# taz.de -- Kommentar zur EU-Flüchtlingspolitik: Der Krieg gegen die Schlepper | |
> Schlepper sind die neuen Feinde der EU-Politiker. Doch Investitionen in | |
> Frontex sind sinnlos, nur humanitäre Visa und legale Fähren helfen | |
> wirklich. | |
Bild: In einem Flüchtlingslager in Libyen. Wann gehen die EU-Grenzen auf? | |
Die Staatschefs der Europäischen Union haben einen neuen Feind: den | |
Schlepper. Diese „Verbrecher“ opferten aus Profitgier massenhaft | |
Menschenleben, empört sich Innenminister de Maizière, „Sklavenhandel“ sei | |
das, so der italienische Regierungschef Renzi. Also müssen die Boote der | |
Schlepper zerstört werden, so der neue Plan der EU, um die Flüchtlinge zu | |
schützen. Sogar in den Herkunftsländern will man nun mit Waffen gegen sie | |
vorgehen. | |
Keine Frage: Schlepper schicken zum Teil skrupellos Menschen ins Verderben, | |
um daran zu verdienen. Zugleich aber sind sie für viele Flüchtlinge die | |
einzige Hoffnung. Auch der Fluchthelfer, der DDR-Bürger per Auto in den | |
Westen schmuggelte, war ein Held. Auch damals floss Geld. | |
Schlepper folgen dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage, nach | |
Europa zu kommen, ist groß – und weil die EU die Möglichkeiten dafür immer | |
weiter einschränkt, blüht der Schwarzmarkt der Schleuser. Der nun | |
diskutierte 10-Punkte-Plan, der vor allem militärische Reaktionen vorsieht, | |
ist inakzeptabel. Und er wird nicht funktionieren: Es ist aussichtslos, in | |
einem Hunderttausende Quadratkilometer großen Seegebiet vor Libyen, also | |
einem zerfallenden Staat, die Boote zu finden, die Schleppern gehören. | |
Das Prinzip gleicht dem, das noch immer beim Krieg gegen Drogen angewandt | |
wird: Eine illegale Industrie wird bekämpft, indem eine legale allererst | |
geschaffen und massiv subventioniert wird. In den USA ist es die | |
Antidrogenbehörde DEA, in Europa Frontex. | |
Dass die Not dadurch gelindert werden könnte, ist ein Mythos: Menschen | |
werden weiter flüchten, solange das ihre einzige Chance auf Zukunft ist. | |
Mit humanitären Visa und Fähren, die legale Wege in die EU eröffnen, würde | |
Schleppern die Geschäftsgrundlage entzogen, ihr Markt würde schrumpfen. Das | |
wäre eine weit sinnvollere Investition als die in Frontex. | |
Der EU geht es nur vordergründig um Schlepper – ihr eigentlicher Feind | |
bleibt der Flüchtling. Dabei auch noch von Rettung zu sprechen, ist | |
zynisch. Denn die Flüchtlinge sterben nicht, weil es Schlepper gibt – | |
sondern wegen der immer weiter militarisierten Abschottungspolitik der EU. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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