# taz.de -- Europäische Flüchtlingspolitik: Proteste gegen Frontex | |
> Militärischer Einsatz gegen Schlepper: Bei einem Auftritt in Berlin wird | |
> Frontex-Chef Rösler von Protestierenden empfangen – und attackiert. | |
Bild: Klaus Rösler sieht sich in Berlin Aktivisten gegenüber. | |
BERLIN taz | Hunderte Demonstranten haben am Mittwoch in Berlin gegen einen | |
Auftritt des Operatividrektors der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, | |
Klaus Rösler, protestiert. Auf Einladung der Schwarzkopf-Stiftung sollte | |
Rösler einen Vortrag zum Thema „Wie funktioniert die europäische | |
Grenzsicherung?“ halten. Polizisten mussten ihn mit Gewalt den Weg durch | |
eine aufgebrachte Menge bahnen, Demonstranten bewarfen Rösler und das | |
Stiftungsgebäude mit Farbbeuteln und Marmelade. | |
Es war der erste öffentliche Auftritt eines hohen Frontex-Beamten, seitdem | |
seit der vergangenen Woche über Tausend Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken | |
waren. Rösler ist unter anderem zuständig für die Grenzschutzoperation | |
Triton vor Italien. Am 10. Dezember hatte er die italienische Regierung per | |
Brief aufgefordert, Notrufe außerhalb der eigenen Rettungszone künftig an | |
Libyen zu verweisen. | |
Erst kurz zuvor hatte Frontex in einem Konzeptpapier festgestellt, dass | |
Rettungseinsätze nahe Libyen Flüchtlinge und MigrantInnen „ermutigen“ | |
würden, die Überfahrt anzutreten. Rösler ist seit 2008 Direktor der | |
Abteilung „Einsatzangelegenheiten“ von Frontex. Vorher war er in | |
verschiedenen Positionen beim deutschen Bundesgrenzschutz tätig. | |
Obwohl Frontex immer wieder klargestellt hat, kein Mandat für Seenotrettung | |
zu haben, will die EU als Reaktion auf die Schiffskatastrophen vor allem | |
die Frontex-Operationen ausweiten. Vor dem heutigen Gipfel der EU-Staats- | |
und Regierungschefs zum Flüchtlingssterben gab es deshalb am Mittwoch in | |
ganz Europa Protestaktionen gegen die EU-Flüchtlingspolitik. An der | |
britischen Nordseeküste legten sich hunderte Demonstranten in schwarze | |
Plastiksäcke, die rot-rote Landesregierung in Thüringen ordnete | |
Trauerbeflaggung an. | |
## Transitländer im Blick | |
Unterdessen machen EU-Abgeordnete, darauf aufmerksam, dass die | |
Beschlussvorlage für den heutigen Gipfel von dem 10-Punkte-Plan abweicht, | |
den die Kommission am Dienstag präsentierte. Transitländer wie Sudan und | |
Mali sollen in den europäischen Grenzschutz integriert werden und | |
Flüchtlinge aufhalten. Frontex soll ein neues Projekt zur schnelleren | |
Abschiebung von Arbeitsmigranten starten. | |
Vor allem aber bekräftigt die EU ihre Absicht, mit Waffengewalt gegen | |
Schlepper vorzugehen. Potentielle Schlepperboote sollen schon identifiziert | |
und zerstört werden, noch bevor sie von Schleppern eingesetzt werden, heißt | |
es in dem der taz vorliegenden Papier. Die Vorbereitungen für diese | |
Operationen sollen demnach „sofort“ beginnen. | |
Die grüne EU-Abgeordnete Ska Keller nennt die Pläne ein | |
„Flüchtlingsverhinderungsprogramm“, mit dem die Staats- und Regierungschefs | |
das Recht auf Asyl konterkarieren. „Will die EU jetzt einen Krieg gegen | |
Flüchtlinge führen?“, fragt Keller und warnt vor dem Einsatz militärischer | |
Gewalt. | |
Auch Amnesty International kritisierte das neue Flüchtlingskonzept der | |
Europäischen Union. „Die Pläne, welche die Staats- und Regierungschefs auf | |
ihrem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel beraten, sind allein motiviert | |
von Sicherheitspolitik und Kriminalitätsbekämpfung und nicht von | |
Menschenrechtspolitik“, sagte die Direktorin des EU-Büros von Amnesty, | |
Iverna McGowan. Es handele sich um einen „rein militärischen Ansatz“ und | |
nicht um einen angemessene Flüchtlingspolitik. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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