| # taz.de -- Zu Besuch beim Jüdischen Filmfestival: Trauma, Terror – und Wide… | |
| > Die Kinoabende beim Jüdischen Filmfestival in Berlin und Brandenburg sind | |
| > intensiv wie immer – und doch ist diesmal alles ganz anders. | |
| Bild: Als ich im Kino sitze und die antisemitische Propaganda nur so auf mich e… | |
| Mama, warum steht da Polizei vor unserem Haus?“, fragt ein Kind seine | |
| Mutter. Die beiden laufen ein paar Meter vor mir, gleich haben sie ihr | |
| Zuhause kurz vor dem Kino Krokodil im Prenzlauer Berg in Berlin erreicht. | |
| Ich überhole die zwei, sehe, wie die Mutter ihre Stirn runzelt. Sie | |
| antwortet: „Keine Ahnung“, und schiebt hinterher: „Das ist ungewöhnlich.… | |
| Ungewöhnlich ist hier gar nichts, denke ich wiederum, denn es ist | |
| J[1][üdisches Filmfestival in Berlin und Brandenburg] – und das [2][post 7. | |
| Oktober.] Was mit jüdischem Leben assoziiert wird, kann nur noch unter | |
| Polizeischutz stattfinden. | |
| Seinen 30. Geburtstag feiert das Festival in diesem Jahr. Ich selbst bin | |
| seit vielen Jahren treue Besucherin. Kino im Sommer, den lauen Abend mit | |
| einem Glas Wein und Freunden nach dem Film ausklingen lassen – klingt | |
| eigentlich wunderbar. Aber diesmal ist es dann doch irgendwie, tja, was ist | |
| das richtige Wort, komisch, anders eben. | |
| Unterhalten werden, das Leben genießen, während noch immer nicht alle nach | |
| Gaza verschleppten Geiseln zurück in Israel sind, während der Krieg noch | |
| andauert, passt das? | |
| ## Die Rückkehr des Traumas | |
| Zwei Schwerpunkte hat sich das Festival gegeben. Der eine ist in diesem | |
| Jahr nahezu unausweichlich: Trauma und Terror. Obwohl auch das irgendwie | |
| schon immer Teil des Filmfestivals war. Die Erinnerung an die Shoa, so hat | |
| man sich zur Aufgabe gemacht, soll wachgehalten werden. Und doch: Besonders | |
| die jüdischen Zuschauer:innen und das Festival selbst befinden sich | |
| diesen Sommer in einer neuen Realität; und die Frage, wie das Trauma, das | |
| man so nie wieder erwartet hatte, verarbeitet und erzählt werden kann, | |
| stellt sich neu. | |
| [3][Antizionismus] im Sozialismus bildet den zweiten Schwerpunkt. Obwohl | |
| dieser schon lange vor dem 7. Oktober feststand, hat er eine neue | |
| Aktualität bekommen. Denn die Rhetorik der sowjetischen Propaganda gegen | |
| Israel oder „die Zionisten“, gemeint sind Juden, ist fast wortgleich heute | |
| wiederzufinden. | |
| Zurück ins Kino Krokodil: Als ich im Kino sitze, um mir Defa-Filme über | |
| Israel anzuschauen („Die Stürmer“, „Israel 74“), die antisemitische | |
| Propaganda nur so auf mich einhagelt, frage ich mich dann doch, warum ich | |
| mir das freiwillig antue. An Antisemitismus fehlt es mir in meinem Alltag | |
| schließlich nicht. | |
| Weil ich verstehen will, fällt mir wieder ein, weil ich nicht begreifen | |
| kann, wie es möglich ist, dass sich diese antisemitischen Tropen bis heute | |
| halten können, sich viele ihres Ursprungs nicht bewusst sind – oder diesen | |
| sogar leugnen. | |
| ## Nirgends sicher vor Antisemiten | |
| Eine Frau sei mit genau diesen Erzählungen über Israel aufgewachsen, sagt | |
| sie beim anschließenden Publikumsgespräch. Ob sie deshalb noch immer so auf | |
| Israel und Juden blicke, wie es die sozialistische Propaganda ihr einst | |
| vorgab, darüber denke sie noch nach. Spannend, denke ich, dass man 34 Jahre | |
| nach dem Ende der DDR noch immer überlegt. | |
| Ein anderer Mann kann doch tatsächlich der Propaganda-Doku „Israel 74“ | |
| etwas abgewinnen. Er hält sie für differenziert (nicht antisemitisch) und | |
| zeigt sich erschrocken darüber, dass vor 50 Jahren schon über dasselbe | |
| diskutiert wurde, was auch heute das Problem sei: Vertreibung, Besatzung, | |
| Unterdrückung. Dass die DDR Shoa-Überlebende instrumentalisierte, mit | |
| NS-Vergleichen nicht sparte, stößt dem Herrn selbstverständlich nicht auf. | |
| Mir aber. Vor Antisemiten ist man halt nirgends sicher. | |
| Hätte ich mir so etwas nicht sparen können? Bestimmt. Und so lande ich | |
| wieder bei der Frage, ob so ein Festival jetzt angebracht ist. | |
| Das Leben, wie es gerade ist, ist manchmal unerträglich. Was ist die | |
| Alternative? Nicht nur das Trauma und der Terror, nicht nur der | |
| Antisemitismus, der im Gewand des Antizionismus daherkommt, haben ihre | |
| Kontinuität. Auch das Überleben, der Widerstand. Und das, denke ich, ist | |
| die Antwort, der Antrieb. | |
| 21 Jun 2024 | |
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| [1] https://www.jfbb.info/ | |
| [2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/hamas-terrorangriff-opfer-id… | |
| [3] /Essays-von-Jean-Amery-zu-Antisemitismus/!5985363 | |
| ## AUTOREN | |
| Erica Zingher | |
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