| # taz.de -- Verfehlte Kita-Planung in Bremen: Kopfüber ins Kita-Chaos | |
| > 640 Kinder in Bremen haben aktuell keinen Betreuungsplatz. Jetzt sollen | |
| > Container aufgebaut und Gruppen vergrößert werden. Warum eigentlich? | |
| Bild: Wenn Mitarbeiter von einem Ressort ins andere ziehen, verschwinden auch m… | |
| BREMEN taz | Viele Eltern, die im Januar ihren Nachwuchs für den | |
| Kindergarten anmelden, gehen leer aus. Denn im aktuellen Kindergartenjahr | |
| fehlen 640 Betreuungsplätze. Weitere 1.000 Kinder stehen auf Wartelisten | |
| ihrer Wunsch-Kita. Ab August, sagt Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) | |
| zwar, sollen nur noch 46 Gruppen fehlen, wenn denn Container rechtzeitig | |
| zur Verfügung stehen. Bis März will sie eine Lösung dafür präsentieren. | |
| Wahrscheinlich wird die darauf hinauslaufen, bestehende Gruppen | |
| aufzustocken. | |
| Hinter den Kulissen schieben sich das grüne Sozialressort, das bis Mai 2015 | |
| für den Kita-Ausbau zuständig war, und das SPD-geführte Bildungsressort, | |
| das danach die Kindertagesbetreuung übernommen hatte, die Schuld zu. | |
| Sozialsenatorin Anja Stahmann soll den Bedarf unterschätzt haben. Bogedan | |
| soll die Planung zu schleppend umgesetzt haben. Was stimmt? | |
| ## Die Ausbauplanung | |
| Auf 141 Seiten hat Stahmann 2014 dargelegt, wo bis ins Jahr 2020 wieviele | |
| Betreuungsplätze fehlen werden. Zugrunde gelegt wurde, dass Ende 2016 in | |
| Bremen 27.793 Kinder unter sechs Jahren leben würden. Davon, so der | |
| Erfahrungswert, würden rund 95 Prozent der über Dreijährigen | |
| Betreuungsplätze brauchen. Bei den Jüngeren stützte sich der Senat auf das | |
| Deutsche Jugendinstitut, das stadtteilgenau ermittelt hatte, wieviele | |
| Eltern eine Betreuung wünschen würden. | |
| Sandra Ahrens, kinderpolitische Sprecherin der CDU, sagt, die | |
| Sozialsenatorin habe stets unterhalb des Bedarfs geplant. Das trifft auf | |
| die Fachkräfte zu – schon jetzt können viele Stellen nicht besetzt werden. | |
| Für deren Ausbildung zuständig war allerdings: die damalige | |
| Bildungssenatorin. Die jetzige, Bogedan, geht davon aus, dass bis 2020 | |
| ErzieherInnen und SozialassistentInnen im Umfang von 780 Vollzeitstellen | |
| gebraucht werden. | |
| ## Die Zahlen | |
| Stahmann konnte nicht voraussehen, was im Sommer 2016 bekannt wurde. Da | |
| veröffentlichte das Statistische Landesamt seine neue Bevölkerungsprognose. | |
| Danach sollte es Ende 2016 in der Stadt Bremen 29.505 Kinder unter sechs | |
| Jahren geben – 1.712 mehr, als sie angenommen hatte. Auch ihr sei davon bei | |
| der Haushaltsaufstellung im letzten Frühjahr nichts bekannt gewesen, teilte | |
| Bogedan im November mit. | |
| Das stimmt nicht. Schon 2015 hatte das statistische Landesamt vorausgesagt, | |
| dass Ende des Jahres 1102 Kinder unter sechs Jahren mehr in der Stadt leben | |
| würden als die Ausbauplanung 2014 kalkuliert hatte. Darin war der Zuzug von | |
| Geflüchteten noch nicht eingerechnet – der alleine Grund genug hätte sein | |
| müssen, die Planung zu korrigieren. Doch noch im Februar 2016 behauptete | |
| Bogedan, jedes Kind würde im August einen Betreuungsplatz bekommen. | |
| ## Die Flexibilität | |
| Die Zahlen der StatistikerInnen sind nur Prognosen. Das Wichtigste sei | |
| deshalb, sagt Carsten Schlepper vom Landesverband evangelischer | |
| Tagesstätten, flexibel zu bleiben. Doch das Bremer System ist nicht | |
| flexibel. Neidvoll blicken mittlerweile auch die Bremer Grünen nach Berlin | |
| und Hamburg, wo die Träger frei planen und das Angebot wirklich an der | |
| Nachfrage ausrichten können. | |
| Wie flexibel das Bildungsressort agiert, zeigt sich daneben am Umgang mit | |
| Investoren. Mittlerweile beteuert Bogedan, dass diese beim Ausbau | |
| willkommen seien, bleibt aber dabei, dass der auf öffentlichem Grund nur | |
| mit EU-weiter Ausschreibung möglich sei. In Hamburg geht es auch ohne, sagt | |
| der für den Ausbau zuständige Leiter in der Behörde. In Bremen lässt die | |
| Bildungssenatorin von einem Fachanwalt neun Varianten von Verträgen mit | |
| Investoren durchspielen. Bei acht würde sie vor Gericht verlieren, schriebe | |
| sie nicht aus. | |
| Man könnte denken, sie würde die eine anwenden, die keine Klage-Gefahr | |
| birgt. Tut sie aber nicht. Erklären lässt sich das nur damit, dass die SPD | |
| fürchtet, freie Träger ließen sich schicke Kindergärten bauen – während … | |
| der städtischen Kita Bremen immer weiter verfallen. | |
| ## Die Umsetzung der Planung | |
| Wieviel von der seit 2014 anvisierten Planung, überwiegend Um- und | |
| Anbauten, umgesetzt wurde, seitdem die Verantwortung bei der | |
| Bildungssenatorin liegt – ihre Sprecherin kann es nicht sagen. „Das gibt es | |
| nicht auf Knopfdruck.“ Die Abteilung sei unterbesetzt, jage von einem | |
| Termin zum nächsten. | |
| Zeit, einen Überblick zu erstellen, der die Ausbauplanung transparent | |
| macht, gebe es nicht, sagt die Sprecherin. Aus so einer Übersicht ließe | |
| sich vermutlich allzu deutlich herauslesen, wie wenig die Bildungsbehörde | |
| zwischen den Wahlen im Mai 2015 und der Verabschiedung des Haushalts ein | |
| Jahr später auf den Weg brachte. | |
| Jetzt will die Bildungssenatorin aber gleich in ganz großem Stil ausbauen. | |
| 55 neue Kindertagesstätten plant sie – bis 2020. In den letzten zwei Jahren | |
| wurden laut Kemp ganz neu gebaut: drei. Wenn sie bis 2020 nicht rechtzeitig | |
| fertig werden, ist fraglich, ob sie dann noch gebraucht werden. Denn in den | |
| Folgejahren, so die derzeitigen Prognosen, soll die Anzahl der Kinder unter | |
| sechs wieder sinken. Andererseits ließe sich viel Geld sparen, wenn einige | |
| der Tagesstätten von Kita Bremen nicht saniert werden müssten. | |
| ## Die 32 plus 23 Standorte | |
| Wo die neuen Einrichtungen entstehen sollen, ist geheim. Die Liste solle | |
| erst mit den Beiräten besprochen werden, sagt Bogedans Sprecherin Kemp. Wie | |
| diese Liste zustande gekommen ist? In den Medien, auch in der taz, wird | |
| stets folgende Sprachregelung der Bildungssenatorin übernommen: „Für den | |
| Bau neuer Einrichtungen sind 32 Standorte gemäß der Planung von 2015 | |
| bereits größtenteils festgelegt.“ Zusätzlich plane sie 23 weitere | |
| Einrichtungen. Nur: Fragt man den Sprecher der Sozialsenatorin, die diese | |
| 32er-Liste erarbeitet haben soll, sagt der: „Ich kenne die nicht.“ | |
| Auch in den Vorlagen, die Stahmanns Behörde für die parlamentarischen | |
| Gremien erarbeitet hat: Fehlanzeige. Und sollte es sie mal gegeben haben: | |
| Bei der Bildungssenatorin kann sie nie angekommen sein, Annette Kemp hat | |
| sie nicht. Nur eine neue, überarbeitete – die sie nicht herausgibt. Von | |
| „gemäß der Planung von 2015“ kann also keine Rede sein. | |
| ## Hoffen auf die Neue | |
| Hätte die Sozialsenatorin die Verantwortung behalten, wären jetzt nicht | |
| Hunderte von Kindern ohne Betreuung, weil die MitarbeiterInnen, die die | |
| Kindertagesstätten planen, nicht mit einem Umzug von einem Ressort ins | |
| nächste beschäftigt gewesen wären. Und weil Stahmann immer wieder auf | |
| steigende Kinderzahlen reagieren musste. Vielleicht gelingt es der | |
| Bildungssenatorin besser, für mehr ErzieherInnen zu sorgen. | |
| 18 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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