unsere Werte zu leben“ und ähnliche | |
Katastrophen zu verhindern, bei denen zuletzt schätzungsweise 1.000 | |
Flüchtlinge ertrunken waren. | |
Dreimal mehr Geld für die Rettung – jährlich rund 120 Millionen Euro – wi… | |
die EU künftig aufbringen. Wenn nötig, sei Deutschland auch bereit, mehr zu | |
zahlen, betonte Merkel in Brüssel. Die Summe entspreche ungefähr dem | |
Budget, das der erfolgreichen italienischen Rettungs-Mission „Mare Nostrum“ | |
zur Verfügung stand, die rund 100.000 Boat People vor dem Ertrinken | |
bewahrte. | |
Nur: „Mare Nostrum“ wird eben nicht neu aufgelegt. „Niemand hat das | |
gefordert“, behauptete Merkel auf Nachfrage der taz. Die zusätzlichen | |
Finanzmittel sollen vielmehr in die umstrittene EU-Mission „Triton“ | |
fließen, bei der die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Grenzen Italiens | |
sichert. Im Vordergrund steht die „Präsenz auf See“, wie auch die | |
Gipfelerklärung betont. | |
## Ob der Einsatzradius ausgeweitet wird, ist unklar | |
Das deutet vor allem auf Abschreckung hin. Und tatsächlich: Das | |
Einsatzmandat von „Triton“ wird nicht geändert. Es verlangt keine proaktive | |
Suche nach havarierten Booten, sondern Hilfe nach internationalem Recht, | |
wenn Schiffe in Seenot in der Nähe sind. Wie weit der Einsatzradius dieser | |
Aktion ausgeweitet wird, bleibt nach dem Gipfel unklar. | |
Alles andere als humanitär wirken auch die Boote, die bei der Rettung zum | |
Einsatz kommen sollen. Es geht vor allem um Militärschiffe – Großbritannien | |
bot drei, Deutschland zwei an. Unklar ist, wo die geretteten Flüchtlinge | |
bleiben sollen. Der britische Premier David Cameron machte klar, dass sein | |
Hilfsangebot nur gelte, wenn die Flüchtlinge nach Italien gebracht werden – | |
und eben nicht nach Großbritannien. | |
Cameron und sein französischer Amtskollege François Hollande haben zudem | |
betont, dass es nicht bei der Rettung Schiffbrüchiger bleiben soll. | |
Hollande fordert vielmehr einen Militäreinsatz mit dem Ziel, von | |
Schleuserbanden genutzte Schiffe zu identifizieren und zu zerstören, bevor | |
sie zum Transport von Flüchtlingen genutzt werden können. | |
Haupteinsatzort soll die Küste Libyens sein. Niemand habe sich bei der | |
westlichen Militärintervention im Jahr 2011 Gedanken gemacht, was aus dem | |
nordafrikanischen Land werde, sagte Hollande. „Es geht also darum, die | |
Fehler der Vergangenheit zu beseitigen“, betonte der Sozialist. Das war ein | |
Seitenhieb auf seinen konservativen Rivalen Nicolas Sarkozy, der bei der | |
Präsidentschaftswahl 2017 erneut antreten will. | |
## „Das reicht nicht aus“ | |
Doch wie die Lage in Libyen stabilisiert werden soll, ließen die EU-Chefs | |
in Brüssel offen. Vage bleibt auch das Versprechen, ein Pilotprojekt zur | |
dauerhaften Aufnahme von Flüchtlingen zu starten. Der Gipfel legte sich | |
nicht einmal auf eine Zahl fest: Die zunächst geplanten 5.000 „reichen | |
nicht aus“, räumte Merkel ein - doch die von der EU-Kommission geforderten | |
10.000 waren vielen EU-Lenkern dann doch wohl zu viel. | |
Völlig unklar ist zudem, welche Länder die Flüchtlinge aufnehmen sollen. In | |
Deutschland und Schweden gebe es kaum noch Spielraum, betonte die | |
Kanzlerin. Beide Länder hätten jetzt schon 45 Prozent aller Asylbewerber | |
aufgenommen; zusammen mit Frankreich, Italien und Ungarn komme man schon | |
auf rund 75 Prozent. Doch außer dem winzigen Luxemburg meldeten sich keine | |
Freiwilligen. | |
Gar kein Thema bei diesem Sondergipfel war die Schaffung von legalen | |
Einreisewegen nach Europa, wie sie etwa die Grünen im Europaparlament | |
fordern. Das Thema ist wohl zu heiß: In Frankreich steht die Regierung von | |
François Hollande durch den rechtsextremen „Front National“ unter Druck. In | |
Großbritannien wird im Mai gewählt; dort hetzt sogar Premier Cameron ganz | |
offiziell gegen Einwanderer. | |
„Niemand hat irgendwelche Illusionen, dass wir das Problem heute lösen | |
können“, dämpfte EU-Gipfelchef Donald Tusk die Erwartungen. Die heiklen | |
Fragen wurden denn auch vertagt – auf den nächsten, regulären EU-Gipfel im | |
Juni. | |
24 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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