# taz.de -- Hamburgs Suche nach Unterkünften: Immobilien beschlagnahmen erlaubt | |
> Als erstes Bundesland beschließt Hamburg ein Gesetz zur zwangsweisen | |
> „Sicherstellung“ privater Immobilien. Die Opposition prophezeit eine | |
> Prozesslawine. | |
Bild: Hamburg setzt für den Winter auf leerstehende Gewerbeflächen: Auch gege… | |
HAMBURG taz | Hamburg prescht vor. Als erstes Bundesland wird Hamburg am | |
Donnerstag in zweiter Lesung ein Gesetz verabschieden, das die | |
Beschlagnahme leerstehender Gewerbe-Immobilien auch gegen den Willen der | |
Eigentümer erlaubt. Zumindest wenn die Gebäude und Hallen zur Unterbringung | |
von Flüchtlingen benötigt werden. | |
Für die CDU-Fraktion ist das Gesetz, das in der kommenden Woche in Kraft | |
treten soll, ein „Tabubruch“. Die FDP geißelt es als „schwerwiegenden | |
Eingriff“ in die Grundrechte. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) | |
hält trotzdem daran fest. Die einzige Alternative wäre, wie in vielen | |
nordrhein-westfälischen Kommunen, städtische Schulturnhallen mit | |
Flüchtlingen zu belegen und den Schulsport auf absehbare Zeit aus dem | |
Lehrplan zu streichen, sagte Neumann. | |
Dabei betont der Senator, sein „Ziel“ sei es, das zunächst bis zum Frühja… | |
2017 befristete Gesetz „niemals anzuwenden“. Er brauche es aber als | |
Drohkulisse und Druckmittel. In der eilig einberufenen Sondersitzung des | |
Innenausschusses berichtete er von gescheiterten Verhandlungen mit | |
Immobilienbesitzern, die ihre Gebäude – ob ehemalige Krankenhäuser oder | |
Gewerbehallen – lieber leerstehen ließen, als sie für gutes Geld zeitweilig | |
als Flüchtlingsunterkunft zu vermieten. | |
Das „schade dem Image der Immobilie“ habe Neumann immer wieder zu hören | |
bekommen. Solche Worthülsen habe er angesichts der Flüchtlingsnot nur | |
„schwer erträglich“ gefunden, sagte der Senator. | |
## AfD wittert Etikettenschwindel | |
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis | |
Gladiator, kritisiert, dass schwerwiegende „Eingriffe in die Grundrechte | |
der HamburgerInnen und Hamburger durchs Parlament gepeitscht“ würden. „Eine | |
riesige Welle an Gerichtsverfahren“, prophezeite sein Fraktionskollege | |
Karl-Heinz Warnholz. Die FDP befürchtete, „solche Zwangsmaßnahmen“ würden | |
„Ressentiments gegen Flüchtlinge beflügeln“ und die AfD witterte einen | |
„riesigen Etikettenschwindel“, weil der Senat in Wahrheit nicht nur | |
Gewerbeimmobilien, sondern „auch Wohnungen enteignen“ wolle. | |
Das schließt das Gesetz, das SPD, Grüne und Linke gemeinsam verabschieden | |
werden, in der Tat nicht ganz aus: „Wir wollen verhindern, dass wir eine | |
Gewerbeimmobilie nicht bekommen, nur weil sich in ihr eine leere | |
Hausmeisterwohnung befindet“, beantwortete Neumann die Frage der | |
Opposition, warum in wesentlichen Passagen des Gesetzentwurfes die „klare | |
Beschränkung auf Gewerbeimmobilien fehle“. Wer aber behaupte, die Stadt | |
wolle nun in großem Maßstab „Wohnimmobilien enteignen“, spiele „grundlos | |
mit den Ängsten der Menschen“, gab Neumann zurück. | |
## Maßgeschneidertes Gesetz | |
Das Gesetz ist dabei im wesentlichen eine Präzisierung des Hamburger | |
Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG), das die „Sicherstellung“ auch von | |
Immobilien zur Gefahrenabwehr erlaubt. Nach SOG, das alle Bundesländer in | |
vergleichbarem Wortlaut haben, wurden in der vergangenen Wochen bereits in | |
anderen Bundesländern und Städten, besonders in Berlin, Immobilien | |
beschlagnahmt, um in ihnen Flüchtlinge unterzubringen. Neumann aber will | |
ein maßgeschneidertes Gesetz für solche Maßnahmen: „Unsere Rechtsordnung�… | |
so der Senator mit Blick auf die 878 Flüchtlinge, die in Hamburg allein am | |
vergangenen Sonntag und Montag ankamen, „ist auf so eine Situation nicht | |
vorbereitet“. | |
Andere Bundesländer, darunter auch Bremen, haben bereits angekündigt, dem | |
Hamburger Beispiel zu folgen. Leerstehende Gebäude mit einer Fläche von | |
mindestens 300 Quadratmetern sollen zukünftig auch gegen den Willen der | |
Eigentümer vorübergehend für Flüchtlinge genutzt werden können. Auch | |
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lässt derzeit die | |
rechtlichen Rahmenbedingungen für zeitweilige Beschlagnahmungen prüfen, in | |
Schleswig-Holstein gibt es laut des dortigen Innenministeriums derzeit noch | |
keine konkreten Bestrebungen, ein [1][Beschlagnahme-Gesetz] zu entwerfen. | |
30 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/freiesuche/1 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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