| # taz.de -- Jüdisches Filmfestival: Desillusionierung durch historische Erkenn… | |
| > Beim Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg untersucht eine | |
| > Sonderreihe antisemitische Kontinuitäten nach Öffnung des Eisernen | |
| > Vorhangs 1989. | |
| Bild: Schwimmen ist nicht mehr: Szene aus „Swimmingpool am Golan“ von Esthe… | |
| Als Roland Steiners Dokumentarfilm „Unsere Kinder“ 1990 im Forum der | |
| Berlinale lief, war das für viele westliche Festivalbesucher wohl der erste | |
| Schritt zur Erkenntnis, dass es auch hinter dem „antifaschistischen | |
| Schutzwall“ rechtsradikale Jugendliche und eine – teils aus der BRD | |
| infiltrierte – neonazistische Jugendszene gab. | |
| Nun ist der späte Defa-Film bei einem anderen Festival zu sehen: dem | |
| Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg, das seine letztjährige | |
| Sonderreihe „Bruch oder Kontinuität?,Antizionismus’ und Antisemitismus im | |
| Sozialismus und danach“ um eine zweite Runde erweitert. | |
| Stand 2024 vor allem die Zeit nach Kriegsende 1945 im Fokus, so richtet | |
| sich dieser nun auf die Jahre nach den politischen Öffnungen um 1990 in der | |
| Sowjetunion, Polen und der DDR, die neue Bewegungs- und | |
| Begegnungsmöglichkeiten schufen. Perestroika und Glasnost öffneten den | |
| Blick auf vorher gern verleugnete antisemitische Kontinuitäten. Doch sie | |
| ließen auch diese Stimmen lauter werden. | |
| ## Endlich Reisefreiheit | |
| Die Filme selbst sind oft Ergebnis neu gewonnener Reisewege. „New Time, New | |
| Luck“ (1990) etwa erzählt vom Besuch des 1947 in Riga geborenen und 1971 | |
| nach Israel ausgewanderten Filmemachers Haim Tchelet in seiner alten | |
| Heimat. 1990 kehrt er mit einem Filmteam des Israel Film Service nach Riga | |
| zurück, um Situation und Perspektiven der jüdischen Gemeinde im Umbruch zu | |
| erkunden und dokumentieren: | |
| Die Rückgabe jüdischer Orte und das sprießende neue Leben bei Chorproben im | |
| Jüdischen Theater und der Synagoge, wo sich zwischen den Gottesdiensten | |
| kleine informelle Gruppen zu Unterricht in Hebräisch und Religion Raum | |
| nehmen. | |
| Ein Lehrer an einer jüdischen Grundschule berichtet begeistert vom neu | |
| erwachten Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler und erzählt, wie | |
| die Kinder bei einem zum ersten Mal realisierten Gedenkzug mit ihrer | |
| jüdischen Flagge von den Ortsansässigen mit Applaus empfangen wurden. Für | |
| ihn längst kein Grund, sich als Jude vor Ort sicher zu fühlen. | |
| ## Massaker im Wald von Rumbula | |
| Ziel des Gedenkzugs war Rumbula, ein Ort mit Bahnstation im Wald vor der | |
| Stadt, [1][wo Ende des Jahres 1941 SS-Truppen mit Unterstützung | |
| einheimischer Kollaborateure etwa 26.000 Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto | |
| der Stadt und aus Berlin ermordeten]. Der ehemalige Partisan Kalman Freyzus | |
| berichtet, wie es einer Initiative erst nach langem Ringen gelang, die | |
| Aufstellung eines Gedenksteins durchzusetzen, der die jüdische Identität | |
| der Opfer eindeutig anerkennt. Tchelets Film lebt von der persönlichen | |
| Begegnung im historischen Augenblick. | |
| In „Chronik einer Rückkehr: Lebenswege Deutscher Juden in der DDR“ (1993, | |
| Regie: Martin Pátek) sind es zwei US-Wissenschaftler, die im Sommer des | |
| Jahres 1989 mit der Kamera nach Ostberlin reisen. Ihr Forschungsinteresse | |
| sind Frauen und Männer, die selbst oder deren Eltern nach dem Krieg aus | |
| verschiedenen Exilorten den Weg in die DDR gewählt hatten, [2][darunter | |
| Peter Brasch.] | |
| Viele kamen aus Leidenschaft für das Aufbauprojekt des Sozialismus, andere | |
| auch wegen Verfolgung an ihren ersten Zufluchtsstätten wie der Sowjetunion | |
| oder den McCarthy-USA. Ihre ausführlichen Erzählungen berichten von | |
| Einsamkeit und kollektivem Aufbruch, anfänglicher Armut und Unterstützung, | |
| Solidarität, subtiler Ausgrenzung und offenem Judenhass. So gewann mit den | |
| Jahren bei den meisten die jüdische Identität an Bedeutung. Und die während | |
| des Filmens draußen stattfindende politische Wende setzt mit ihrem massiven | |
| Rassismus auch neue Ängste frei. | |
| ## Oszillierende Familiengeschichte | |
| [3][Esther Zimmering] erlebte diese Grenzöffnung als Teenager und erhielt | |
| damit auch eine neue große Familie in Israel, wohin die zionistische | |
| Schwester ihrer nach Großbritannien geflohenen kommunistischen Mutter vor | |
| den Nazis emigriert war. Ihr Dokumentarfilm „Swimmingpool am Golan“ (2018) | |
| entwickelt aus Zimmerings erster Begeisterung für die neu entdeckte so | |
| selbstverständlich jüdische Welt in Nahost eine komplexe zwischen | |
| Widerstand und Anpassung oszillierende Familiengeschichte voller | |
| Widersprüche und Ambivalenzen. | |
| Und er erzählt eine deutsch-jüdische Coming-of-Age-Geschichte, die sich aus | |
| Desillusionierung durch historische Erkenntnis speist. Die junge | |
| Regisseurin wird ihren Weg sicherlich weitergehen, auch wenn der | |
| Kibbuz-Pool längst trocken liegt. | |
| Zu ergänzen wäre, dass „Bruch oder Kontinuität?“ nur ein kleiner Teil des | |
| seit 2022 unter künstlerischer Leitung von Bernd Buder und Lea Wohl von | |
| Haselberg geleiteten [4][JFBB ist, das in Berlin und Potsdam] unter anderem | |
| noch zwei komplette Wettbewerbe für aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme und | |
| ein Kurzfilmprogramm zum Nachwirken des 7. Oktober 2023 („Assembling the | |
| Pieces“) anbietet. Erkenntnisreich für die deutsche Öffentlichkeit dürften | |
| auch drei vielfältig besetzte Panels zu den jüdisch-palästinensischen | |
| Filmbeziehungen sein. | |
| 6 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Silvia Hallensleben | |
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