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# taz.de -- Antisemitischer Terror: Juckt Sie das?
> Zu Besuch in New York am 11. September tritt die Monstrosität des
> islamistischen Terrors unverhüllt vor Augen. Die Überlebenden bleiben
> allein.
Bild: New York, 11. September 2024: eine Frau weint während des Gedenkens an d…
Am Tag, bevor ein [1][österreichischer Islamist] bei einem Anschlagsversuch
auf das israelische Konsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München
von Polizisten erschossen wird, besuche ich das 9/11 Memorial Museum in New
York.
Ich bin das erste Mal in der Stadt, und das Museum ertrage ich kaum. Zu
viel erinnert mich an das Massaker vom 7. Oktober in Israel. Der Vergleich
zwischen den Anschlägen wurde immer wieder bemüht; Parallelen gezogen im
Ausmaß des Terrors, in dem Angriff auf das Sicherheitsgefühl beider
Nationen und in der Absicht, Bilder der Gewalt zu produzieren. Ihr Kern,
ein kohärentes Weltbild der Islamisten, wurde als Parallelität weniger
beachtet.
Die Kriegserklärung der Islamisten am 11. September vor 23 Jahren war nicht
nur eine gegen die USA und westliche Demokratien. [2][9/11 war auch ein
antisemitischer Anschlag, wie Samuel Salzborn] vor einigen Jahren
ausführte.
Wenige Tage vor meinem Museumsbesuch, ich stehe gerade am Berliner
Flughafen, bergen israelische Soldaten die Leichen [3][von sechs durch die
Hamas ermordeten Geiseln]: Hersh Goldberg-Polin, Carmel Gat, Eden
Yerushalmi, Almog Sarussi, Ori Danino und Alexander Lobanov. Ihre Gesichter
begegnen mir später auf Stickern im New Yorker Stadtbild. „Bring them
home“, steht oft darunter, ein Satz, der unausgesprochen das Adjektiv
„lebend“ beinhaltet und nun nur noch als Beweis für das Versagen, die
Geiseln nicht lebend nach Hause gebracht zu haben, gelesen werden kann und
für das Ausmaß des Terrors.
## Geteilte Zeit
Der [4][vereitelte Anschlag auf Taylor-Swift-Konzerte,] Solingen, dann
München, am Freitag [5][ein vereitelter Anschlag auf Bundeswehrsoldaten in
Hof]. Ein Anschlag auf ein jüdisches Zentrum in Brooklyn, New York, wird
während meines Aufenthalts ebenfalls verhindert: Ein pakistanischer
Islamist aus Kanada habe „ein Blutbad“ verüben und „so viele Juden wie
möglich“ töten wollen. Kurz zuvor habe ich in Brooklyn Tacos gegessen und
mich durch Vintageläden geshoppt.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach nach dem
Anschlag von Solingen von einer Zeit vor und einer Zeit nach dem Attentat.
Für die Betroffenen von Terror trifft das zu: Für sie teilt sich die Zeit.
Es gibt den Tag, an dem ihr Zuhause noch nicht von Raketen angegriffen
wurde, den Tag, an dem sie ihre Liebsten noch umarmen konnten, an dem sie
sich noch sicher fühlten, und den Tag danach, an dem all das zerstört ist,
nicht mehr gilt.
Mittlerweile frage ich mich, wie viele Davor-und-danach-Sätze wir noch vor
uns haben. Drei, fünf, zehn? Spätestens seit dem 7. Oktober ist mir, als ob
ich mich in einem ewigen Danach befände, als ob das Davor längst in der
Erinnerung verblasst wäre. Das ist das Perfide an Terror, selbst wenn er
verhindert wird: Er macht dich als Teil einer Gruppe, die angegriffen
werden sollte, einsam. Weil für den überwiegenden Teil der Gesellschaft,
nach einem Anschlag wie in München, alles wie bisher ist.
Wie viele Danachs sind wir davon entfernt, dass die Bedrohung von Juden
nicht nach wenigen Tagen wieder vergessen ist? Wie viele Intifada-Rufe auf
deutschen Straßen braucht es noch, bis verstanden wird, dass die Gewöhnung
an diese Form der Terrorverherrlichung eine Gefahr darstellt?
Juden machen sich öffentlich Gedanken über Emigration, sie kalkulieren den
Ernstfall; sie haben Sorge, ihre Kinder in diesem Land nicht mehr schützen
zu können.
Juckt das jemanden? Empört Sie das? Und wenn ja, was leiten Sie daraus ab?
Der islamistische Terror in Deutschland war nie weg, es war einige Jahre
ruhig, doch diese Ruhe war trügerisch. Manchmal brauche man Abstand, um die
Dinge besser begreifen zu können, heißt es. Mit dem Atlantik zwischen mir
und Deutschland ist mir eines klarer geworden: Die Einsamkeit ist sichtbar,
und wegschauen muss man sich leisten können.
13 Sep 2024
## LINKS
[1] /Schuesse-in-Muenchen/!6034677
[2] /Essay-ueber-die-Folgen-von-9/11/!5532897
[3] /Sechs-Geiseln-aus-Gaza-tot-geborgen/!6030949
[4] /Nach-Konzertabsagen-in-Wien/!6030047
[5] https://www.deutschlandfunk.de/islamist-wegen-anschlagsplans-gegen-bundeswe…
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
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Islamismus
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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