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# taz.de -- Reedereimitarbeiter über Flüchtlinge: „Das ist jetzt nur die er…
> Reeder fordern staatliche Hilfe zur Flüchtlingsrettung, weil ihre Crews
> überfordert sind. Der Hamburger Svante Domizlaff hat dazu eine klare
> Meinung.
Bild: Ein Containerschiff der CPO-Reederei im Lübecker Hafen.
taz: Herr Domizlaff, wie viele Flüchtlinge haben Seeleute Ihrer Schiffe aus
dem Mittelmeer geholt?
Svante Domizlaff: Die Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat weltweit bis
zu 120 Schiffe, da passiert fast jeden Monat etwas. In den letzten sieben
Monaten waren es im Mittelmeer rund 2.500 Menschen.
Ist das viel?
Na ja, im Winter ist ja nicht so viel los, weil einige Boote wegen des
schlechten Wetters gar nicht erst auslaufen. In der Frühlingszeit, in der
das Wetter ruhig ist, gibt es jeweils einen Schub. Das ist jetzt sozusagen
die erste Welle.
Wie erfahren Sie von einem Flüchtlingsboot in Seenot?
In der Regel ist es so, dass die International Maritime Rescue Federation,
bei der alle Notrufe eingehen, schaut, wo der Notfall ist. Über die Seite
[1][vesseltracker.com] wird dann das Schiff gesucht, das dem am nächsten
ist. Am 12. April etwa gab es einen Notfall vor der libyschen Küste, und
die Besatzung unseres Containerschiffs „Santa Giorgina“ bekam den Auftrag,
hinzufahren. Sie nahm dort dann 420 Menschen an Bord.
Welche Gründe kann es geben, nicht von der Route abzuweichen und einem
Flüchtlingsboot in Not zu helfen?
Keinen. So lange es einigermaßen zivilisierte Schifffahrt gibt, ist das
Helfen selbstverständlich.
Es gibt dokumentierte Fälle, in denen das nicht passiert ist.
Solche Fälle gibt es immer mal wieder, das ist aber Wildwest und kann
eigentlich auch nur passieren, wenn die Leute zufällig auf Schiffbrüchige
treffen und ein gewissenloser Kapitän entscheidet: Ach, das gibt nur
Scherereien, lass mal vorbeifahren. Aber in dem Augenblick, in dem der
Notfall über die Seenotleitzentrale geht oder im Sprechfunk war, ist das
dokumentiert. Dann kann sich keiner rausreden.
Wie läuft eine Rettung ab?
Ein Containerschiff hat bis zu zehn Meter hohe Bordwände. Man kann nur
Leitern und Netze hinaushängen, und dann müssen die Menschen versuchen
hochzukommen. Das ist schwierig, zumal die meisten Flüchtlinge nicht
schwimmen können. Sie sind dehydriert, unterkühlt und wollen nur raus aus
dem Wasser. Das kann chaotisch werden.
Wie wird die Besatzung auf so etwas vorbereitet?
Im April etwa waren nur 20 Mann Besatzung auf unserem Schiff, und die
Hälfte musste ja auch noch navigieren. Unsere Leute sind nicht darauf
vorbereitet, 420 Leute zu versorgen, die nicht mal alle in die Aufbauten
des Schiffs passen, sondern unter freiem Himmel abwarten müssen, bis sie an
Land können. Die Besatzung konnte aber 800 Portionen Essen ausgeben.
Ist immer so viel Essen an Bord?
Grundnahrungsmittel wie Reis und Kartoffeln sind da. Medizinische Hilfe
mussten sie zum Glück nicht leisten, das hätten sie auch gar nicht gekonnt
– außer ein bisschen Erste Hilfe. Die Menschen wurden dann in einem Hafen
an der Ostküste Siziliens abgesetzt. Und Sie können sich vorstellen, welche
sanitären Verhältnisse auf dem Schiff herrschen, wenn da 420 Menschen einen
Tag verbringen. Dafür ist so ein Schiff nicht eingerichtet.
Wie ist das für die Crew?
Die Besatzung steht unter einem irrsinnigen Stress, und es dauert eine
Weile, bis sich nach so einem Einsatz die Spannung löst. Wir haben hier in
der Reedereizentrale viele sehr berührende E-Mails, in denen sich unsere
Leute den Schrecken von der Seele schreiben. Wenn man hier darüber erzählt,
redet sich alles so leicht. Aber wenn man vor Ort ist und weiß, was für
arme Schweine das sind, die da rausgeholt werden, sieht das anders aus. Das
geht einem an die Nieren.
21 Apr 2015
## LINKS
[1] http://vesseltracker.com
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
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Flüchtlingspolitik
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