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# taz.de -- Unterbringung in Niedersachsen: Kein festes Dach für Flüchtlinge
> Niemand soll bei Schnee und Eis in Zelten leben müssen, hatte
> Niedersachsens Landesregierung versichert. Doch das Versprechen ist nicht
> zu halten.
Bild: In Niedersachsen müssen Flüchtlinge wieder in Zelten schlafen - trotz g…
HANNOVER taz | Entgegen anderslautender Zusagen des Landesinnenministeriums
werden in Niedersachsen mehr als 1.000 Flüchtlinge auch mitten im Winter
zumindest zeitweise in Zelten leben müssen. „Aktuell sind in den
Erstaufnahmeeinrichtungen in Braunschweig, Bramsche und Friedland rund
1.600 Menschen in Zelten untergebracht“, bestätigte der Sprecher der
Landesaufnahmebehörde, Stefan Pankratowitz, der taz: „Das wird definitiv so
bleiben – wir haben keine Möglichkeit, feste Gebäude zu bekommen.“
Ein Sprecher des für Flüchtlingsfragen zuständigen niedersächsischen
Innenministers Boris Pistorius (SPD) hatte dagegen bereits Ende Oktober
betont, zwischen Küste und Harz müsse niemand mehr in Zelten leben – und
auf den Bau sogenannter Schnellbauhütten verwiesen. Doch offenbar war diese
Auskunft übereilt. Jetzt betonen Ministerium und Aufnahmebehörde nur noch,
die eingesetzten Zelte seien „winterfest“: Sie verfügten über einen „fe…
Fußboden“ und seien „beheizbar“ – im Durchschnitt soll darin eine
Temperatur von 22 Grad erreicht werden.
Zwar werde versucht, durch Aufteilung in einzelne „Parzellen“ und deren
Belegung mit Verwandten eine Art Privatsphäre für die Flüchtlinge
sicherzustellen, sagt Behördensprecher Pankratowitz. Sanitäranlagen seien
allerdings nur nach einem Marsch durch Regen und Schnee erreichbar. „Die
Toiletten sind außen“, sagt der Sprecher, „teilweise in Gebäuden oder
Containern, teilweise gibt es Dixi-Klos.“
Scharf kritisiert wird diese unzureichende Unterbringung vom
niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Ein so reiches Land wie die
Bundesrepublik sollte in der Lage sein, Menschen im Winter nicht in Zelten
unterbringen zu müssen“, sagt dessen Geschäftsführer Kai Weber. „Wir sind
davon ausgegangen, dass die Landesregierung die Versorgung der Flüchtlinge
anders organisiert – uns ist gesagt worden, die Unterbringung in Zelten sei
nur eine vorübergehende Notmaßnahme.“ Laura Müller vom Flüchtlingsrat hat…
deshalb schon am vergangenen Freitag eine Unterbringung zumindest in Hallen
gefordert.
Ein Leben ohne festes Dach über dem Kopf verstärke das bei vielen
Schutzsuchenden ohnehin bestehende Gefühl, ausgeliefert zu sein, sagt
Weber. Hinzu kämen Sicherheitsbedenken, nicht nur gegenüber Frauen und
Kindern, die für jeden Toilettengang hinaus in die Kälte und Dunkelheit
müssten. Selbst die Standfestigkeit der Zelte ist bei Sturm offenbar nicht
gegeben: Erst Mitte vergangener Woche mussten in Bremen knapp 1.400
Menschen evakuiert und vorübergehend in Schulen untergebracht werden. Ihre
Zelte gelten nur bis zur Windstärke 10 als sicher – zu wenig für die
angesagten Orkanböen.
Wenig begeistert ist Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Weber deshalb von der
Ankündigung der rot-grünen Landesregierung, ab Beginn des kommenden Jahres
auf die Amtshilfe der Städte und Gemeinden verzichten zu wollen und die
Erstaufnahme der Schutzsuchenden wieder ausschließlich im Alleingang zu
organisieren. „Damit werden mehr Flüchtlinge länger in Zelten leben
müssen“, warnt er. Weil die Erstaufnahmen schon Mitte Oktober aus allen
Nähten platzten, verteilt Niedersachsen einen Teil der Flüchtlinge seither
direkt auf die Kommunen. Auch ihre Registrierung und eine medizinische
Erstuntersuchung erfolgt dort.
Immerhin: Die den Städten und Kreisen zugewiesenen Schutzsuchenden können
sich über ein festes Dach über dem Kopf freuen – als Notunterkünfte haben
die Gemeinden oft Turnhallen oder Gemeindehäuser belegt. Vor Ort gab es in
Niedersachsen, aber auch in Bremen bereits Proteste, etwa von
Sportvereinen. Kommunalvertreter glauben deshalb nicht an die vom Land
versprochene Entlastung: „Die Menschen müssen doch irgendwo hin“, sagt
Heiger Scholz vom niedersächsischen Städtetag.
Ersetzt werde die Amtshilfe nun durch Verwaltungsvereinbarungen mit einer
Laufzeit von etwa sechs Monaten, warnt auch Hubert Meyer, Geschäftsführer
des Landkreistags: „Damit gewinnen wir Planungssicherheit, können wieder
seriös über die Anmietung von Gebäuden und Aufträge an Hilfsdienste
nachdenken – mehr nicht.“
24 Nov 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Flüchtlinge
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