| # taz.de -- UNHCR-Vertreter über Flüchtlingspolitik: „Wir haben so viel Zei… | |
| > Es ist offen, ob die EU mit ihrem Zehn-Punkte-Plan richtige Antworten auf | |
| > die Schiffskatastrophen im Mittelmeer gibt, sagt der UNHCR-Vertreter | |
| > Vincent Cochetel. | |
| Bild: UNHCR-Lager für syrische Flüchtlinge in Jordanien. | |
| taz: Die EU hat am Dienstag einen Zehn-Punkte-Plan gegen das Sterben im | |
| Mittelmeer präsentiert. Sind Sie zufrieden? | |
| Vincent Cochetel: Einige Sorgen, die wir zum Ausdruck gebracht haben und | |
| Vorschläge, die wir gemacht haben, finden sich in dem Papier wieder. Die | |
| Verstärkung der Frontex-Missionen Triton und Poseidon ist dann richtig, | |
| wenn auch das Operationsgebiet vergrößert wird. Es ist allerdings offen | |
| geblieben, in welchem Umfang dies geschehen soll. Werden die Boote auch | |
| innerhalb libyscher Gewässer präsent sein? | |
| Die EU spricht davon, Schlepper bekämpfen zu wollen. Hieße das nicht, die | |
| Reste des libyschen Staates anzugreifen – schließlich sind die Schlepper, | |
| soweit bekannt, eng mit den machthabenden Milizen verbunden? | |
| Einige der Boote sind in den Händen von Menschen mit Uniformen. Aber keiner | |
| weiß, wer sie sind und auf wessen Kommando sie hören. | |
| Vorgesehen ist auch eine engere Kooperation mit den Ländern Nordafrikas. | |
| Schon lange gibt es Überlegungen, Teile des europäischen | |
| Flüchtlingsschutzes dort anzusiedeln - etwa Asylverfahrenslager. Was halten | |
| Sie hiervon? | |
| Das ist ganz sicher keine schnelle Lösung. Es wäre ein sehr weiter Weg, | |
| bevor Kooperationen möglich sind, die im Einklang mit internationalem Recht | |
| stehen. Solche Projekte in Libyen zu starten ist ausgeschlossen, dort ist | |
| das Leben der Menschen ist in Gefahr. Andere Staaten bräuchten sehr | |
| weitgehende Hilfen. In Tunesien ist die Erinnerung an Choucha | |
| ...ein 2011 errichtetes Lager für Flüchtlinge aus Libyen... | |
| noch sehr wach. Selbst die vom UNHCR als schutzbedürftig identifizierten | |
| Flüchtlinge sind jahrelang da geblieben, weil Europa nur wenige | |
| Aufnahmeplätze bereit gestellt hat. Die meisten hat am Ende die USA | |
| genommen. | |
| Die EU will Beamte nach Südeuropa schicken, die die Asylverfahren dort | |
| beschleunigen. Was könnte das bringen? | |
| Rund die Hälfte aller ankommenden Bootsflüchtlinge sind schutzbedürftig, | |
| die anderen sind Arbeitsmigranten. Aber alle warten oft zwei bis drei | |
| Jahre, bevor es eine Entscheidung gibt, was mit ihnen geschehen soll. | |
| Dieser Zustand ist nicht tragbar. | |
| Bislang wurden praktisch alle geretteten Flüchtlinge allein Italien | |
| aufgebürdet. Welche Alternative gibt es dazu? | |
| Nach meinem Verständnis des EU-Kommuniqués gibt es keine Klarheit, wohin | |
| die Flüchtlinge künftig gebracht werden. Aber da Italien das nächstgelegene | |
| Land ist, werden sie erstmal wohl weiter dorthin gebracht werden. | |
| Wäre das nicht die Gelegenheit, endlich einen europäischen | |
| Verteilungsmechanismus einzuführen und das geltende Dublin-System zu | |
| ersetzen, wie es die südlichen EU-Staaten seit langem fordern? | |
| Es ist wahr, dass es an interner EU-Solidarität mangelt. Würde das | |
| Dublin-System richtig funktionieren, würde es die Außengrenzen-Staaten | |
| überproportional stark belasten. Aber es funktioniert nicht richtig, ist | |
| sehr teuer, ineffektiv und Regelungen, die zum Beispiel | |
| Familienzusammenführungen ermöglichen, finden nicht ausreichend Anwendung. | |
| Das Dublin-System wird nicht total verschwinden, aber wir brauchen | |
| Korrekturen. | |
| Das freiwillige Pilotprojekt zur Verteilung von 5.000 Flüchtlingen, das die | |
| EU jetzt angekündigt hat, kann man wohl kaum als eine solche Korrektur | |
| werten. | |
| Vorgesehen ist, zunächst Syrer in Italien und Griechenland in dieses | |
| Programm zu nehmen. Derzeit stellen Syrer in diesen beiden Ländern oft | |
| keinen Asylantrag, sie gehen dann als irreguläre Migranten weiter nach | |
| Deutschland und Schweden. Dort versucht man sie dann wieder zurück in die | |
| zuständigen EU-Länder zu schieben. Ein solches Verteilungsprojekt hätte | |
| Pilotcharakter und könnte das Chaos vom letzten Jahr verbessern. Wir haben | |
| das seit etwa vier Monaten vorgeschlagen. Es ist sehr bedauerlich, dass wir | |
| so viel Zeit verloren haben. | |
| 21 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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