# taz.de -- Gegenoffensive der Sicherheitsdienste: BND-Chef will kein Verräter… | |
> Die Sicherheitsbehörden gehen in die Gegenoffensive. Die Opposition | |
> spricht von „unerträglicher Bagatellisierung“. | |
Bild: Datensaugmaschine in Bad Aibling | |
BERLIN taz | Gerhard Schindler lächelt angestrengt, als er am Montagmittag | |
den Tagungssaal in Berlin-Mitte betritt. Der Chef des | |
Bundesnachrichtendiensts ist Gast auf einem Symposium des | |
Verfassungsschutzes über islamistischen Terrorismus. Mit Schindlers | |
Eintritt aber rückt ein anderes Thema in den Vordergrund: die jüngste | |
BND-Affäre. | |
Es ist der erste öffentliche Auftritt des BND-Chefs seit Ausbruch der Krise | |
– und der gibt sich offensiv. „In aller Deutlichkeit und Entschiedenheit“ | |
weise er den Vorwurf des Landesverrats zurück. „Das ist schlechthin | |
abwegig.“ Der BND, so Schindler, sei keineswegs ein „willfähriges Werkzeug… | |
der USA. Die Zusammenarbeit mit internationalen Diensten sei aber | |
unverzichtbar. | |
Es ist der Versuch einer Gegenoffensive. Seit Tagen steht der BND in der | |
Kritik, dem US-Geheimdienst NSA bei der Ausspähung europäischer Politiker | |
und Unternehmen geholfen zu haben. Dafür soll der Dienst mindestens 2.000 | |
fragwürdige „Selektoren“, etwa IP-Adressen oder Handynummern, den | |
Amerikanern übermittelt haben. | |
Auch Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen, Gastgeber am Montag, wählt | |
die Attacke. Die „fortlaufenden Unterstellungen“ seien „unerträglich und | |
ehrabschneidend“. Man müsse doch erst mal aufklären, ob überhaupt ein | |
Fehlverhalten vorliege. | |
Maaßen verteidigt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der | |
geriet in die Schusslinie, weil er als Kanzleramtschef von dem Treiben des | |
BND gewusst haben soll – ohne etwas dagegen zu unternehmen. Die | |
Berichterstattung über de Maizière, schimpft Maaßen, sei „zutiefst | |
unanständig“. | |
Der Minister selbst verspricht am Montag, die „Unterstellungen“ am Mittwoch | |
auszuräumen. Dann wird de Maizière vor dem Kontrollgremium der | |
Geheimdienste im Bundestag aussagen. Dort ist nun auch der amtierende | |
Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) geladen. Am gleichen Tag wird es | |
im Bundestag auch eine aktuelle Stunde zu der Affäre geben. | |
## Grüne und Linke fordern Selektorenliste | |
Die Opposition reagiert auf die Offensive der Sicherheitsbehörden empört. | |
Der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss Konstantin von Notz sagt der taz, wer | |
nach der rechtswidrigen Übermittlung der Selektoren und weiteren | |
Geheimdienstverfehlungen der letzten Jahre „keine massiven Probleme zu | |
erkennen vermag, der diskreditiert sich schlicht selbst“. Die Linken-Obfrau | |
Martina Renner attestiert dem Verfassungsschutzchef eine „gefährliche | |
Geringschätzung des Rechtsstaats und seiner Organe“. „Maaßen bagatellisie… | |
auf eine unerträgliche Art und Weise die Aufklärung von illegalen Praktiken | |
der Geheimdienste.“ | |
Grüne und Linke, aber auch die SPD pochen weiter auf die Herausgabe der | |
Selektorenliste, die im Kanzleramt liegt. Am Donnerstag müssen zudem vier | |
BND-Mitarbeiter vor dem NSA-Ausschuss über die Vorgänge aussagen. Die | |
BND-Spitze legte dazu laut Spiegel dem Bundestag inzwischen ein geheimes | |
Testat vor. Dort soll der Dienst die Weitergabe einräumen, eine | |
Ausforschung europäischer Ziele aber bestreiten: Es sei nur um Daten aus | |
„Krisengebieten“ gegangen. | |
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagt indes, der | |
Fall sei „geeignet, eine schwere Erschütterung auszulösen“. Er nimmt auch | |
Merkel in die Verantwortung. Diese habe ihm versichert, dass es, außer im | |
Fall EADS, keine Wirtschaftsspionage gegeben habe. Daran, so Gabriel, habe | |
er keinen Zweifel. Sollte es dazu doch gekommen sein, „wäre das eine | |
schwere Belastung des Vertrauens der Wirtschaft in staatliches Handeln“. Es | |
klingt nach einer Drohung. | |
4 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sabine am Orde | |
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