# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsquote in Europa: Der Flüchtling als Nachhilf… | |
> Ein neuer Verteilungsschlüssel soll die Bürger der EU beruhigen: Jetzt | |
> wird Migration human, alle Länder müssen ran. Das kann nur schiefgehen. | |
Bild: Ein Jugendlicher in einem Flüchtlingslager in Benghasi, Libyen (Archivbi… | |
Europa nimmt Flüchtlinge nur in homöopathischen Dosen auf. Nichtsdestotrotz | |
bemüht man sich in Brüssel um ein bisschen mehr an Gerechtigkeit, so ist es | |
ja nicht. Daher sollen diejenigen, die nicht im Mittelmeer ertrunken sind, | |
sowie diejenigen, die nicht am nagelneuen sieben Meter hohen | |
Stacheldrahtzaun an der türkisch-bulgarischen Grenze hängen geblieben sind, | |
oder diejenigen, die nicht in den Wäldern rund um die spanische Exklave | |
Melillla verrecken, also die Überlebenden – die sollen gleichmäßiger in der | |
EU verteilt werden. Das wurde nun hochoffiziell beschlossen. | |
Gleichzeitig weiß man auch schon ganz offiziell, dass sich | |
flüchtlingsrenitente Länder wie etwa Großbritannien nicht an diese Quoten | |
halten werden. Doch da kein Interesse an einer humanitären europäischen | |
Flüchtlingspolitik seitens der Regierungschefs und ihrer Klientel besteht, | |
wird für die geneigte Öffentlichkeit eben ein wenig an den Nebenbaustellen | |
herumgedoktert. Schließlich kommen bald die Sommerferien, und die Bürger | |
wollen mit gutem Gewissen ihre Seele am Strand Urlaub machen lassen. | |
Nun lautet ein Argument, dass eine Umverteilung von bereits in Europa | |
Angekommenen zwar nicht optimal sei, aber schon ihr Gutes hätte, selbst | |
wenn die betroffenen Asylsuchenden panische Angst vor Ungarn oder Bulgarien | |
äußerten. Schließlich dürfe man diese Länder genauso wenig wie etwa | |
Griechenland nicht auch noch für ihren tätigen Rassismus belohnen. | |
Nach dem Motto: Eure Grenzschützer und Polizisten misshandeln Flüchtlinge | |
(wie von Amnesty und Pro Asyl vielfach dokumentiert), also schicken wir da | |
keine Asylsuchenden mehr hin – wodurch die rechtsstaatlich orientierten | |
Länder ja einmal mehr bestraft würden. | |
## Abschreckung um jeden Preis | |
Diese Argumentation biegt sich die Realität böse zurecht. Denn genannte | |
Länder behandeln vertriebene Menschen ja nicht als Kriminelle gegen den | |
Willen der europäischen Granden wie etwa Deutschland; sie setzen vielmehr | |
den politischen Willen der europäischen Entscheidermächte um, und der setzt | |
auf Menschenverachtung als Mittel der Abschreckung um jeden Preis. | |
Gleichzeitig ist es bizarr, dass ausgerechnet die Menschen, denen man das | |
Recht auf ein besseres Leben abspricht, die Europäer zu mehr | |
Rechtsstaatlichkeit erziehen sollen. Ausgerechnet sie sollen für | |
antirassistische Emanzipation in demokratieschwachen Ländern sorgen. Ihr | |
Bedürfnis, dort ein neues Leben zu beginnen, wo sie bereits Verwandte haben | |
oder die Sprache sprechen, wo sie also etwas leichter andocken können – wen | |
kümmert’s? So funktioniert das Recht der Stärkeren in postkolonialen Zeiten | |
nun mal: Die einen haben Spaß, die anderen nicht. | |
Doch Zynismus beiseite. Es ist die Aufgabe der Privilegierten, die | |
Grundrechte zu schützen und die offene Gesellschaft zu verteidigen. Denn | |
sie genießen den Schutz des Rechtsstaates und können daher | |
gesellschaftliche Tabus ankratzen, ohne auch nur ihre Karriere zu | |
gefährden. | |
Entsprechend ist es an ihnen, Verhältnisse herzustellen, die Menschenrechte | |
auch für Flüchtlinge garantieren. Dann, aber erst dann, lassen sich | |
verantwortungsvollerweise neue Verteilungsschlüssel festlegen. Die | |
Wirklichkeit will es anders. | |
27 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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