# taz.de -- Wärmewende in Deutschland: Soziale Kälte | |
> Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll, muss bis dahin auch | |
> klimafreundlich geheizt werden. Warum wird die Förderung nicht nach | |
> Einkommen gestaffelt? | |
Bild: Die alten Heizungen werden rausgerissen. Aber wer zahlt? | |
Es ist ein Generationenprojekt: Die Bundesregierung hat den | |
Heizungsaustausch bis zum Jahr 2045 auf den Weg gebracht. Zügig sollen | |
Bundestag und Bundesrat beschließen, dass ab 2024 keine Erdgas- und | |
Ölheizungen mehr in neue Gebäude eingebaut werden dürfen. Für | |
Bestandsbauten gibt es lange Übergangszeiten, bis fossile Heizungen gegen | |
klimafreundliche ersetzt werden müssen. Zahlreiche Ausnahmen, etwa für über | |
80-Jährige oder soziale Härtefälle, entschärfen die Vorgaben. Das reicht | |
nicht. | |
Das Gesetz hat das richtige Ziel. Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral | |
sein soll, muss bis dahin auch klimafreundlich geheizt werden. Das Projekt | |
hat aber einen herben Konstruktionsfehler: die vorgesehene Förderung. Aus | |
der von Vizekanzler Robert Habeck versprochenen [1][sozialen Staffelung] | |
bei staatlichen Hilfen ist nichts geworden. | |
Der Villenbesitzer soll die Grundförderung von 30 Prozent der | |
Austauschkosten genauso bekommen wie die Krankenschwester, die sich ihre | |
Eigentumswohnung vom Mund abgespart hat und noch Jahrzehnte den Kredit | |
abzahlt. Mit Klimaboni können sie unter bestimmten Umständen auf eine | |
Förderung von bis zu 50 Prozent bis zu einer Grenze von 60.000 Euro kommen. | |
Das Problem: Die einen brauchen die Förderung nicht, weil sie genug Geld | |
haben, [2][für die anderen reicht sie nicht]. | |
Für Empfänger:innen von Sozialleistungen wie Grundsicherung im Alter | |
oder Bürgergeld ist ein Klimabonus von 20 Prozent vorgesehen, der aber | |
nicht mit anderen Boni addiert werden kann. Auch sie bleiben auf 50 Prozent | |
der Kosten sitzen, Zehntausenden Euro. Wie sollen sie die aufbringen? Viele | |
Menschen haben ein Häuschen oder eine Wohnung als Altersvorsorge. | |
## Beim Mietrecht nachbessern | |
Zusätzliche Investitionen, die aus ihrer Sicht aus heiterem Himmel kommen, | |
können sie nicht stemmen. Ihnen droht der Verkauf. An der fragwürdigen | |
Förderung stößt sich die FDP nicht, wenn sie Stimmung gegen das Gesetz | |
macht – obwohl ihre Minister:innen im Kabinett dafür gestimmt haben. | |
Umgehend nach dem Beschluss hat Finanzminister Lindner per Twitter | |
Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren gefordert. Die FDP | |
kritisiert eine vermeintlich fehlende Technologieoffenheit. | |
Tatsächlich ist das Gesetz so technologieoffen wie überhaupt möglich. Es | |
listet nicht nur alle möglichen klimafreundlichen Heizungen auf, also neben | |
der Wärmepumpe etwa [3][Holzpellets], Solarthermie oder | |
Wasserstofflösungen, es enthält auch eine Innovationsklausel: Wer etwas | |
Neues erfindet, kann sich das zertifizieren lassen. | |
Nachbesserungsbedarf beim Mietrecht dagegen, für das FDP- Justizminister | |
Marco Buschmann zuständig ist, melden die Liberalen bislang nicht an. Hier | |
muss tatsächlich etwas passieren, damit der Heizungsaustausch nicht zu | |
einer Überlastung für Mieter:innen wird. Vermietende können die Kosten | |
für den Heizungsaustausch mit bis zu 3 Euro pro Quadratmeter zusätzlich auf | |
die Miete aufschlagen. Eine staatliche Förderung muss an die | |
Mieter:innen weitergegeben werden, der Aufschlag würde entsprechend | |
sinken. | |
Aber die Unterstützung sollen nur Kleinvermieter:innen mit bis zu | |
sechs Einheiten erhalten. Das ist keine gute Nachricht. Unterstützt der | |
Staat Vermietende, kommt das in diesem Fall Mietenden zugute. Der | |
Heizungsaustausch ist nur einer von vielen Umbauten, die in den kommenden | |
22 Jahren auf dem Weg in ein klimaneutrales Land nötig sind. Die | |
erforderlichen Änderungen zum Beispiel im Verkehr, der Landwirtschaft oder | |
der Industrie sind enorm. | |
## Für die ärmere Hälfte fatal | |
Wird der Heizungsaustausch in der jetzigen Form zur Blaupause für die | |
anderen Umbauten, dann wird dieser Transformationsprozess für die ärmere | |
Hälfte der Bevölkerung zum Fiasko. Denn bei diesem Modell wälzt der Staat | |
die Kosten auf die Bürger:innen ab. Dieses Vorgehen wird nicht nur die | |
Armen überfordern, die sozialen Unwuchten werden bis weit in die Mitte der | |
Gesellschaft reichen. Die Sache ist komplex, gute Lösungen sind nicht | |
einfach zu finden. | |
Statt hektisch fragwürdige Förderprogramme zusammenzuschustern, wäre es | |
besser, tragfähige Lösungen zu finden. Der Präsident des Mieterverbands | |
[4][Lukas Siebenkotten] hat vorgeschlagen, nach dem Beispiel der | |
Gaspreiskommission ein Gremium mit Expert:innen aus Gesellschaft und | |
Wirtschaft einzusetzen, die Vorschläge für sozialverträgliche Lösungen | |
erarbeiten. | |
So könnte ein Ausweg aus dem Dilemma von nicht aufschiebbarem Klimaschutz | |
und unverzichtbarer sozialer Abfederung gefunden werden. Bei einem | |
Generationenprojekt wie der Wärmewende sollte sich die Regierung die Zeit | |
dafür nehmen. Vielleicht kommt dabei eine brauchbare Blaupause für die | |
anderen Umbauten heraus. | |
21 Apr 2023 | |
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[1] /Foerderung-fuer-Heizungsaustausch/!5926229 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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