# taz.de -- Wärmwende in Deutschland: Wie werden wir heizen? | |
> Die Klimakrise ist längst da, und wir heizen fast komplett mit fossilen | |
> Kraftstoffen. Das soll sich ändern. Was Sie über die Wärmewende wissen | |
> müssen. | |
Bild: Klimafreundliches Wohnen verträgt sich nicht mit einer Gasheizung | |
Alle reden übers Heizen: Was plant die Regierung? | |
Heizen soll in Deutschland endlich klimafreundlich werden. Deshalb will die | |
Bundesregierung das Gebäudeenergiegesetz reformieren. Spätestens im Jahr | |
2045 müssen demnach alle Heizungen vollständig erneuerbar laufen. Das Datum | |
kommt nicht von ungefähr: Deutschland muss dann nämlich klimaneutral sein, | |
so steht es im Klimaschutzgesetz. Geplant ist, dass deshalb [1][ab dem | |
kommenden Jahr keine neuen Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden | |
dürfen]. Wer also ein Haus neu baut oder seine Heizung komplett austauscht, | |
darf dann nicht mehr einfach auf fossile, klimaschädliche Lösungen setzen. | |
Stattdessen sollen neue Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren | |
Energien betrieben werden. | |
Neben komplett erneuerbaren Lösungen sind also auch Kombi-Modelle möglich. | |
Man könnte beispielsweise eine Wärmepumpe und einen Gaskessel zusammen | |
nutzen. Je nach baulichen Gegebenheiten kann das übergangsweise sinnvoll | |
sein. Wichtig dabei ist: Es geht zunächst um neue Heizungen. Wer noch eine | |
funktionsfähige Gas- oder Ölheizung hat, darf sie weiter nutzen. Geht sie | |
kaputt, darf sie auch repariert werden und danach weiterlaufen. Nur wenn | |
das wirklich nicht mehr geht, sollen die Vorgaben greifen. Selbst dabei | |
soll es Ausnahmen geben. Wenn die Heizung plötzlich ausfällt, darf erst mal | |
ein neuer Gaskessel eingebaut werden. Danach gibt es drei Jahre Zeit, um | |
die 65-Prozent-Regel zu erfüllen. Und Hausbesitzer:innen, die über 80 Jahre | |
alt sind, werden von dieser Regelung komplett freigestellt. | |
Steht das alles schon final fest? | |
Nicht ganz. Bisher haben nur die zuständigen Bundesministerien einen | |
gemeinsamen Entwurf vorgelegt, nämlich das Wirtschaftsministerium von | |
Robert Habeck (Grüne) und das Bauministerium von Klara Geywitz (SPD). Auf | |
die Grundzüge der Reform haben sich die drei Ampelparteien aber schon vor | |
fast einem Jahr in einem Koalitionsausschuss geeinigt. Dass alles noch mal | |
komplett umgeworfen wird, ist unwahrscheinlich. Noch im April will sich das | |
ganze Bundeskabinett offiziell auf einen Entwurf einigen, der dann in den | |
Bundestag geht. | |
Sind diese Pläne nicht völlig übertrieben? | |
So sieht das zum Beispiel CSU-Generalsekretär Martin Huber. Als | |
„Klimaschutz mit der Brechstange“ kritisierte er das Vorhaben. Und es | |
stimmt, viel Vorlauf gibt es nicht. Wenn Deutschland dazu beitragen will, | |
das Klima auf der Erde halbwegs lebenswert zu erhalten, ist die Eile aber | |
unvermeidlich. [2][Der Gebäudesektor hat im vergangenen Jahr wieder | |
deutlich mehr Treibhausgas-Emissionen verursacht] als laut | |
Klimaschutzgesetz erlaubt, weil Heizungen fast ausschließlich fossil | |
betrieben werden. | |
Und wichtig ist auch die langfristige Sicht. Viele Heizungen haben eine | |
Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Was heute neu eingebaut wird, könnte also | |
im Jahr 2045 durchaus noch da sein. Sind das weiter fossile Heizungen, | |
klappt es nicht mit der Klimaneutralität. Die Folgen: noch extremeres | |
Wetter durch die Klimakrise und entsprechend mehr Tote, mehr Zerstörung, | |
niedrigere Lebensstandards. Außerdem müssten Heizungen dann reihenweise | |
verfrüht stillgelegt oder ausgetauscht werden, was weder | |
ressourcenfreundlich noch finanziell sinnvoll wäre. | |
Sanftere Lösungen hätten frühere Bundesregierungen anstoßen müssen – das | |
Problem ist schließlich seit Jahrzehnten bekannt. Dass es sich nicht von | |
allein auflöst, zeigt der deutsche Heizungsabsatz 2022. Die Nachfrage nach | |
Wärmepumpen stieg zwar massiv, der größte Verkaufsschlager war aber | |
weiterhin die Gasheizung – trotz Klimakrise, trotz explodierender | |
Gaspreise und Russlands Krieg in der Ukraine. | |
Das Klima zu retten ist wichtig – aber klappt das überhaupt mit diesen | |
Plänen? | |
Klimaschützer:innen sind besorgt, weil die FDP einen Verweis auf | |
„Technologieoffenheit“ durchgeboxt hat – der auch ökologisch umstrittene | |
Heizungsarten zulassen soll. Die 65-Prozent-Erneuerbaren-Quote soll man zum | |
Beispiel auch durch den Einsatz von „grünen Gasen“ in Gasheizungen | |
erreichen dürfen, etwa mit sogenanntem Biogas oder unter Umständen gar mit | |
Wasserstoff. Letzteres ist derzeit noch nicht einmal möglich. | |
Selbst Boiler, die jetzt schon als „H2-ready“ gelten, heizen nicht mit | |
reinem Wasserstoff. Sie lassen nur zu, dass fossiles Gas in geringem Maß | |
mit Wasserstoff vermischt wird. Die Klimabilanz der Heizung verbessert das | |
nur marginal. Ob und wie sich die Rolle von Wasserstoff beim Heizen in | |
Zukunft ändert, ist ungewiss – schließlich wird das rare Gut auch für viele | |
andere Zwecke gebraucht. „Statt Klarheit für Verbraucherinnen und | |
Verbraucher zu schaffen, stiftet der neue Gesetzentwurf Verwirrung mit der | |
Zulassung technisch unmöglicher Scheinlösungen“, kritisiert Barbara Metz | |
von der Deutschen Umwelthilfe. | |
„Der Entwurf trägt die Handschrift der Gaslobby und ist | |
Verbrauchertäuschung.“ Dass die „grünen Gase“ fürs Heizen in vielen F�… | |
nicht die beste Lösung sind, steht zwischen den Zeilen auch im | |
Gesetzentwurf. „Die technologieoffene Wahl des Gebäudeeigentümers über den | |
Einbau einer neuen Heizungsanlage kann mit sehr hohen Kosten für den | |
Betrieb der Anlage verbunden sein“, heißt es dort. | |
Apropos Kosten, wird das alles nicht sehr teuer? | |
Ja, leider. Zumindest am Anfang. Im geplanten Gesetz selbst finden sich | |
dazu Annahmen. Demnach ist in Einfamilienhäusern eine | |
Luft-Wasser-Wärmepumpe die „wirtschaftlichste Erfüllungsoption“ – also … | |
billigste Art, das Gesetz einzuhalten. Teurer als ein Gaskessel ist das | |
aber trotzdem. Laut Gesetzesentwurf fallen in einem effizienten Neubau | |
Mehrkosten von gut 11.000 Euro an, bei unsanierten Altbauten sind es fast | |
35.000 Euro. | |
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Nach 18 Jahren rechnet sich die | |
Wärmepumpe in allen Szenarien, die der Gesetzesentwurf aufführt, weil der | |
laufende Betrieb billiger ist als bei fossilen Heizungen. Schließlich ist | |
schon durch steigende CO2-Preise davon auszugehen, dass Erdgas immer teurer | |
wird. Hinzu kommt, dass Wärmepumpen in Zukunft billiger werden dürften, | |
weil ihre Produktion stark anzieht. | |
Außerdem gibt es [3][staatliche Förderung, die auch ausgebaut werden soll – | |
über das Wie streitet sich die Ampel aber noch.] Robert Habeck hat in der | |
ARD einen „sozialen Ausgleich“ angekündigt. „Das heißt, dass die | |
Wärmepumpen, solange sie noch teurer sind, auf den Preis einer Gasheizung | |
runtergebracht werden“, so der Wirtschaftsminister. | |
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bremste die Erwartungen | |
allerdings kurz darauf in der Bild am Sonntag. „Die Möglichkeiten der | |
Förderung durch den Staat sind begrenzt“, sagte er. Dass eine starke | |
Förderung nötig ist, wenn es mit den Heizungsplänen klappen soll, liegt | |
dabei eigentlich auf der Hand. | |
Eine [4][Untersuchung, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und | |
der Wohlfahrtsverband Der Paritätische in Auftrag gegeben haben], kam | |
gerade zu folgendem Schluss: Gut ein Achtel der 17 Millionen | |
Eigentümer:innen, die in ihrem eigenen Haus leben und keine weitere | |
Immobilie besitzen, besitzt kein Vermögen. Die Hälfte besitzt weniger als | |
34.500 Euro. | |
Das heißt: Wenn bei ihnen der Heizungsaustausch ansteht, bevor sie sich auf | |
die Mehrkosten vorbereiten können, wird es ohne Unterstützung eng. | |
7 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Einigung-zum-Heizungstausch/!5923611 | |
[2] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!5923019 | |
[3] /Geplanter-Austausch-fossiler-Heizungen/!5923526 | |
[4] https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Sozialp… | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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