# taz.de -- EU-Asylpolitik: Verordnete Hilfsbereitschaft | |
> 40.000 Flüchtlinge sollen gerecht auf die EU-Staaten verteilt werden. | |
> Doch aus Ländern wie Frankreich oder Großbritannien kommt Widerstand. | |
Bild: Ein syrischer Flüchtling trägt sein Kind an den Strand der griechischen… | |
Brüssel taz | „Wir müssen die Solidarität endlich in die Praxis umsetzen.�… | |
Mit diesen Worten begründet EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos | |
seinen neuesten Vorstoß zur europäischen Flüchtlingspolitik. In den | |
nächsten zwei Jahren will Avramopoulos 40.000 Flüchtlinge – vor allem Syrer | |
und Eritreer – auf die EU-Länder verteilen. Die meisten davon, 8.763 | |
Personen, sollen in Deutschland landen. | |
Es ist ein Schnellschuss – und eine Notlage. Denn mit seinem Vorschlag, der | |
nur wenige Wochen nach den Schiffskatastrophen im Mittelmeer mit mehr als | |
1.000 Toten kommt, reagiert der Kommissar auf das Chaos in Italien und | |
Griechenland. Dort landen die meisten Boatpeople an. Und von dort aus | |
werden sie, oft ohne richtig erfasst zu werden, nach Deutschland oder | |
Schweden weitergeschickt. | |
Dem will der Grieche nun einen Riegel vorschieben: mit einem neuen | |
Verteilungsschlüssel, aber auch mit einem verschärften Kampf gegen | |
Schlepper und mit der systematischen Erfassung von Fingerabdrücken. Nichts | |
soll mehr hinter dem Rücken der Behörden geschehen, alle Migranten sollen | |
erfasst und nach Brüsseler Regeln verteilt werden. Solidarität durch | |
Bürokratie, sozusagen. | |
Ob das eine gute Idee ist, ist umstritten. Denn zum einen wollen viele | |
Flüchtlinge nicht in irgendein EU-Land, sondern dahin, wo sie Verwandte | |
haben oder wenigstens die Sprache verstehen. Zum anderen spielen die | |
Staaten nicht mit, jedenfalls nicht alle. Zufrieden sind eigentlich nur | |
Italien und Griechenland – und Deutschland, das ohne neue EU-Regeln einen | |
neuen, ungesteuerten Zustrom fürchtet. | |
## Unter Druck des Front National | |
„Zu einem funktionierenden Europa gehört auch eine gemeinsame | |
Flüchtlingspolitik, in der die Lasten unter den Mitgliedstaaten fair | |
verteilt werden“, sagte die Migrationsbeauftragte der Regierung, | |
Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD). „Ich würde mir wünschen, dass auch die | |
anderen Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden“, fügte sie | |
hinzu. Doch schon in Frankreich gibt es Widerstände. Deutschlands | |
wichtigstes Partnerland steht unter Druck des rechtsextremen Front National | |
und lehnt eine „Quote“ ab. | |
Dabei gehe es gar nicht um eine Quote, heißt es in Avramopoulos’ Umfeld. | |
Die Kommission wolle den Staaten weder dauerhaft ein Kontingent an | |
Flüchtlingen aufdrängen noch über die Anerkennung von Asylanträgen | |
mitentscheiden. Die Verteilung solle lediglich helfen, die Notlage zu | |
überwinden und die Solidarität zu organisieren. | |
Klappen wird dies aber nur, wenn die EU-Kommission nicht nur Frankreich, | |
sondern auch Polen und andere osteuropäische Staaten umstimmt. | |
„Verpflichtende Quoten und die Verteilung von Flüchtlingen gegen ihren | |
Willen sind keine nachhaltige Lösung der Krise“, sagte der tschechische | |
Ministerpräsident Bohuslav Sobotka am Mittwoch. Ein entschiedenes Nein kam | |
auch aus London. Großbritannien will sich nicht einmal an der Debatte | |
beteiligen. | |
## Was wird, wenn die Vorschläge scheitern? | |
Damit sie in Kraft treten können, müssten die Pläne mit qualifizierter | |
Mehrheit durch die Mitgliedstaaten angenommen werden. Damit müssten 55 | |
Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen, in denen zudem mindestens 65 Prozent | |
der EU-Gesamtbevölkerung lebt. Danach sieht es jedoch derzeit nicht aus. | |
Doch was wird, wenn die Vorschläge scheitern? Werden die Flüchtlinge dann | |
am Ende nur auf die hilfsbereiten Länder umverteilt? | |
Dazu schweigt Brüssel. Kommissar Avramopoulos und sein Chef Jean-Claude | |
Juncker betonen lieber, dass sie ihren Job gemacht und die unzureichenden | |
Vorschläge des EU-Flüchtlingsgipfels im April nachgebessert hätten. | |
Kanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen konnten sich damals noch | |
nicht einmal auf eine Zahl von Flüchtlingen einigen. Auch zur | |
Seenot-Rettung bleiben sie Antworten schuldig. | |
Die reichte nun die EU-Kommission nach: Die umstrittene Grenzschutz-Mission | |
„Triton“ im Mittelmeer wird massiv ausgeweitet. Sie soll nun dieselbe | |
Fläche erfassen wie die hoch gelobte, aber von Italien mangels Geld | |
eingestellte Initiative „Mare Nostrum“. Die Chefs waren zu dieser | |
großzügigen Geste nicht fähig gewesen. | |
27 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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